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Die Redaktion.
Wochen-Rmrdschau.
Die Mitteilung der Sanitätsbehörde, daß indcrStuttgarter älteren Jnfanteriekaserne ein Sergeant unter choleraverdächtigen Erscheinungen erkrankt sei, hat zwar in der Landeshauptstadt keine Bestürzung hervorgerufen, mahnt aber doch zur Vorsicht und zwar umsomehr, als die Cholera immer weiter den Rhein herauf vordringt, weshalb der berüchtigte „Bacillus" leicht auch in den Neckar gelangen und diese» verseuchen kann. Falls der unheimliche Gast wirklich nach Württemberg kommen sollte, so ist man wenigstens überall gerüstet. — S. M. der König ist von seinem Jagdaufcnthalt im Revier Entringen, wo Allerhöchst derselbe auch die Huldigung der Gemeinde Breitenholz empfing, wieder nach der Villa Marienwahl zurückgekehrt. Nachdem hervorragende Irrenärzte eine baldige und völlige Wiederherstellung des Stuttgarter Oberbürgermeisters nicht in Aussicht stellen konnten, haben die bürgerlichen Collegien in Stuttgart beschlossen, vorbehältlich der Genehmigung Sr. M. des Königs, Herrn Dr. v. Hack mit jährlich 7000 Mk. zu pensionieren. Als sein Nachfolger kommt bei einer Neuwahl der besoldete Gemeinderat Dr. v. Göz in erster Linie in Betracht. Er hat zwar viele Geg ner, aber seine hervorragenden Fähigkeiten wie sein bisher bewiesener Eifer zum Wohle der Stadt können nicht bestritten werden und seine.Gegner werden ihm wohl kaum einen gleichfähigen Kandidaten entgegenstellen können. Dazu kommt, daß die Kgl. Staatsregierung von ihrem Ablehnungsrecht sicher Gebrauch machen würde, falls etwa ein radikaler Politiker als erster Stadtvorstand der Landeshauptstadt gewählt
Samslcrg, 1. Hktober 1892.
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werden sollte, was übrigens von vornherein als ausgeschlossen bezeichnet werden darf.— Der Heilbronner Oberbürgermeister Hegelmaier, wird übereinstimmenden Meldungen zufolge nicht vor den Disziplinarhof für Gemeinde- und Körperschaftsbeamte gestellt, sondern wegen Geistesgestörtheit auf Grund ärztlicher Gutachten vom Amte entfernt werden. Rechtlich kann man die Stadt Heikbronn nicht zwinge» dem kranken Oberbürgermeister eine Pension zu gewähren, aber es ist ei» Gebot der Billigkeit und der Ehre, einen kranken Mann nicht ins Elend zu stoßen. Der Herrn Hegelmaier bisher einbehaltene halbe Gehalt muß ihm nun selbstverständlich nachgezahlt werden und die Heilbronner waren offenbar übel berate», als sie vorigen Herbst das freiwillige Rücktrittsanerbieten Hegelmaiers gegen eine Jahrespension von 5000 Mk. ablehnten. Was man auch sonst Herrn Hegelmaier vorwerfen mag, jo kann doch nicht bestritten werde», daß er viele segensreiche Einrichtungen ge schaffen hat und überall wird das Mitleid für den Mann rege den man durch maßlose Anfeindungen um den klaren Verstand ge bracht hat. Durch das erwähnte ärztliche Gutachten ist Herr Hegelmaier überdies jede andere Berufsthätigkeit, auch diejenige eines Rechtsanwalts unmöglich gemacht.
Der deutsche Kais er hat sich für einige Zeit auf sein Jagdschloß Rominten in Ostpreußen begeben, die Kaiserin hat ihr Wo chenbett glücklich überstanden und wird mit ihren Kindern von Potsdam nach dem nemn Palais übersiedeln. Das Berliner Residenzschloß soll erst im November bezogen «erden — Bezüglich der neuen Militärvorlag e, welche dem Reichstag im Nopember zugehen soll, ist immer noch nichts Authentisches bekannt gegeben. Das hindert die deutsch freisinnigen Blätter natürlich nicht, die ganze Vorlage aufs äußerste zu bekämpfen und gegen dieselbe Stimmung zu machen. Bevor man aber aburteilt, sollte man doch die Vorlage selbst und namentlich auch deren Begründung kennen. Wenn die Reichsregierung überzeugend Nachweisen könnte, daß die Sicherheit des Reichs ernstlich gefährdet ist, wer wollte dann die Verantwortung auf sich laden. Das Vaterland gegenüber 2 äußerst erbitterten Feinden nicht genügend verteidigungsfähig zu erhalten? — Wie sehr unsere Beziehungen zu Rußland erkaltet sind, geht schon daraus hervor, daß die schon seit circa 60 Jahren bestehende Einrichtung der der Person des Zaren bezw. des Königs von Preußen aggregierten preußischen resp. russischen Militärattaches aufgehoben
wurde. Ueberdies behaupten neuerdings die französischen Blätter bestimmt, daß ein französisch-russisches Schuß- und Trußbn nd- nis nunmehr abgeschlossen sei. Falls sich diese Meldung bestätigt, dürste Deutschland durch Volksversammlungen mnd zündende Reden nicht genügei.d gesichert sein. Bedauerlich aber bleibt die zugeknöpfte Haltung der Reichsregierung, welche das deutsche Volk, dem doch neue schwere Lasten auferlegt werden sollen, bezüglich der Militärvorlage so lange im Unklaren läßt.
In Oesterreich wo die Cholerafurcht seltsame Blüten treibt z. B. durch Ausräucherung der.Reffenden, Durchchweichung ihrer Koffer, Verbot der Einfuhr zahlreicher Rohstoffe, so daß die Wollspinnereien ihren Betrieb einstellen muffen u. s. w. reizen die Antisemiten auch noch die Bevölkerung gegen die jüdischen Aerzte auf. — Der Riesenprozeß in Wien gegen die fast ausnahmslos polnischen Beamten in der Bukowina wegen Bestechlichkeit und riesiger Unterschlagungen dauert noch fort.
In Sizilien greift das Räubernnwescn immer mehr um sich. Kein wohlhabender Mann auf dem Lande ist mehr sicher von Räubern gefangen weggeführt und wenn das geforderte Lösegeld nicht bezahlt wird, ermordet zu werden. Die italienische Regierung ergreift außerordentliche Maßregeln gegen die Räuber.
Die Franz ose »haben kürzlich das 100- jährige Jubiläum der Proklanuerung der ersten Republik gefeiert und die Massenmörder Danton Robespierre u. s. w. in den Himmel des Ruhmes erhoben. Dabei wurde natürlich wieder einmal gehörig mit dem Säbel geraffelt. — Die französischen Anhänger des Königtums haben letzten Sonntag in Montenbau eine Versammlung und feurige Reden gegen die Republik gehalten, wobei auch dem Papste bei aller kindlichen Ehrfurcht der politische Gehorsam anfgekündigt wurde. Die Abschaffung der republikanischen Regierungsform in Frankreich wäre aber nur möglich, wenn die Republik einen unglücklichen Krieg führur würde.
Das neue englische Ministerium zeigt "eine Lust, seine Truppen aus Egypten zu- rückzuziehcn. Den -ausgewiesenen irischen Pächtern will Gladstone bezw. sein College Morley andere Pachtgüter verschaffen, um die Parnelliten zufrieden zu stellen. Ob und wie diese Absicht erreicht wird, bleibt abzu- warten.
Der neuerussische Finanzminister Witte steht vor einem beträchtlichen Defizit. Zn-
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