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„Ich habe nichts dagegen einzuwenden," versetzte der Beamte und warf einen Blick auf die Stubenuhr. Eine Viertelstunde will ich gestatten. Lasten Sie die Frau gleich hier eintreten."
Grashof versuchte ein paar Worte des Dankes zu stammeln; doch der Rat winkte abwehrend und ging mit einem Aktenstücke unter dem Arm in eines der Nebenzimmer.
Ganz in schwarz gekleidet, trat die Dame ein. Als sie aber den ihr so jäh entrissenen Gatten erblickte, stürzte sie unter lautem Aufschrei auf ihn zu und warf sich ihm in die Arme. „Wilhelm", schluchzte die Bekümmerte. Weiter vermochte ihr Mund nichts hervorzubrigen.
„Emilie", stöhnte der Gatte krampfhaft und schlang seinen Arm um die zarte Gestalt. DaS Herz drohte ihm vor Schmerz zu springe», als er in das abgehärmte Antlitz Les unglückliche» Weibes blickte.
„Kommst Du Len nicht bald wieder, Wilhelm?' fragte endlich die Arme und wischte sich mit dem Taschentuch die Thränen aus den Augen. „Ich habe so viel geweint und die Nächte durchgewacht, weil ich glaubte. Du müßtest unverbofft zurückkehren. Haben die Herren denn gar kein Erbarmen mit Dir? Sie sollten es doch Alle wissen, daß Du unschuldig bist!"
Grashos schüttelte traurig das Haupt. „Morgen über acht Tage," sagte er schwer aufseufzend, „kommt meine Sache vor die Geschworenen."
„Da werde ich mich auch einfiudenl" -ereiferte sich die Frau. „Ich will es den Herrn schon sagen, daß Du kein Brandstifter -bist, und dann müssen sie Dich doch frei- geben!"
„Nein, nein! Komm an jenem Tage nicht hieherl" bat der Förster inständig. „Dem Anblick würde mich aus aller Fassung bringen."
„Dann schreibe ich es den Herren vom Gericht, wie unrecht man gegenDich handeltl" begann das arme Weib wieder zu weinen. „Und wenn man Dich trotzdem nicht frei- giebt, wende ich mich mit einer Klage an den Landesherren."
„Laß uns vor Allem auf Gott vertrauen!" sprach der Gefangene feierlich.
Jetzt steckte ein Gerichtsbole den Kops durch die sich öffnende Thür und sagte, nicht ohne einen Anflug von Mitleid: „Herr Förster! Ich habe Weisung empfangen, Sie wieder in Ihre Zelle zu führen."
Die Trennung der beiden Gatten von -einander war schmerzlich und schwer. Immer wieder fielen sie sich schluchzend in die Arme. Endlich mahnte der Beamte ernstlich zum Scheiden.
Bald darauf schloß sich hinter dem Gehangenen die Pforte seiner Zelle, und Emilie verließ mit rotgeweinten Augen das Gerichts- Gebäude.
Je näher der Eröffnungstag der Schwurgerichtsversammlung heranrückte, um s o größer wurde die Aufregung im Publikum. Alles andere Interesse war vollständig in den Hintergrund getreten. Wo zwei Bekannte sich trafen, ging das Gespräch nach kurzer Begrüßung sofort auf den Grashofschen Brandstiftungsfall über. Die meisten Leute glaubten ja an die Unschuld des Försters; aber es gab auch heimtückische Schwätzer genug, die unter Vorausschickung einiger Worte scheinbaren Bedauerns den armen Mann der entsetzlichen That bezüchtigten. „Er war ja sonst so ein sehr achtbarer Mensch und
pflichttreuer Beamter!" hieß es dann, „doch die Not hat ihn zum Verbrecher gemacht. Kein Richter der ganzen Welt könnte ihn bei der Lage der Dinge freisprechcn I"
Der Vertheidiger des Angeklagten, der in letzter Zeit mehrfache Besprechungen mit diesem gehabt, gewann allmälig trotz der vorliegenden schweren Judicien, die Ueber- zeuguiig von der Unschuld des Juculpateu. Er ließ die meineidige Wirtschafterin sowohl wie deren Bräutigam in der Stille beobachten und hatte bald in Erfahrung gebracht, daß Beide in lebhaftem Verkehr mit einander standen.
Brcitschild beschäftigte sich seit seiner Entlassung aus dem Gefängnisse mit Holzschlagen. Er war darin gar nicht ungeschickt und wurde von den Landleuten viel in Anspruch genommen. Nebenbei sing er Kaninchen und bieß auch gelegentlich eine» aus dem Staatsforst verstrichenen Fasanen mitgehen. Die dummen Vögel schoß der Vorsichtige, damit es kein Geräusch gab, mit dem Teschin.
So batte der verschmitzte Wilderer gerade von einem Hofbesitzer den Antrag erhalten, einen nicht unbedeutenden Tannenkamp abznholen. Unter den zu fällenden Bäumen befanden sich ganz stattliche Exemplare.
Mehrere der Waldrecken lagen bereits am Boden, und Breitschild handhabte geschickt Axt und Säge weiter. Ein etwa sechzehnjähriger Bursche leistete ihm bei der Arbeit hülfreiche Hand.
Der junge Mann hatte nun wieder in dreiviertcl Höhe das Seil befestigt. Jetzt zogen die beiden A beiter aus Leibeskräften an dem Tau, um den Riesen ins Wanken zu bringen.
„So kommt er »och nicht!" schimpfte Breitschild und schüttelte das struppige Haupt. „Wir wollen erst mal die Lebensgeister ein wenig auffrischen I" Mit diesen Worten ließ er den Strick los und näherte sich einer am Boden liegenden Ledertasche, aus welcher der psropfenversehene Hals einer Schnapsflasche hervorschante.
Da stieß der Bursche plötzlich eine» lauten Schrei aus. „Die Tanne kommt!" kreischte er und sprang wie der Wind bei Seite. Auch sein Herr that, ohne sich in der Bestürzung nmzublicken, einen gewaltigen Satz, aber zu seinem Unglück. Die starken Zweige des Baumes trafen des Fällers Körper und schlugen ihn zu Bode». Ein Wehruf erscholl . . . dann war es still, als ob die Tanne schon wer weiß wie lange den Waldrasen bedeckte.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
(Wie der Chinese die Uhr bestimmt.) Auf eigentümliche Art bestimmt der Chinese, der keine Uhr besitzt, die Zeit. Davon erzählt der französische Reisende Le Hue Folgendes aus seinen Erinnerungen: Eines Tages, als wir unsere zum Christentum bekehrten Chinesen gerade besuchen wollten, begegneten wir unterwegs einem Jungen, der einen Ochsen hütete. Wir fragten ihn im Vorbeigehen ob es schon 12 Uhr sei. Der Junge guckte nach der Sonne, aber sie steckte hinter dicken Wolken, so daß er dies« Uhr nicht um Rat fragen konnte. „Der Himmel ist voll Wolken" sagte er, „aber wartet einen Augenblick!" Er lief in den benachbarten Bauernhof hinein und kam in einer Minute mit einer Katze auf dem Arm zurück. „Seht," sagte
er, „es ist noch nicht 12 Uhr." Dabei zeigte er uns die Augen der Katze, indem er deren Lider aufwärts schob mir sahen den Jungen erstaunt an, aber seine Miene blieb völlig ernst» hast, und die Katze, obgleich ihr die Operation unangenehm schien, war doch offenbar daran gewöhnt und benahm sich sehr verständig, als wäre es ihr eigentliches Geschäft, Uhr zu sein. Wir sagen: „Sehr gut, mein Junge; besten Dank!" und schämten uns, von dem Jungen uns belehren zu lasten. Als wir unsere Freunde fanden, war cs unser Erstes, nach jenem Katzen» Orakel uns zu erkundigen. Sie wunderten sich sehr über unsere Unwissenheit und sammelten bald ein paar Duzend Katzen aus der ganzen Nachtbarschast, um uns nun zu zeigen, daß die Uhren in den Augen derselben alle richtig gingen. Die Pupillen der Katzenaugen werden nämlich bis mittags 12 Uhr immer kleiner und erreichen dann ihre engste Zusammenziehung in Form einer feinen Linie, die wie ein Haar senkrecht über das Auge gezogen ist. Dann dehnen sie sich allmälich wieder aus, bis sie nachts 12 Uhr die Form einer großen Kugel errreichen Man versichert uns, daß jedes Kind bald eine große Fertigkeit und Genauigkett in der Angabe der Zeit aus den Katzenaugen erreiche. Wir überzeugten unS sehr bald, daß diese Uhren sehr richtig gehen und genau über- einstimmten.
(Ein Maulbeerbaum auf dem Kirchthur m.) In Kovila ist ein Maulbeer» bäum in der Höhe einer Klafter und im Umfange eines Mannesarmes aus der Mauer des Thurmes der serbischen Kirche gewachsen. Die Einwohner glauben, der Wunderbaum ver« künde ihnen die Verwirklichung ihrer Hoffnungen und Wünsche.
(Gegen Zahnschmerzen.) Ein einfach und sicher helfendes Mittel gegen heftige Zahnschmerzen ist nach Mitteilung eines Abonnenten folgendes. Man taucht ein kleines, mehrfach zusammengelegtes leinenes Läppchen in recht heißes Wasser und bestreicht und bedeckt damit das Zahnfleisch und den schmerzhaften Zahn. Nach mehrmaliger Wiederhohlung des Verfahrens wird der Zahnschmerz verschwunden sem. Je wärmer man die Aufschläge macht und dulden kann, desto schneller und bester wirken sie.
(FürLosbesitzer.) Unerhobene Treffer
und Haupttreffer. Die soeben erschienenen Restantenliste der Pappenheimer 7 fl.» Loose enihält ca. 2000 Stück Oldenburger 40 Thlr., ca. 1000 Stück, Augsburger 7 fl Loose, ca. 5000 Stück gezogene und seither nicht zur Einlösung gebrachte Loose. Ebenso verhält es sich mit allen andern Loosgattungen und sonstigen kündbaren Papieren. Abgesehen von den horrenten Zinsverlusten, welche die Inhaber erleiden, haben sie noch das Risiko, daß dieselben nach gewissen Zeiträumen verjähren. Es ist deshalb jedem Loosbesitzer dringend an» zurathen, sich seine Loose von Zeit zu Zeit nachschlagen zu lassen. — Das Bankgeschäft A. Dann in Stuttgart erklärt sich gegen ein keines Entgeld bereit nachzusehen.
24 Professoren der verschiedenen deut»
schen und anderen europäischen Universitäten haben übereinstimmend den ächten Apotheker Richard Brandt'schen Schweizerpillen das Zeugnis ausgestellt, daß dieselben ein sicher und vorzüglich wirkendes, dabei unschäd« liches Abführmittel sind. Gegenüber solchen Urteilen wuß jede- andere zurücktreten. Die ächten Apotheker Richard Brandt'schen Schweizerpillen mit dem weißen Kreuz in rotem Grunde sind nur in Schachteln L 1 Mk in den Apotheken erhältlich