Württemberg.
Stuttg«rt, 16. Dez. Die neuen Verordnungen über die Abgabe stark wirkender Arzneimittel, deren Einführung feststeht, enthalte» sehr strenge Bestimmungen. Das Publikum darf sich daher nicht wundern, wenn es in de» Apotheken Arzneien, die früher ohne weiteres abgegeben wurden, nicht mehr so leicht erhält und wenn Arzneien auf dasselbe Rezept in Zukunft nicht mehr als einmal abgegeben werden. Das gilt besonders von Morphium und Choralhydrat. Ferner sind in Zukunft alle Mittel, die eingenommen werden, in runden Flaschen, alle zum äußerlichen Gebrauch dienenden in sechseckigen Flaschen, an welchen 3 Seiten glatt, die übrige» 3 mit Langrippen versehen sind, abzugeben. Hiedurch werden alle Ver> Wechslungen von Arzneien zum äußeren Gebrauch, mit Arzneien zum inneren Gebrauch, ausgeschlossen.
Stuttgart, 15. Dez. Das hiesige Schwurgericht verurteilte heute den Wagner- gescllen Häsner von Zuffenhausen wegen Körperverletzung des italienischen Arbeiters Fortana, die nach zwei Tagen den Tod desselben herbeiführte, zu 4 Monaten Gefängnis. Die That war am 18. Okt. geschehen.
Die Stu ttg ar ter Handels- und Gewerbekammer tagte am 14. Dezember unter dem Vorsitz des Geh. Hofrats Dr. v. Jobst, um sich über die Stellung der einzel- neu Geschäftsbräuchen Württembergs zu der neuen Zollpolitik auszusprechen. Der Vorsitzende gab dem Gedanken Ausdruck, daß durch die neuen Handelsverträge nicht alle Wünsche erfüllt, aber auch nicht alle Befürchtungen verwirklicht würden. Die große Majorität der hiesigen Kammer dürfte aber wohl auf dem Boden der Verträge stehe» und sie wisse sich darin einig mit dem Reich- tags-Abgeordneten Siegle, mit dem sie in dieser Sache enge Fühlung genommen. Handelskammersekretär Prof. Dr. Huber präsi- zierte die allgemeinen Gesichtspunkte nach der prinzielleu geschäftliche» und politischen Seite hin. Die Vertreter der einzelnen Geschäftsbräuchen brachten ihre Ansichten und Wünsche vor, so auch der Vertreter der Holzindustrie, Fabrikant Wagner, welcher die Einführung von Gewichtszöllen statt der kubischen Verzollung wünscht. Die Ermäßigung der Weinzölle bietet, wie Kommerzienrat Wiedcn- mann meint, keine Gefahr für die inländischen Produzenten, um so weniger, als die italienischen Weine bei uns meist nur als Verschnittweine verbraucht werden, durch welches Verfahren unsere geringeren Weine nur verkäuflicher werden. — Durch alle diese Aeußerungen kam im allgemeinen zum Ausdruck, daß die neuen Handelsverträge allerdings für unsere Industrie wenig Erleichterung bringen werte»; wichtiger ist schon die politische Bedeutung derselben. Wer würde auch heutzutage nickt eine Politik begrüßen, welche Friede», Versöhnung und Sicherheit uns verbürgt? In diesem Sinne soll denn auch das Gutachten der Kammer an die Regierung abgefaßt werden. Die Stuttgarter Kammer steht in der Hauptsache auf dem Boden der Verträge, nur sind einzelne Branchen nicht in der Lage, dein Han- delsveitrag mit der Schweiz zuzustimmen.
— Durch Beschluß der K. Regierung des Schwarzwaldkreises vom 11. Dezember d. I. ist die Wahl des approbierten Arztes Dr. Hans Schloßberger von Villingen zum Stadt- und Armenarzt in Liebeuzell, Ober- amls Calw, bestätigt worden.
> Allenütis, 11. Dez. Bonden bürgerlichen Kollegien von Altensteig-Stadt und Altcnsteig-Dorf wurde der für beide Gemeinden sehr wichtige Beschluß der Korrigierung der sic verbindenden Nachbaischaftsstraße gefaßt. Der Bauaufwand, welcher von den beiden Gemeinden gemeinschaftlich getragen wird, beträgt 34 000 Mark. Die Straße wird eine Anzahl von Ortschaften mit dem Bahnhof Altcnsteig verbinden und ein durchaus günstiges Gefäll erhalten.
Korb, 15. Dez. Heute früh wurde in einem Zimmer eines hiesigen Gasthofs ein PremLieut. und Adjutant einer preuß. Jn- fanteriebrigade tot aufgefunden; »ach einem zuiückgelassenen Briefe des Unglücklichen hat er sich offenbar selbst errchossen.
In Keilbronn wurde ei» unerhörter Raub vollführt. Der Lehrling eines dortigen Konfektionsgeschäftes wurde mit 944 in einem Leinwandsäckchen aus die Post geschickt. Vor dem Postgcbäude entriß dem jungen Manne ein Stromer das ihm von der Hand herabhängende Säckchen und entsprang. Der Thäter ist noch nicht ermittelt.
Rundschau.
Aerki«, 16. Dez. Der Reichstag setzte heute die 2. Lesung des östreichischcn Handelsvertrags fort. Staatssekretär Maltzahn verteidigt die Herabsetzung des Hopfenzolls. Deutscher Hopfen werde erheblich nach Oest- reich eingeführt, wo ebenfalls der Zoll ermäßigt worden sei. Bei der Position Weine erklärt der württembcrgische Bundesratsbe- vollmächtigte Moser, die Einfuhr von italienischen Trauben betrage nur 3 Prozent des Konsums, auch seien sie in wcinarmen Jahren vorteilhaft verwendbar. Buhl äußerte schwere Bedenken über den Traubenzoll und befurchet eine Zunahme der Gefahr der Rcblausin fektion. Unterstaatssekretär Schraut meint, die abnormen Verhältnisse des letzten Jahres seien nicht geeignet, ein Gebäude von Vermutungen aufzubaucn, um Erregung ins Volk zu werfen, gerade hierbei habe der Konsument erhebliches Anrecht auf Berücksichtigt.
— Der Antrag betreffend die Gewährung von Diäte» und Reisekosten an die Mitglieder des Reichstags seitens der freisinnigen Partei liegt jetzt vor und wird bei der Beratung des Etats für den Reichstag zur Erörterung komme». Man kann zugeben, baß zu einer solchen Maßregel sehr häufig Veranlassung vorliegt und daß dieselbe dazu beitragen kann, den Reichstag öfter als dieses jetzt der Fall ist, in beschlußfähiger Anzahl zu versammeln. Anderseits fördert man aber auch durch die Gewährung von Diäten die Vermehrung der berufsmäßigen Parlamentarier, wie sic jetzt vorzugsweise in der freisinnigen Partei vertreten sind. Auch die Sozialdemokratie wird einen Vorteil aus dieser Maßregel ziehen, indem die Parteikaffe den sozialdemokratischen Abgeordneten keine Unterstützung mehr zu zahlen hätte. Daß diese Unterstützungen, die Partei- kaffe außerordentlich belasten, geht aus der Aeußernng eines Mitgliedes der sozialistischen Opposition hervor, welcher meinte, diese Unterstützung der sozialdemokratische» Abgeordneten fräßen die gesamten Beiträge der Genossen auf. Im Uebrigen muß doch auch die seitens des Freisinns so dringend befürwortete Sparsamkeit bei diesem Anträge ms Auge gefaßt werde». Man wird die Diäten doch nicht zu knapp bemessen dürfen, will man den Zweck wirklich erreichen. Zwanzig Mark pro Tag dürfte nicht zu hoch
gegriffen sein. Der Reichstag zählt nun 397 Abgeordnete, danach käme auf den Tag die Summe von 7940 ^ Rechnet man, daß der Reichstag 150 Tage im Jahr zusammen ist, so beträgt die Summe der Diäten 1 191 000 die Reisekosten nicht mil eingerechnet. Der Etat des Reichstags, welcher jetzt etwa 400 000 beträgt, würde dadurch auf über iZs Millionen anschwellcn. Das ist doch auch ein Gesichtspunkt, de^ bei der jetzigen Finanzlage des Reichs mit- precheu dürfte.
— Ueber die Erderschütterungen in Japan am 28. Oktober und 9. November liege» folgende genauere Nachrichten vor. Es wurden 8000 Personen getötet, 10 000 verwundet, 84 800 Häuser stürzten ein, 5000 verbrannten. Augenblicklich gibt es i» den 31 Provinzen des Reiches 400 000 Menschen ohne Obdach. Die Hälfte der Stadt Na- goya, die 400 000 Einwohner zählte, existirt nicht mehr, die Stadt Osaka, die vicrtwich- tigste Japans, hat ebenfalls schwer gelitten. Zwei der berühmtesten Porzcllanfabriken, die von Mino und die von Owari, ebenso wie unzählige Straßen, Quais und Eisenbahnen sind zerstört.
— Vom Prinzen Georgvon Griechenland, dem Helden von Kioto, wissen die Athener Blätter eine neue kühne That zu erzählen. Während am vergangenen Montag ein heftiger Nordwind den Pyräus peitschte, machte ein Marineunteroffizier auf einem kleinen Seegelboot den Versuch, das Arsenal zu erreichen. Bald wurde die Mannschaft des Arsenals, welche unter dem Kommando des Prinzen Georg arbeitete, Zeuge eines schrecklichen Schauspiel». Als nämlich das Segelboot nahe dem Arsenal sich befand, kam ein gewaltiger Windstoß, daß das Boot umstürzte und der Matrose einen verzweifelten Kampf mit den Wogen begann, deren Spielball er wurde. Die Kameraden sahen diesem entsetzlichen Ringen um das Leben zu, aber Niemand wagte bei dem ungestümen Seegang und dem heulenden Wind dem Unglücklichen Hilfe zu bringen. Er schien bereits verloren, als man bemerkte, wie ein Boot, in welchem nur ein junger Offizier saß, vom Lande abgestoßen wurde und in die Wogen hinausfuhr. Es war Prinz Georg. Mit eigener Lebensgefahr steuerte er dem Punkte zu, wo der Matrose gegen das von der heulenden Windsbraut gepeitschte Wasser mit dem letzten Rest seiner Kräfte ankämpfte. Da streckte der Prinz seine Arme weit von sich, tauchte sie hinab in das Wasser . und entriß den Fluten ihr Opfer, das bereits das Bewußtsein verloren hatte. Heller Jubel erscholl, als der fürstliche Retter glücklich am Arsenal landete. Die kühne That des Prinzen soll aber auch einen andern bleibenden Lohn empfangen, indem der Athener Rettungsverein dem tapfer» Königssohn die große goldene Rettungsmedaille in feierlicher Weise überreichen will.
Vermischtes.
(Im Eifer.) Anwalt: Meine Herren, der Angeklagte selbst kann nickt von seiner Unschuld so überzeugt sein, wie ich es bin!
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