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Berlin, 8. Frbr. Die Frau eines hiesigen Werkmeisters und dessen kleiner Knabe wurde gestern mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Es liegt Raubmord vor.
— Wie ein „Berliner Aktionär" meldet, betragen die Gesamtkosten des Frankfurter Hauptbahnhofs 26 550000 Mk. Die Erhöhung von 1700 000 Mk. gegen die frühere Veranschlagung kommt großenteils auf Rechnung der nachträglicherbauten elektrischen Beleuchtungsanlage mit Dampfbetrieb.
— Herrn Bebel, dem Haupt der Sozialdemokratie droht ein Duell, weil er behauptet hatte, Fürst Bismarck habe im Jahr 1887 in Paris eines der am meisten zum Kriege drängenden Blätter angekauft, weil er selbst den Krieg mit Frankreich gewünscht habe. Louis Pcyramont nimmt nun an daß diese Aeuhrrung nur auf die „Revanche* bezogen werden könnte, und hat, wie er mitteilt, an Herrn Bebel ein Telegramm gerichtet, in welchem er unverzüglich die Beweise für dessen Behauptung verlangt.
Kassel, 2. Febr. Die Aufführung des Schauspiels „Kaiser Friedrich I." von Franz Sicking (Pseudonym, hinter dem sich eine Frau verbirgt) ist hier mit großem Erfolg vor sich gegangen; der Autor wurde 6 mal gerufen. Der Intendant ließ bei offener Szene einen Lorbeerkran; überreichen.
Straßburg i. E., 2. Febr. Major a. D. Bühler, früher im württ. Jnf.-Regt. Nr. 126 h er aktiv, stürzte auf der Jagd bei RomanSweiler in einen Graben. Dabei entlud sich das Gewehr, der Schuß ging ihm in den Kopf und die Hirnschale wurde völlig gesprengt.
— Der ausErfurt nach Unterschlagung von 55,000 Mk. flüchtig gewordene Kaufmann Neumann ist am Hauptbahnhof in Bremen verhaftet worden. In seinem Besitz fanden sich noch 24,000 Mk. vor.
— In Frankfurt a. M. siel kürzlich Architekt Gotthold durch Ausgleiten von der Trambahn herab und biß sich dabei in die Zunge. Der Verletzte, ein leidenschaftlicher Raucher, gab dies nicht auf, es entstand ein Geschwür mit Blutvergiftung, an welcher G. starb.
Breslau, 2. Februar. Im Prozeß Schwand und Genossenschaft wurde das Urteil gefällt: Schwand erhielt 10 Jahre Zuchthaus, Rittergutsbesitzer Tietze 1 Jahr Zuchthaus, Lokomotivführer Scholz 3 Monate Gefängnis; 26 Angeklagte wurden frcigesprochen.
Bremen, 3. Februar. Der überfällige Bremische Fünfmaster „Maria RickmerS", das größt« Segelschiff der Welt, welches von Saigon mit 6000 Tons Reis nach Bremen sin See gegangen ist, wird laut „Weserzeitung« jetzt als verschollen betrachtet. Der Gesammt« schaden beträgt 2 Millionen Mark.
Sofia, 2. Februar. Ein Dekret des Fürsten Ferdinand sanktionirt die mit England, Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Frankreich, der Schweiz, Italien und Belgien abgeschloffenen Handelsverträge. Gleichzeitig werden auch die Verträge veröffentlicht.
Paris, 3. Febr. Im Senat kam der Gesetzentwurf betreffend die Bekämpfung der Angriffe gegen die Sparkassen zur Beratung. Goblet meinte, obwohl die Angriffe streng zu verurteilen seien, daß die vorhandenen Gesetze, wenn energisch gchandhabt, ausreichen, die Angriffe zu bekämpfen. Bourgeois erwiderte, wenn man die Sparkaffen-Einl-ger glauben mache, daß der Staat ein Dieb sei, könne man dies nicht als Polemik, nicht als Frage
j der Preßfreiheit ansehen; eS sei vielmehr ein ausgesprochenes Komplot gegen die Sicherheit des Staates. Demselben müsse ein Ziel gefetzt und gebührende Strafe zu Teil werden. (Beifall.) Der Gesetzentwurf wurde mit 225 gegen 49 Stimmen angenommen.
Brüssel, 3. Febr. Der Gräfin von Flandern (Schwester des Fürsten von Hohen- zollern) wurden Juwelen im Wert von 300 000 Francs gestohlen. Am Mittwoch abend hatte sie, ehe sie zum Hosball ging, ihr Schmuckkästchen offen in ihrem Schlafzimmer gelassen, und während ihrer Abwesenheit d. h. zwischen 8 und 1 Uhr, wurde der Diebstahl begangen. Dieser scheint einem Bediensteten des Schlaffes zur Last gelegt werden zu müssen. ES ist auch bei allen Kammerfrauen und Dienern HauSuntersuchung gehalten worden, doch bis jetzt ohne Erfolg. Schon vor einigen Monaten, während der Graf und seine ganze Familie auf der Reise war, wurde im Palais Silberzeug gestohlen und zwar jedenfalls auch von Leuten, die genau Bescheid wußten.
Rom, 2. Febr. Aus dem der Untersuchungskommission vorgelegten Dokumenten- material geht klar hervor, daß der Deputierte Dezerbi von der Banca Roman« in der That 470 000 Francs erhalten hat. Der Kassierer der Bank, Lazzaroni, gestand, er habe zur Entschädigung von Abgeordneten der Bankkaffe 2^/, Millionen entnommen. Tan- longe selbst will verschiedenen Ministerpräsidenten vier Millionen ausgezahlt haben. In Folge dieser Enthüllung konstatierte heute Ru- dini im Parlament, er seinerseits habe keinen Heller von der Banca Roman« verlangt, noch empfangen. Rudini bestand sodann auf einer parlamentarischen Enquete. Giolitti bat indes die Kammer, den Enthüllungen des verhafteten Tanlongo keine allzugroße Bedeutung beizumesien. — Boninsegni, der Direktor der falliten Banca Commerziale zu Florenz, hat sich den Behörden gestellt.
— In Florenz ist der Bankier Michel, Syndikus der falliten „Lanes. eomwsroials", verhaftet worden. Michel hat die Bank um zwei Milionen betrogen. Mehrere angesehene Firmen sind in Mitleidenschaft gezogen.
London, 2. Febr. Der Gesundheitszustand von Cornelius Herz hat sich noch verschlimmert, so daß der Patient von den Aerzten aufgegeben wird. An eine Auslieferung ist also nicht zu denken!
Athen, 3. Febr. Auf Zante hat gestern ein neues Erdbeben stattgefunden; gegen 26 000 Personen sind obdachlos. Die gesendeten Unterstützungen sind unzureichend; der Minister des Innern ist nach Zante abgereist.
Palermo, 2. Febr. Die Leiche des Direktors der sizilischen Bank, Bartolo, früheren Bürgermeisters von Palermo, wurde in der Nähe der Station Altarilla von Dolchstichen durchbohrt aufgefunden. Ec scheint von 2 gutgekleideten Individuen ermordet und aus dem Eisenbahnwagen geworfen worden zu sein. Verfolgung ist eingeleitet. Wahrscheinlich liegt ein Racheakt vor.
<L o k a t e s.
Wildbad, 3. Febr. Wie wir hören, beabsichtigt die Postverwaltung, nachdem in diesem Jahr der Pacht im Mietlokal des Hotel zur Post abgelaufen ist, ein eigenes Postgc- bäude zu errichten, um einem längst sowohl von Seiten der Einwohner als auch der Kurgäste tief empfundenen Mißstande endlich abzuhelfen, da das seitherige Lokal in keiner Weise mehr den Anforderungen entsprach. Wir 1 begrüßten diesen Schritt der Postverwaltung
mit Freuden, glaubten wir doch, daß dieselbe, wie eS doch der Verkehr einer Badestadt erfordert, das Postamt, verbunden mit Telegraf und Telefon, im Herzen der Stadt errichten werde. Leider sollten wir sehr enttäuscht werden; denn so viel man neuerdings in Erfahrung brachte, will die Postverwaltung das Postgebäude in die Nähe des Bahnhofes bauen und in der Stadt nur ein Annahme-Bureau über die Saison offen halten.
Wer den Verkehr einer Badestadt kennt, der weiß, daß ein solcher Plan für unser Wildbad in keiner Weise dem Bedürfnis entsprechen würde, da ein Stadtpost-Rureau mit beschränkter Annahme keineswegs den Anforderungen der Kurgäste genügt
Es gibt sich deßhalb in Wildbad über das Projekt der Postverwaltung eine tiefe Mißstimmung kund. Wie wir erfahren, soll daher in nächster Zeit durch eine Versammlung des Gewerbe-Vereins, sowie sonstiger Maßnahmen dahin gewirkt werden, daß die Postverwaltung ihr vorerwähntes Projekt zu Gunsten unserer Badestadt fallen läßt und das Postgebäude da errichtet, wo es hingehört, nämlich in die Mitte der Stadt.
— Um die erledigte Stelle eines Stadtbaumeisters für hiesigen Gemeindebczirk hatten sich 4 Bewerber gemeldet. Von denselben wurde durch Gemeinderatsbeschluß Herr Werkmeister Weyhenmeyer aus Calw einstimmig ernannt und hat derselbe sein Amt bereits angetreten.
Txüchaltkndks.
Unschuldig!
Eine Waidmanns Erzählungvon H. Rvbvlsky.
(Fortsetzung)
„Seien Sie um Gotteswillen nicht übereilig, Herr Wachtmeister!" bat der alte erfahrene Verwaltungsbeamte. „Wie leicht ist die Ehr« eines braven Mannes angetastet, und nachher ist solch' ein Fleck nur schwer abzuwaschen."
„Eine recht fatale Geschichte!" sagte der Gensdarm, die Stirn runzelnd. „Ich kenne ja den Förster selber als einen höchst achtbaren Mann. Zur Untersuchung kommt die Angelegenheit aber auch ohne meine Anzeige.*'
Auch Grashof hatte hier und da ein Wort von den laut gewordenen zweideutigen Redensarten vernommen. Der arme Mann war ganz außer sich vor Entrüstung, daß man ihn wohl gar der vorsätzlichen Brandstiftung zeihen könne. Vergeblich versuchte die Gattin, den Verzweifelnden zu beruhigen. Erst als der gutherzige Ortsvorstehcr auf ihn einredete, doch nichts auf das alberne Gespräch der meinungslosen Menschen zu geben, legte sich seine hochgradige Aufregung.
„Du hast die Nacht nicht viel geschlafen, lieber Wilhelm," sprach Emilie besänftigend. „Geh' auf ein paar Stunden zur Ruhe, daS wird Dir gut thun."
„Du magst Recht haben!" nickte der Hausherr. „Ich fühle mich wirklich recht abgespannt."
Noch einen hoffnungslosen Blick warf der schwer geprüfte Mann auf den Trümmerhaufen, dann begab er sich in sein Schlafgemach. Aber es dauerte dennoch eine gute Weile, ehe der Arme einschlief. Endlich überkam ihn ein stärkender Schlummer, aus dem thn seine Gattin selbst nach mehreren Stunden nicht zu stören wagte.
Noch am selben Vormittage fand sich " der Agent der Feuerversicherungs-Gesellschaft
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