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wurden viele Tausende durch die Seuche w;g- gerafft.
Aus Jglau (Mähren), 28. April meldet man der „N. Fr. Pr.": Herzzerreißend ist der Jammer, unsäglich das Elend, welche in dem von einer Feuersbrunst fast gänzlich eingeäscherten Städtchen Kreuzberg herrschen. 1500 Menschen sind obdachlos geworden und wissen nicht, wo sie heute und in den nächsten Tagen ihr Heim aufschlagen sollen; es sind zumeist Klemhänsier und Arbeiter, die so hart heimgesucht worden sind. Nach der letzten Zählung sind 176 Häuser ein Raub der Flammen geworden, nur 14 Häuser sind stehen geblieben. Eine Familie, Mann, Frau und zwei Kinder, ist verbrannt.
Paris, 2. Mai. Eine Arbeiter-Deputation, welche gestern mit einer Bittschrift nach der Kammer ziehen wollte, wurde von der Polizei zerstreut. Es wurden nur Gruppen von 5 Personen durchgelassen. Die Bittschrift wurde auf dem Bureau der Kammer niedergelegt.
Brüssel, 1. Mai. „Le peuple" veröffentlicht einen von Bebel gezeichneten Artikel, worin die Solidarität der Sozialisten Frankreichs und Deutschlands betont wird und worin weiter gesagt wird, diese Solidarität solle am 1. Mai zum Ausdruck gebracht werden. Bebel protestiert gegen die barbarischen Umtriebe der besitzenden Klaffen.
Rom, 29. April. Heute vormittag hat der Papst den Bischof von Straßburg mit 320 elsäßischen und alsdann den Bischof von Metz mit 200 lothringischen Pilgern empfangen.
Neapel, 30. April. Das Kaiserpaar und das Königspaar besuchten gestern gegen 10 Uhr Pompeji, wo sie die Hauptstraßen und die Bauwerke besichtigten und an der Strada di Nola einer Ausgrabung dreier Zimmer der Casa delle Grande Colonne beiwohnten. Hierbei wurde zahlreiches Hausgerät aus Bronze, Eisen und Thon zu Tage gefördert. Nach dem Frühstück in den Sta- bianer Thermen kehrten sie um 2^2 Uhr nach Neapel zurück.
Mailand, 28. April. Ein Landregen erquickt endlich Oberitalien und bessert die Aussicht der Ernte.
Newyork, 29. April. Die mit dem Dampfer „Fürst Bismarck" der Hamburg- AmerikanischenPacketsahrt-Aktien-Gesellschaft am Donnerstag, 20. d. M., von Hamburg zur Chicagoer Ausstellung abgereisten Vertreter der deutschen Presse sind heute vormittag 5 Uhr wohlbehalten hi r angekommen.
Tilki-HMndrs.
Dorf und Stadl.
Eine einfache Erzählung aus.dem Lebenv.M.B.
(Fortsetzung.)
Daun aber verließ er den Salon und begab sich ins Freie. Er schaute sich nach Amalie um, sah sie jedoch nicht. In unbeschreiblicher Stimmung durchschritt er den Garten und näherte sich einer Laube, die unter einem mächtigen Baume angebracht war.
Da traf ein heftiges Weinen und Schluchzen sein Ohr. Er blieb stehen. Er wußte, wer sich in dem Häuschen befand. Sein Herz pochte fast laut. Schüchtern, wie ein Jüngling, stand er da und wußte nicht, ob er vorwärts gehen, oder wieder umkehren sollte. Endlich ermannte er sich. Er trat tn die Laube und stand vor dem Mädchen,
, das einen so ungewöhnlichen Sturm in ihm > erregt hatte. Seine Augen wurden selbst feucht, als er ihren tiefen Schmerz sah. Er hätte ihr gerne Trost zugesprocheu, aber er fand keine Worte dazu.
Er setzte sich neben sie und ergriff ihre Hand. Amalie ließ es geschehen. Sie trocknete ihre Thränen und schaute, sich zu einem verlegenen Lächeln zwingend, in das Gesicht des Mannes, dessen aufrichtiges und herzliches Wohlwollen kennen zu lernen sie schon genugsam Gelegenheit gehabt hatte.
Neumann war endlich seiner Verwirrung Meister geworden. Das freundliche Entgegenkommen Amaliens erhöhte noch seinen Mut. Mit einer Beredsamkeit, deren er sich selber nicht fähig gehalten hätte, bat er das Mädchen, die trübe Vergangenheit zu vergessen, und brachte, von Satz zu Satz wärmer werdend, sein Anliegen vor, das in einem offenen und ehrlichen Heiratsantrag des reichen Rentners an die arme Waise bestand.
Amalie hatte abermals die Farbe gewechselt. Zuerst war sie heftig erschrocken, dann aber brach eine unverkennbare Freude, eine hohe Genugtuung aus ihren Augen hervor.
„Ich danke Ihnen recht von Herzen für die Ehre, welche sie einem armen Mädchen anthun," sagte sie, „ich weiß Ihren Antrag auch nach seiner ganzen Bedeutung zu schätzen. Er giebt mir die Ueberzeuguug, daß es noch gute Menschen giebt — aber annehmen kann ich ih» nicht! Ich will ganz offen sein, Herr Neumann, dann werden Sie selbst begreifen, daß ich nicht Ihre Frau werden kann. Mein Herz ist nicht frei, ich vermag meinen Gottlob nicht zu vergessen, ich werde ihn lieben und ihm treu bleiben bis in den Tod!"
Ihre Thränen brachen aufs Neue hervor. Diesem Geständnis und dem abermaligen Gefühlsausbruch des Mädchens gegenüber befand sich der Rentner in nicht geringer Verlegenheit. Er suchte vergeblich nach einer paffenden Antwort.
„Ich will jetzt nicht in Sie dringen," nahm er nach einer Weile das Wort. „Üeber- legen Sie sich meine Werbung, die m der besten Absicht und im vollen Ernst gemeint ist. Nach Verfluß von vierzehn Tagen geben Sie mir Antwort und bis dahin, nicht wahr, Malchen," schloß er, sich tief zu dem errötenden Mädchen herabbeugend mit innigem Ton, „verraten Sie nichts, — auch nichts gegen Arnold — sonst lacht er mich aus!"
Er drückte einen Kuß auf Amaliens Stirne und ging.
Die Kinder waren indessen zu den Eltern zurückgekehrt und hatten natürlich des seltsamen Zwischenfalls Erwähnung gethan. Die Mitteilung, daß Neumann Amalie gefolgt sei, rief einen verständnisvollen Blickwechsel zwischen den Gatten hervor. Dieser wiederholte sich, als nach einer Weile der Hausfreund in augenscheinlicher Aufregung, aber nichts weniger als niedergeschlagener Miene auf der Veranda erschien.
Arnold dessen Kombinationsgabe so ziemlich das richtige traf, half mit der leicht hingeworfenen Bemerkung, daß Amalie die schlimmen Geschichten nach und nach schon vergessen werde, über die begreifliche Spannung hinweg. Dem bald darauf auch wieder eintreffenden Mädchen gegenüber wurde an den Vorfall gar keine weitere Bemerkung geknüpft.
(Fortsetzung folgt.) ^
, Vermischtes.
— Einen nicht uninteressanten Einbliik in gewisse Unsitte» der Landbevölkerung in Esthlandgewährtder in dem esthnischen Blatte Oiewik veröffentlichte amtliche Erlaß des Rappel'schen Gemeindeälteste», nach welchem fortan diejenigen, die bei Bauernhochzeiten betrunken als „Marschälle" erscheinen, sowie alle, die vor dem Kirchen-Kruge (Gemeinde- Wirtshaus) Lärm und Unordnungen vollführen, zur Verantwortung gezogen werden und gerichtlicher Bestrafung unterliegen sollen. Ebenso werden sich auch diej-migen zu verantworten haben, die fernerhin gesonnen sein sollten, rittlings auf den Särgen der Leichen zu sitzen, wen» diese zur Kirche und auf den Kirchhof gebracht werde».
— Ein gewaltiger Bär tm Gewicht von 3 Zentner wurde letzter Tage auf einer Streifjagd, die von Forstvorständen aus Misox (Graubüuden) in Folge des großen unter Viehheerden angerichteten Schadens veranstaltet wurde, von drei Jägern am Fuße einer Felswand ob dem Dorfe erlegt.
— Ein düsteres Sittenbild aus Sibirien findet sich in der „Jekat. Nedelja". Das Blatt spricht von „Menschenjagden", die dort gang und gäbe seien. Der Gorbatsch, d. h. der von den Wäschereien heimkehrende Arbeiter, gibt das Wild ab für den „jagenden" sibirischen Bauern, der sich in Gesellschaft in einem Versteck am Wege lagert und aus diesem Schlupfwinkel heraus die passierenden Arbeiter einen nach dem andern niederschießt, um die armen Teufel zu berauben. Oft haben übrigens die Arbeiter die Oberhand. Dann wird dem Räuber der „Rote Hut" aufgesetzt. Dieser Hut ist ein rotglühender Eisen- topf, der dem Gefangenen auf den Kopf gestülpt wird.
-— Von einer Schreckensszene im Zirkus wird aus Lissabon berichtet: Der Thierbändiger Max Himme vom Pariser Winter-Zirkus gab am 25. v. Mts. mit seinen 5 Löwen die erste Gastvorstellung. Die Aufführung verlief ohne Zwischenfall; als aber Max Himme sich anschickte, den Käfig zu verlassen, stürzte sich die Löwin Nelly auf ihn. Der Kampf zwischen dem Manne und der Bestie war fürchterlich. Ec währte volle zehn Minuten im Angesichte des vor Entsetzen sprachlosen Publikums. Max Himme riß der Löwin die Zunge aus dem Munde, das Thier aber hackte seine Pranken um so wütender in seine Glieder ein. Endlich löt te ein Clown die Löwin durch einen Büchsenschuß; sie riß im Hinfallen Max Himme mi , der unter ihrem Kadaver sterbend hervorgezogen wurde. Während des Kampfes wagte es der Gehilfe Himmes, Poiffon, in den Käfig einzutreten und die andern Tiere in Schach zu halten.
— Einen kugelfesten Stoff will auch ein Moskauer Schneider, Juschkow, erfunden haben und zwar vor bereits 11 Jahren, doch sei seine Erfindung nicht beachtet worden. I. will demnächst neue Proben des Stoffes liefern.
— 120000 Gulden für — einen Hund werden auf der gegenwärtig tn Rotterdam stattfindenden Internationalen Hundeausstellung gefordert. Das Tier, ein Foxterrier, heißt „Coombe Baroneß" und gehört einem Herrn Norman Higgs. Auch sonst noch befinden sich auf der Ausstellung, welche mehr alS 700 Exemplare, darunter eine große Anzahl deutscher Tiere, und sehr viele „Prachtstücke" aufweist verschiedene Raritäten, dre ganz enorm bewertet sind.