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Hamburg, 29. Dez. Nach einer amt­lichen Meldung sind heute 7 Cholerafälle kon- statirt worden, von denen einer tödtlich ver­lief, vier dieser Fälle kommen auf die Stadt, drei auf die Vororte. Unter den Erkrankten befinden sich vier Alkoholisier,, zwei Frauen und ein Lehrling. Der Verstorbene ist ein Negcrmatrose, welcher seit Wochen wegen einer andern Krankheit im Krankenhaus« behandelt wurde.

Ostrowo, 28. Dez. Folgende Mord- that ist von einem Dorfe bei Ostrowo zu be­richten. Am ersten Weihnachtsabend hat der Wirt Mikolajezak in Strzyzew seine Ehefrau erschlagen. Dieser Mordthat liegt folgender Vorfall zu Grunde: Eine Schwester der Er­schlagenen, eine verehelichte Bunk in,demselben Dorf, hat, da sie in weit günstigeren Ver­hältnissen lebt als Mikolajezak, eine Tochter des letzteren adoptiert. Sie selbst war kinder­los. Um Weihnachten sollte die Hochzeit der adoptierten Tochter statlsinden. Zu dieser wurden die leiblichen Eltern wahrscheinlich wegen ihrer Armut nicht eingeladen. Ueber diese Zurücksetzung erbittert, nahm er einen Stock und hieb so lange auf seine Frau ein, bis sie tot war. Hierbei schrie er fortwährend: Wenn sie uns nicht zur Hochzeit haben wollen, dann mögen sie uns zum Begräbnis kommen. Ein Versuch des Mörders, sich nach der That selbst zu erhängen, mißlang, denn er wurde von den ortsanwesenden Bauern gleich ge­fesselt und dem Amtsgericht zu Schildbcrg ein­geliefert. Bemerkenswert ist, daß die Hochzeit der Tochter, trotz dieses grausigen Vorfalls glatt und gemütlich von Statten ging.

Wien, 28. Dezbr. Im Mattersdorfer Walde bei Wiener-Neustadt wurden gestern zwei Handwerksburschen erfroren aufgefunden.

Paris, 30. Dez. Einem Gerücht« zu­folge soll Freycinct beabsichtigen, im Januar vom Amte zurückzutreten, und dem politischen Leben zu entsagen.

Paris, 31. Dez. DerFigaro" er­fährt aus dem Bericht des Gerichtsarztes Brouardel, Reinach sei 78 Stunden vor seinem Tod vergiftet worden; wahrscheinlich liege nicht Selbstmord, sondern ein Ver­brechen vor.

Paris. In der Petite Republique liest man: Ein interessanterMan wird augenblicklich im Ministerium geprüft. Es handelt sich darum in der Kavallerie leicht tragbare Mitrailleusen zu verwenden, die auch di- Bergtruppen für die Verteidigung ihrer Stellung benutzen können. Das schon geprüfte Modell beeinträchtigt die Schnelligkeit der Bewegungen der Kavallerie durchaus nicht, denn jede Mitrailleuse kann mit ihrem Gestell und 2000 Patronen von einem Pferde getragen werden. Für die Ar­tillerie wird die Kanone von einem Manne auf einerHotte" getragen, die derart ange­fertigt ist, daß sie zugleich als Gestell dienen kann. Ein einziger Artillerist vermag also die neue Mitrailleuse zu transportieren, und sie kann augenblicklich in Batterie gestellt werden. Ihre Leistungsfähigkeit beträgt 600 Kugeln kleinen Kalibers in der Minute, kommt also derjenigen von 2530 Mann

gleich.

Nantes, 28. Dez. Em hiesiges großes Wein- und Spirituslager wurde von einem furchtbaren Feuer zerstört. 400 Hektoliter Spiri­tus und 1200 Hektoliter Wein sind verbrannt. Bei den Löscharbeiten wurde ein Mann ge­tötet unb etwa 30 Personen, darunter 3 Sol­daten, verwundet.

Lyon, 3t. Dez. In einer Unterredung mit einem Zeitungsberichterstatter sprach Ju­les Ferry sich über die gegenwärtige Politik

aus. Er äußerte:Wir werden, wenn wir unsere Feinde erst genauer unterscheiden können, unsere Reihen reformieren, in denen sich alle anständige», auf Ruhe bedachten Republika­ner sammeln werden, die in gleichem Maße der Diktatur, wie der Restauration und der Anarchie als Gegner gegenüber stehen. Unter dem Vorwände, sie öffentliche Moralität zu verteidigen, will man die Republik zu Grunde richten; lassen wir von den Gerichten die jenigen Personen treffen, deren Rechtschaffen­heit nickt unantastbar gewesen ist, und rüsten wir uns dazu, die öffentlichen Freiheiten zu verteidigen."

Ein großes Feuer in der Esfinrham- Street in Liverpool vernichtete mehrere siebenstöckige Warenmagazine. Unter anderem verbrannten 5000 Ballen Baumwolle, 15000 Sack Mehl und eine große Menge von Oel- kuchen.

DemBell. Tgöl" wird aus Rotterdam gemeldet, daß im Norden Hollands Unruhen vorgekommen seien. Es sei dort Kavallerie und Infanterie zusammengezogen. In Bierta habe die Volksmenge auf die Husaren ge­schossen, an zwei andern Orten seien Arbeiter beim Vorgehen der Kavallerie verwundet wor­den. Die Bauern erhielten Brandbriefe.

Ein großer Juwelen-Diebstahl ist in dem Englischen Schlosse Leighvourt bei Bristol verübt worden; es wurden etwa für 100000 Mark Juwelen gestohlen.

New-York, 29. Dez. DerHerald" meldet aus San Franziska verheerende Ueber- schwemmungen in den Thälern des L>akra- mento. Der in San Joaquin durck das Hockwasser angerichtete Schaven wird auf 1 Million Dollars geschätzt. Durch einen unterhalb Colusa eingetretenen Dammbruch wurden 50000 Acres des fruchtbarsten Bodens überschwemmt. Die Einwohner von Colusa wnrden gerettet.

New-Pork, 26. Dez. Der Aufstand an der Nordgrenze von Mexiko lnimmt größeren Umfang an. Die Aufständischen schlugen die Bundestruppen. Der Gouverneur verlangt grö­ßere Verstärkungen.

New-York, 31. Dez. Der überfällige Cunarddampfer Umbria ist um Mitternacht von Fire Island gemeldet worden.

Bueno s-Ay res, 31. Dez. 1500 Aufständische in der Provinz Corrientes grif­fen die Stadt Caseros an, die von 500 Mann Regierungstruppen besetzt war. Die Auf­ständischen wurden mit großem Verluste zu­rückgeschlagen.

Vermischtes.

(Das älteste württembcrgische Kirchenbuch.) Im Jahre l 558 hörte Herzog Christoph, daß in der Stadt Böblingen der erste Geistliche sich ein Kirchennotizbuch ange­legt .habe, worin er die Geburten, Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle seiner Gemeinde verzeichnet«. Der Herzog ließ den Pfarrer zu sich kommen und befragte ihn über den Grund und Nutzen der Sache. Die Folge der Unt r- redung war, daß sofort die Anlegung derar­tiger Notizbücher für sämtliche Pfarreien des Landes angeordnet wurde. Auf diese Weise entstanden die Kirchenbücher.

DasLuzern. Tagblatt" schreibt: Wer nicht absolut gezwungen ist, kaufe den Franzosen nichts mehr ab! Deutschland, Oester­reich und Italien haben uns annehmbare Zölle gewährt; beziehen wir unsere Bedürfnisse aus diesen Ländern, verzichten wir auf fran­zösische Produkte und Fabrikate, speziell auf die Pariser Konfektion und die französischen

Weinei" DerBerner Volkssrd.":Fort mit all' den Macons, Bordeaux, Champagner, fort mit all' der Schundwar« der Pariser Kon- fcktionsmagazine! Wir trinken in erster Linie Schweizerwein und kaufen Schweizerfabrikat, um die inländische Produktion für den Ausfall in Frankreich schadlos zu halten. Muß es aber etwas ausländisches sem, so sei es Jtalicnerwein, deutsches oder österreichisches Fabrikat, denn diese Nachbarn haben sich mit uns auf einen annehmbar»n Handelsvertrag verständigt und sind uns nobler begegnet als unsre republikanischen Freunde jenseits des Jura." In diesem Tone geht es durch die ganze schweizerische Presse, auch in der fran­zösischen Schweiz.

Den Pilatus als Winterstation wollten sich kürzlich zwei deutsche Handwerksburschen wählen. Durch Aufbrechen eines Ladens und Eindrücken eines Fensters war es ihnen gelungen, in dem über den Winter geschlossenen Hotel Klimienhorn (1870 ü. M.) einzusleigen. Sie hatten sich bereits srit dem28. November häuslich eingerichtet und namentlich den Keller- vorräthen tapfer zugesprochen, als am 3. Dezember von den Wächtern auf Pnatuskulm vom Oberhaupt heiav ihre Spuren in dem in­zwischen frischgefallenen Schnee wahrgenommen wurden. Telephonisch von dieser Einquartierung benachrichtigt, stieg der Besitzer des Klimsen- hornhotels Major Britschgi noch in der Nacht zu Berg uund störte mit rauher Hand den süßen Schlummer seiner beiden Pensionäre. Da dieselben nicht in der Lage waren, die Rechnung zu bezahl-n, wurden sie, wie die B. Ztg. bemerkt, eingeladen, ihren Aufen- ihali in der Schweiz etwas zu verlängern, jedoch dr Einfachheit halber eine Thalstation zu beziehen, und es wurde ihnen als solche Stans vorgeschlagen. Da sie des Weges nicht kundig waren, ließ sie Herr Britschgi zuvor­kommender Weise polizeilich dahin geleiten.

DerStandard" gibt interessante Einzel­heiten über die russische Flotte des Schwarzen Meeres'; sie besteht aus 6 großen Schlacht­schiffen, zwei alten Popowkas, 18 Torpedo­booten, 12 Kanonenbooten, 5 guten Transport­dampfern, 9 Freiwilligenkreuzern, außerdem einer großen Anzahl von schwimmenden Batter- en, Wachschiffen und Schraubendampfern. Sie hat ferner, was besonders wichtig ist das Dispositionsrecht im Kriegsfälle über alle Dampfer der Gesellschaften, nämlich 53 Dampfer der Odessa-Gesellschaft, 5 Schiffe der Gagarin- Gesellschaft und 4 Schiffe (der Transportge­sellschaft vorwiegend also Transportdampfer. Der Standard macht ferner auf die beständigen Landungsübungen am Schwarzen Meer auf­merksam. Rußland könne innerhalb 16 Stunden ein Expeditionskorps von 20 000 Mann aus­schiffen, und da die Uebung an einem Küstenstrich stattfindet, welcher der Küstenstrecke zwischen der Kiliamündung und dem Bosporuseingang sehr ähnlich ist, so liegt der Schluß nahe, daß Rußland im Kriegsfälle dort ein Expeditions­korps ausschiffen, die Eisenbahn Konstantinopel- Tschatschoid abschneiden und Konstantinopel isolieren werde. Daher des Sultans freund­liche Haltung zu Bulgarien nachdem Kriegs­und Marinebehörden den Sultan überzeugt haben, daß ohne die Mitwirkung Bulgariens die Verteidigung Konstantinopels unmöglich ist.

Ein Duell zwischen Arbeitern macht in Mühlhausen i. E. von sich reden. Die Veranlassung zu diesem war völlig ritterlich. Der eine Arbeiter war nämlich mit einem Mädchen versprochen gewesen und erging sich, nachdem das Verhältnis sich gelöst hatte, in den rohesten Ausdrücken über die ehemalige