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Im gegenwärtigen Augenblick, wo sich in Wildbad die Frage aufwirft:

Elektricitiit oder Gas?"

dürfte es angezeigt erscheinen, einen Artikel von berufener Seile derDeutschen Warte" vom 6. März zum Abdruck zu bringen. Derselbe lautet:

Die Fortschritte, welche sowohl auf dem Gebiete der Leuchtgasindustrie, als auch auf dem der elektrischen Beleuchtung in den letzten Jahren gemacht worden sind, lassen zur Genüge erkennen, daß man bemüht gewesen ist, auf beiden Gebieten praktische, dem Allgemeinwohl zu gute kommende Neuer­ungen zu ersinnen und mit Erfolg auch ein­zuführen.

Man ist zu der Erkenntnis gekommen, daß Gas und elektrisches Licht hinsichtlich ihrer von einander so ganz verschiedenen Vorzüge und Vorteile wohl neben einander bestehen können, und daß sie sich schließlich im beider­seitigen Interesse ergänzen sollen. Die Zahl der Pessimisten, welche das Ende des Gas­lichtes gekommen wähnten, wird mit der Zeit eine immer kleinere werden. Soll zur Be- friedigung der Vermehrung des Licht­bedürfnisses eine elektrisch eZentrale projektiert werden, so ist vor allen Din gen die Frage der Vorbedingung, ob in der That dies Bedürfnis in dem Umfange vorhanden ist, daß eine voraussichtliche Rentabilität gewährlei st et wird, allseitig ernst ha ft zu erörtern. Beim Fehlen dieser Vorbe­dingung ist es Pflicht der Staotverwaltung, den Gedanken an eine elektrische Beleuch­tung nicht aufkommen zu lassen. Für klei­nere Städte, in welchen eine Gasanstalt schon vorhanden ist, die eventuell einen Er­weiterungsbau erfordert, ist diese Frage von noch größerer Wichtigkeit.

Da in desdie Elektrotechni klängst die Kinderschuhe ausgezogen hat, so soll man ihr auch Gelegenheit geben, sich an praktischen Aufgaben mehr als bisher zu bethätigen, und ihr die Wege einer vorsichtigen, aber wohl­wollenden Zulassung zum Wettbewerbe ebnen.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß neben einem rentablen Elektrizitätswerk ganz gut eine rentable Gasanstalt, beide mit wachsen­dem Konsum, bestehen kann. Selbstredend ist ein Werk verfehlt, welches in den vorhandenen Bedürfnissen, in den örtlichen Verhältnissen und in seinem eigenen Wesen nicht die wirt­schaftlichen Vorbedingungen selb­ständiger Existenz besitzt, welches also dauernd von der Steuerkraft erhalten werden müßte, ohne der Allgemeinheit von Nutzen zu sein.

Leider muß zugegeben werden, daß speziell in Deutschland die Leuchtgasindustrie allerdings unter dem Drucke von Vorurteilen jahrelang geschlummert hat, und daß sie sich daher im wirtschaftlichen Leben nicht in dem gewünschten Maße entfalten konnte. Bei dem ruhigen schnellen Emporwachsen der mächtigen Konkur­renz, der Elektrotechnik, hat aber doch die Gasindustrie gezeigt, daß sie mit allen Kräften bestrebt gewesen ist, in dem Wettkampf als eine ebenbürtige Gegnerin aufzutreten, und sie kann nunmehr mit berechtigtem Stolze auch auf ihre Errungenschaften, die neue Zukunfts- probleme eröffnet haben, blicken.

Nicht allein in der Fabrikationsweise des Leuchtgases, in der Einführung neuer zweck­entsprechender Gasapparate und Maschinen zur gastechnischen Einrichtung, sondern auch in der Konstruktion der Brennapparate sind wichtige Neuerungen zu verzeichnen.

Der Auer'sche Gasglühlichtbrenner, welcher bei 50°/o Gasersparnis ein etwa 3mal helle­res Licht als eine gewöhnliche Gasflamme und ein etwa 4mal helleres Licht als elektri- trisches Glühlicht verbreitet, hat schon eine bedeutende Umwälzung auf dem Beleuchtungs­gebiete hervorgerufen und wird nach weiterer Vervollkommnung in der Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen. Es ist zu hoffen, daß durch eine Verbindung von Glühlicht mit dem Prinzips der Vorwärmung der Verbrennungs­luft unter anderem eine noch bessere Ausnutz­ung der Energie des Gases in Form von Licht erzielt werden kann.

Das Gasglühlicht, welches keine große Wärme, ein ruhiges, mildes, dem Auge wohl- thuendes Licht entwickelt, ist nachweislich die billig st eBeleuchtungsartderJetzt- zeit. Für die Verbreitung des Gasglühlichts sind folgende Zahlen, welche den Absatz der Brenner in der jüngsten Zeit angeben, charak­teristisch: April 1892: 1240, Mai: 2495, Juni- 4245, Juli: 4517, August: 8647, September: 19 970, Oktober: 38 632, No­vember: 42 290 Stück.

Es ist statistisch festgestellt, daß seit der Einführung des elektrischen Lichtes eine Zu­nahme des Lichtbedürfnisses hervorgerufen worden ist, und daß eine stetige Zunahme des Gasverbrauchs stattgefunden hat. Hierbei ist auch der Anwendung des Gases zu an­deren Zwecken als zur Beleuchtung, als Heiz-, Koch- und Kraftgas, ein nicht unwesentlicher Anteil an der erhöhten Zunahme des Gas­verbrauches zuzuschreiben, indem sowohl die absolute Ziffer des für diese Zwecke gelieferten Gasquantums, als auch der Anteil, mit welchem das letztere an der gesamten Gasab­gabe für Privatzwecke beteiligt ist, sich erhöht hat. Wenn auch die Gasanstalt augenblicklich eine geringere Einnahme für dieses Gas pro Kubikmeter erzielt, so kann es doch nur freudig begrüßt werden, daß das Gas zu häuslichen und gewerblichen Zwecken allmählich in aus­gedehnterem Maße Verwendung findet wie früher. Es liegt dieses sowohl im Interesse des Publikums, wie im Interesse der Anstalt, welche doch in Folge des größeren Konsums eine Mehreinnahme zu verzeichnen hat, und daher die ideelle Differenz oft in ein Plus verwandelt wird.

Das Gas besitzt neben der Eigenschaft, Licht zu spenden, noch den großen Vorteil durch die bei seiner Verbrennung frei werdende Wärme eine Quelle zur Heizung und Erzeu­gung von Kraft zu liefern, wie sie von keinem festen oder flüssigen Brennstoff so günstig dargeboten werden kann. Bei der Versorgung ganzer Städte mit Licht, Wärme und Kraft nimmt das Gas unter den Konkurrenten jetzt schon eine bedeutende Stelle eine, und mögen in dem Wettstreit die Würfel auch fallen wie sie wollen, in der Erzeugung von Wärmebesitzen die Ga sanft alten cifle Domäne, die ihnender elektrische Sromnicht entreißenwird und kann.

(Schluß folgt.)

Moltke über Wildbäd.

In dem fünften Bande derGesam­melten Schriften und Denkwürdigkeiten des Feldmarschalls Grafen Helmuth v. Moltke" finden sich mehrfache Schilderungen sowohl des württembergischeu Landes im Allgemeinen als auch einzelner Städte und Gegenden desselben. So flüchtig sie niedergeschrieben sind, so erkennen wir darin gleichwohl die besondere Gabe des Marschalls, mit wenigen Strichen das Eigentümliche und Charakte­

ristische einer Landschaft, einer Stadtzu treffen, zu zeichnen.

In einem an seine jüngste Schwester Auguste v- Burt gerichteten Briefe vom 4. Oktober 1868 schildert der damalige Gene­ral der Infanterie Graf v. Moltke den Kur-Aufenthalt, welchen er mit seiner Frau in hiesiger Stadt genommen, wie folgt:

Liebe Guste!

Es ist wohl Zeit, daß wir etwas von uns hören lassen, nachdem ungefähr die halbe Kur hier beendet ist. Die diesjährige Badereise fiel etwas spät, und alle Welt ist schon ans der Abreise. Die Gesellschaft ist sehr klein, meist Gelähmte und ernstlich Kranke. Es regnet fast alle Tage hier in den Bergen, oft aber bricht doch auch die Sonne durch, und dann ist es sehr schön in dem engen 'Waldthal der Enz. Wie den ganzen Schwarz­wald, so bedecken auch hier dichte Tannen­wälder alle Höhen, während die Thalsohlen mit frischgrünenden Wiesen bedeckt sind. Schön geebneteFußpfade führen aufbedeutende Höhen hinauf.

Das Bad selbst ist einzig schön. Den Boden der Porzellanwannen bildet der ge­wachsene Granitfels, welcher zur Bequem­lichkeit mit einer Schicht feinen Sandes be­deckt ist. Ans dem Fels quillt unuiittelbar die Quelle, 27'/g Grad ü. warm, so daß im Bade fortwährend Zufluß und gleiche Tem­peratur erhalten bleibt. Das Wasser ist wie in Gastein und Ragatz, die chemische Analyse hat keine andere» Bestandteile als die des destillierten Wassers entdecken können, und die Wirkung scheint auf der natürlichen Erdwärme, auf magnetischer und elektrischer Kraft zu beruhe», Agentieu, die unserer Kenntnis noch lauge nicht klar gelegt sind. Mir verursachen die Bäder große Ermattung und das Jntermittieren des Herzschlages, woran ich schon vor dreißig Jahren gelitten. Jetzt aber bekommen sie mir gut. Die Aerzte sagen, daß die Bäder alle alten Uebel aufregen. Marie hat auch schon zehn Bäder genommen und befindet sich vortrefflich dabei.

Die Küche ist ausgezeichnet, überhaupt ist für allen Komfort auf's beste gesorgt. Man kann in Paris nicht besser dinieren, die Forellen aus dem Fluß, Steinbutten aus Marseille, Artischocken aus Algier die Eisenbahnen machen alles leicht"

In einem anderen, an seine älteste Schwester, Helene Bröcker, aus Wildbad gerichteten Briefe vom 17. Oktober 1868 spricht Moltke sich ähnlich über die Vorzüge von Wildbad aus.

Wildbad, 15. März. Mit heutigem Tage treten folgende Fahrplanänderungen ein:

Zug 178a Werktags hat nun fol­genden Kurs:

Calw ab . . 5,45 Vorm.

Pforzheim an. 6,41

deßgleichen

Zug 185a Werktags:

Pforzheim ab . . 6,20 Nachm.

Calw an . . . 7,20

Der Personenzug 136a Werktags:

Wildbad ab . . 6,34 Vorm.

Pforzheim an . . 7,30

kam Dienstag den 14. März letztmals zur Ausführung.

Ferner wird von heute an, Werktags, ein neuer Personenzug von Pforzheim nach Neuenbürg ausgeführt und zwar

Zttg 141»

Pforzheim ab . . 6,36 Nachm.

Neuenbürg an . . 7,00