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es einigen Beamten gelang, die Meuterer durch ein gütliches Zureden zu beruhigen, so daß diese nach 4 Stunden freiwillig in ihre Zellen zurückkehrten.

Rom, 7. April. Während der Reise des deutschen Kaiserpaares nach Neapel ioll der Großfürst Wladimir und der Thronfol­ger von Montenegro im Vatikan empfangen werden.

Lokales.

Wildbad, 9. April. Gestern Nacht stieß dem Polizeidiener Gut bub von hier ein be­dauerlicher Unglückssall zu. Nach 12 Uhr be­gegnete derselbe in der König-Karistraße ober­halb der Postbrücke einem Fuhrwerk ohne vor­schriftsmäßige Beleuchtung. Er rief den Fuhr­mann an, begleitete denselben um dessen Per­sönlichkeit festzustellen, einige Schritte abwärts, wo die Straße durch das Licht vom Postbureau etwas erleuchtet war. Als er in die Nähe der Brücke kam, trieb oer Fuhrmann plötzlich seine Pferde zu raschem Tempo an. G. eilte ihm nach und stieß in der Dunkelheit vermutlich auf euren Stein, kam zu Fall und geriet dabei unter den hin­tern Teil des Wagens, welcher über ihn hin­wegging. Polizeidiener St. und Amtsdiener E., welche zufällig in der Nähe waren, eilten dem Schwerverletzten zu Hilfe und geleiteten ihn nach Hause. Der Verunglückte, welcher «inen Nippenbruch und sonstige innere Verletz­ungen erlitt, liegt nun schwer krank darnieder und ist das Bedauern mit dem pflichttreuen, eifrigen Manne und dessen Familie ein allge­meines. In Anbetracht dieses Vorfalles wäre es sehr zu wünschen, daß auf verschiedenen Plätzen der Stadt hauptsächlich bei Brücken und Straßenkreuzungen Laternen die ganze Nacht hindurch brennen gelassen würden, um etwaigen Unfällen vorzubeugen. Wie wir vernehmen, ist der oben genannte Fuhrmann in dem Knecht des Waldhornwirts Düttling in Calmbach bereits ermit­telt und zur Haft gebracht worden.

9. April. Gestern nachmittag wurde Jakob Fried. Barth, Holzhändler von Calmbach in Bietigheim tod aus der Enz gezogen. Es ist bis jetzt noch unaufgeklärt, auf welche Weise der Verunglückte in das nasse Grab geriet.

TntkrhMndks.

Dorf und Stadt.

Eine einfache Erzählung aus dem Lebenv. M. B.

(Fortsetzung.)

Indessen hatte er nahezu die Anhöhe erreicht. Der kühlende Wald nahm ihn auf. Er blieb stehen, holte tief Athem und trocknete sich den Schweiß ab. Verworrenes Stimmen- gefumm schlug an sein Ohr. Es rief keine Aenderung in seiner Simmung hervor. Ihn beseelte nur ein Gedanke: die Geliebte zu finden und aus ihrem eigenen Munde das Urteil zu kören, von welchem seine Zukunft abhing. Durch rauschende Musik wurde er aus seinem Sinnen geweckt. Entschlossen schritt er weiter und erreichte nach Verfluß weniger Minuten die Lichtung, wo rings um das sich hoch in die Luft erhebende Schlöß- lein ein prächtiger Wirtschaftsgarten ange­legt war. Geputzte Menschen jeden Alters und Standes hatten sich teils auf freien

Plätzen, teils in den versteckten Lauben > um die zierlichen Tifche gesetzt und lauschten den lieblichen Tönen, welche aus dem Kiosk des zahlreichen Orchesters erklangen. Be­frackte Aufwärter und weißgeschürzte Kellner­innen rannten geschäftig mit glühenden Wangen unter der lenzesfröhlichen Menge umher.

Gottlob schaute Anfangs befangen und verwirrt auf das ungewohnte Treiben. Er stellte unwillkürlich einen Vergleich mit seiner einfachen Schwarzwäldertracht an und dem gleißenden Flitter, der sich überall vor dem stau­nenden Auge aufthat. Fast wollte sich in ihm das Gefühl der Scham und Aengstlich- keit regen, doch mit aller Energie schüttelte er diese Anwandlung von sich. Er ging langsam durch die Sitzreihen und kümmerte sich nichts um die anzüglichen Bemerkungen, die er da und dort aus dem Munde einer bleichwangigen Großstädterin über seinen un­geheuer» Regenschirm, feinen Dreispitz oder die strammen Ledechosen vernahm.

Die Hitze hatte ihn durstig gemacht. Er ließ sich ein Glas Bier gebe» und trank. Gar zu gern hätte er den Aufwärter nach dem Amerikaner oder dem Inspektor Werner gefragt, aber das geschniegelte Herrchen mit der weißen Weste und der goldenen Busen­nadel war ihm zu nobel. Er wagte es nicht. Er stand auf und versuchte selber sein Glück. Die Lauben erstreckten sich, wie Gottlob bald fand, allerdings in immer ge­ringer werdender Anzahl, bis tief in das Wäldchen hinein. Es wurde einsamer und stiller. Nur bald da, bald dort klang ein Kichern und Lachen aus einem der lauschigen Plätzchen hervor. Dem Burschen wurde es seltsam ums Herz. Eine unwiderstehliche Angst ergriff ihn. Sein Herz zog sich krampf­haft zusammen. Es war ibm als stehe er vor einem großen Unglück.

Fast reute es Gottlob, dw Reise in die geräuschvolle Stadt unternommen zu haben. Er wünschte sich in den trauten Schwarz­wald zurück. Er ging noch einige Schritte weiter, da traf aus einer ganz im Gebüsch versteckten Laube der Helle Klang von Glä­sern an sein Ohr. Diesm folgte ei» fröhlicher Ausruf und dann ein Lache», bas dem Burschen wie ein glühendes Messer die Seele durchschallt. Er hatte die Stimme erkannt. Zur Bestätigung seiner Entdeck­ung kam fast gleichzeitig der Onkel mit einem Korbe am Arm zum Vorschein und eilte, ohne dem Burschen eine Beachtung zu schenken, dem Waldschlößchen zu. Gott­lob fühlte, wie fein Herz geradezu sieberhaft schlug. Er befand sich i» einer Aufregung, die ihm fast die Fähigkeit zum Denken be­nahm.

Ohne zu wissen, was er that, schlich Gottlob von der Seite her gegen die Laube hinan. Er bog die Zweige mit den bebenden Händen auseinander und schaute ins Innere. Da saß Amalie feine BrautI Wie war sie so schön! Ueberall schimmernde Farbenpracht, Seide und Gold! Die rosigen Lippen waren übermütig aufgeworfen und die schönen Augen leuchteten in feuchtem Glanz überden glühenden Wangen hervor. Auf dem Tischchen standen halgeleerte Champagnerkelche, Braten, Back­werk. An der Seite des jungen Mädchens aber befand sich ein junger Herr, der den Arm um den Nacken des Mädchens ge­schlungen hatte und ihre prächtige Gestalt fast mit seinen Augen verschlang.

Gottlob sah es. Er fühlte, wie sein Blut zu stocke» begann. Das Herz krümmte und wand sich unter dem Einfluß des ent­setzlichen Anblicks, daß er glaubte sterben zu

müssen. Also hatte ihn seine Ahnung doch ^nicht getäuscht! Er war betrogen, verraten, verkauft, sein ganzes Lebensglnck lag durch die Schuld des Mädchens,. welches er fast wie eine Heilige verehrt hatte, iu Trümmern vor ihm.

Immer enger zog der junge Herr Amalie an sich. Sie widerstrebte ihm nicht. Er bog seinen Kopf auf ihr Angesicht nieder, er streichelte mir der weißen Hand ihre glühende Wange, er preßte seine Lippen auf ihren Mund da tönte ein von Schmerz und Entrüstung erzeugte Ruf in die Laube hinein, daß das Paar erschreckt von seinem Sitze auffuhr.

Gottlob unfähig, länger an sich zu halten, hatte den Ruf ausgestoßen. Er wandte sich ab. Dabei verwickelte er sich in das Wurzel­werk, strauchelte und schlug de» Kopf so heftig an einen Baumstamm, daß er das Bewußtsein verlor.

' (Fortsetzung folgt.)

Vermischtes,

300 Jmpfverweigerer in Apolda in Thüringen bekamen Strafzettel. Einmütig wurde gerichtliche Entscheidung verlangt. Und da geschah die große That, daß der Staats­anwalt da er selbst Jmpfgegner geworden war! nur 1 Mark Strafe beantragte. Und der aburteilende Amtsrichter erwiderte, er könne unter 2 Mark Strafe gesetzlich nicht erkennen, er fei jedoch auch Jmpfgegner und bitte die verurteilten Angeklagten, recht fleißig gegen den Impfzwang zu wirken, damit dieses Ge­setz endlich abgeschafft würde.

(O heilige Einfalt!) Dieser Tage kam eine Zigeunerbande in ein oberbayrisches Dorf. Eine Zigeunerin erschien bei einer kurz vor­her verwitweten Bäuerin unter dem Vorwand,sie sei von, Gott gesandt," um ihr zu sagen, daß ihr Mann gegen ein Almosen von 700 Mk. aus dem Fegfeuer befreit würde. Die Frau gab das Geld her und die Schwindlerin ent­fernte sich dankend. Die Bande wird polizei­lich verfolgt.

(Hohes Alter.) In dem im Gouver­nement Wolhynien gelegenen Dorfe Toka- rowka starb dieser Tage der Bauer Feodor Krassnoski im Alter von 120 Jahren. Der­selbe hinterläßt gegen 140 Enkel, Urenkel und Ururentel. Nach Angabe seines einzig noch lebenden 92jährigen Sohnes wurde der Vater des Verstorbenen 130 Jahre alt.

(Eine Amazone.) Vor Kurzem wurde, wie eine Korrespondenz aus Konstantinopel meldet, in Pristina durch einen Zufall die Entdeckung gemacht, daß in dem dort garnr- sonierenden 15. Regiment ein junges Mädchen Namens Hanko seit 3^/s Jahren unter dem Namen ihres Bruders Aali Redscheb diente und durch besonders gute Führung sich aus­zeichnete. lieber den im türkischen Heere un­erhörten Fall, daß eineHanum" (Frauens- perjon, unverschleiert mit Männern zusammen­hauste, wurde an den Sultan berichtet. Als dieser erfuhr, daß das junge Mädchen den kühnen Schritt gewagt hatte, um ihren Bruder, die einzige Stütze ihrer Mutter, vom Militär­dienst freizuhalten, verlieh er ihr den Schefakt« Orden III. Klasse und eine lebenslängliche Pension von monatlich fünf türkischen Pfund. Natürlich wurde sie sofort heimgeschickt und auch ihr Bruder vom Dienst befreit.

(Ein poli tisch er Philosoph). Sachse: Was ist des Deutschen Vaterland? , Ist's Bayernland, ist's Steierland? fragt der alte Moritz Arndt. Weeß Gnebbchen, wenn der heile zu Miquels Zeiden gelebt hädde, müßt' er'sch:'s ist's Steierland.