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Uro. S.
Samstag, 2l. Januav 1893.
29. tatingang.
Wochen-Rrmdschair.
Die Kälte der letzten Tage, deren E> de noch gar nicht abzusehen ist, hat d>n Obstbäumen und in den höhere» Lagen auch den Reben vielfach geschadet, weil unsere Wei»-> gärtner gewohnt sind, ihre Reben bloß in den Niederungen über den Winter mit Erde zuzudecken. Die enorme Kälte verursacht auch vielfache Verkehrsstörungen und namenilich Zugverspälnngen auf der Eisenbahn; Brüche von Radreifen und Weickenzungen sind bis jetzt glückitcheiweise nicht zu verzeichnen gewesen; dagegen haben die Lokomotivführer große Not, ihre Maschine» vor dem E>n- gefriercn zu schützen. — Die Eisenbahndirektion hat der Bitte zahlreicher wü,t- tembergischer Geschäftsleute, die vorrätigen alten Frachtbriefe noch einige Monate benützen zu dürfen, entspiochen. — Ungeheures Aussehen erregt das in öffentlicher Sitzung der Stuttgarter Strafkammer verkündigte Urteil gegen einen früheren Diener des seit einiger Zeit aus Stuttgart entwicheneil geheimen Hofrats Jackson wegen Erpnssung. Der Diener erhielt die wohlverdiente Strafe, aber dessen vormaliger Herr ist in einer Weise blosgestellt, daß Jackson sich wohl hüten dürfte, jemals wieder nach Württemberg zurückzukebren. — Der Geburtstag des deutschen Kaisers wird künftig auch in sämtliche» öffentlichen Schulen Württembergs als schulfreier Tag behandelt. — Der württembergischeLandtag wird, nachdem beide Häuser desselben die nötige» Wahle» für ihre Kommissionen rc. vorgenommen haben, für einige Woche» in die Ferien gehen, um den Kommissionen Zeit zur Beratung des Etats, sowie der bereits vorliegenden Gesetzesvorlagen zu lassen. Die Fraktion der Linken will gleich nach dem Wiederzusammentritt der Kammer die Angelegenheit des suspendierten Oberbürgermeisters Hegelmaier von Heilbronn auf die Tagesordnung bringen. Die Bildung einer selbstständigen Zentrumsfraktion des würt- tembergischen Abgeordnetenhauses ist nicht zustande gekommen; der diesbezügliche Versuct soll erst im künftigen Landtag wieder erneuert werden. — Die an dieser Stelle schon früher erwähnte Eingabe württem- bergischer Konsumenten an den Reichstag um ein Verbot desHausierens mit Jndustrie- erzeugiiissen aller Art (also nicht auch von Sämereien, wie die Gönninger Handelsgärtner und Hausierer befürchten) ist, mir mehr als 28 000 Unterschriften bedeckt, nach Berlin abgegangen. Die Unterzeichneteil gehören alle» möglichen Ständen und Berufsarten an, vom hohen Staatsbeamten
herab bis zum schlichtesten Mann auf dem Lande. Die beionders zahlreichen Unterschriften , welche die Eingabe gerade in Oberschwaben mit seinen überaus zahlreichen und weit zerstreuten kleineren Wohnsitze» gefunden hat, sind in hohem Grade geeignet, die weit verbreitete Ansicht z» zerstören, als wäie der Hausierer in jenen Gegenden eine willkommene Erscheinung. Die Eingabe hat ziemlich große Aussichten auf Erfolg, weil dem Reichstag in nächster Zeit G setz- eniwürfe zngehe» werden, welche das Hausieren ganz bedeutend einschränken und das Anfsuchen von Privatleuten seitens der De- taiireisenden gänzlich verbiete». Wenn in Bayern eine ähnlich? Petition in Umlauf gesetzt würbe, so wären dort mindestens 70 000 Uiiierschiiften zu erwarten. Ans Norddeutschland sind dem Reichstag ähnliche Petitionen mit einer ungeheuren Zahl von Unterschriften bereits zugegangen. — In Bayern ist ein nicht geringer Skandal ausgebrochen. Der Hoftheatenntendant Freiherr von Perfall in München wurde etwas unfreiwillig auf ei» halbes Jahr beurlaubt, offenbar um später ganz in den Ruhestand gesetzt zu weiden. Als dessen Nachfolger wurde der Schauspieler Ernst Possart in provisorischer Weise ernannt. Nun hat aber letzterer in Verbindung mit dem Geh. Hofrat Klug schon vor längerer Zeit ein Grundstück gekauft und mit einer Doppelvllla überbaut, welch letztere an eine künftige Straße Münchens zu liegen kommt und deshalb in ihrem früheren Wert bedeutend gestiegen ist. Freiherr von Perfall hat nun gerade den Hofrat von Klug als de» Urheber seiner unfreiwilligen Beurlaubung betrachtet und in den Münchener Neuestei, Nachrichten heftig angegriffen. Klug und Pofsart haben bereits Ltrafklage gegen die Neueste» Nachrichten erhoben und durch die gerichtliche Veihand- lung wird wohl Klarheit darüber geschaffen werden, ob Klug infolge amtlicher Ke»ntnis gewinnbringende Spekulationen gemacht hat ober nicht. Ein bißchen Skandal findet bekanntlich bei jedem hauptstädtischen Publikum eine willkommene Ausnahme.
Der deutsche Reichstag beriet in der letzte» Zeit die Braustener und Branntwein- stenernovelle und wird nun auch a» die Börsensteuernovelle kommen. Die beide» erster?» Vorlagen wurden der Militärkommission überwiesen, weil die neuen Neichs- stiuern bekanntlich dazu dienen sollen, die Mehrkosten der neuen MilitäiVorlage zu decken. Letztere scheint nunmehr doch größere Aussicht auf Annahme zu haben, wenn auch nicht auf unveränderte Annahme. Die Erläuterungen des Reichskanzlers über die
militärische und politische Lage Deutschlands und über das militärische Uebereinkommen zwischen Rußland und Frankreich macht in der Militärkommission des Reichstags einen gewaltigen Eindruck. Es scheint jetzt Aussicht vorhanden zu sein, daß die Reichsregierung und der Reichstag sich dahin verständigen, daß jährlich 10 oder 50000 Rekruten mehr als bisher eingestellt werden, wenn die 2jährige Dienstzeit bei den Fuß- t uppen gesetzlich festgesetzt wird. Gegenüber den Enthüllungen des Reichskanzlers nehmen sich die in zahlreichen Volksver- iammlungen ohne jegliche Kenntnis der wirklich bestehenden Lage gefaßten Beschlüsse auf vollständige Ablehnung der ganzen Militärvorlage recht dürftig ans. Die Zahl der Reichstagsabgeordneten schrumpft immer mehr zusammen, welche Deutschland im Falle eines künftigen Krieges mit Rußland und Frankreich mit der bisherigen militärischen Stinke den Kampf aufnehmen zu lassen, die moralische Verantwortung übernehmen können.
In Frankreich scheint sich nachgerade alles in einen anarchistischen Brei auflösen zu wollen. Nicht nur die Pariser, sondern auch die Provinzländer greifen den Präsidenten der Republik, Carnot, täglich heftiger an und fordern dessen Rücktritt. Dan! der unvergleichlichen französischen Preßfreiheit kann das Ministerium den Präsidenten vor diesen Preß- angriffen nicht schützen; das Ministerium selbst wird ebenso heftig angegriffen und am schwersten die Kammer. Schon ist in Frankreich von einer Berufung des Grafen von Paris auf den französischen Königsthron die Rede und zwar vom Pariser Blatt Figaro, das eine ungeheure Zahl von Lesern und in ganz Frankreich die einflußreichsten Beziehungen besitzt. Die Enthüllungen gegen bisher unbescholtene Deputierte und deren Vorladung vor dem Untersuchungsrichter greifen immer weiter um sich.
Das englische Ministerium Gladstone hat recht aufregende Tage hinter sich. Der Sultan von Marokko will zwar für den ermordeten englischen Untcrthanen 100 000 Pf. Sterlinge oder 2 Millionen Mk. zahlen, aber seinem Minister des Acußeren keinen Verweis erteilen, weshalb die englische Regierung sich noch nicht zufrieden erklärt. Die Spanier waren bereits entschlossen, falls die Engländer Truppen in Marokko landen ließen, dies gleichfalls zu thun und die Franzosen hätten sicher auch nicht lange auf sich warten lassen, um von der marokkanischen Erbschaft auch etwas zu bekommen. Diese marokkanische Geschichte wäre jedoch noch das Geringste, letzter Taae fiel es dem jungen Khedive von Egypten ein.