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Urs. ISO.

Sarrrstag, 19. Dezember- 189 t.

27. laki'gang.

Wocherr-Rundscharr.

J.J. M.M. der König und die Königin werden sich im Januar nach Ber­lin begeben, um dem deutschen Kaiserpaare eine» Besuch abzustattcn und s-ich von dort aus wahrscheinlich über Dresden nach München begeben, um bei dem König von Sachsen und dem Prinzregenten von Bayern ihre Antritts­visite zu mache». In den Organen der verschiedenen Parteien des Landes wird gegen­wärtig die Verfassungsrevision, vornehmlich eine andere Zusammensetzung der Ständever- sammlung in einer so lebhaften Weise behan­delt, daß man glauben könnte, das Heil der Menschen hänge davon ab, ob wir eine reine Volkskammer" mit Ausschluß aller Privilegier­ten bekommen und ob die erste Kammer ent­weder ganz abgeschafft oder erheblich umge­staltet werde. Da man den sog. Privilegierten in der Kammer der Abgeordneten nicht Nach­weisen kann, daß sie jemals einen dem Volks­wohl zuträglichen Beschluß verhindert oder gar einen für das Volk schädlichen Beschluß her­beigeführt hätten, so erblicken manche ruhig denkende Männer in der leidenschaftlichen Er- örterung der Verfafsungsfrage nur ein tak­tisches Manöver der Parteien, welche sich gegen­seitig den Rang ablaufen möchten. Man kann dem gegenüber nicht oft genug darauf Hin­weisen, daß unser Volk ganz anderswo der Schuh drückt, als in »er Zusammensetzung der parlamentarischen Körperschaften. Durch die un­geheure Ausbreitung der Eisenbahnen, durch die überaus billigen Seefrachten sind unfern Bauern und von ihrem Wohlbefinden hängt auch dasjenige der Handwerker, Kauf­leute, Fabrikanten, u. s w. ab in ihren Einkommens-Verhältnissen schwer geschädigt worden. Dazu kommt die immer größer wer­dende Ausbeutung der Bauern durch den Zwischenhandel, der sich zwischen Produzent und Konsument hinein schiebt. Die Verschul­dung des Bauernstandes und die Hartherzig­keit der Gläubiger nach schlechten Ernte-Ergeb­nissen. Für wenigstens 25 Mill. Mark be­zieht Deutschland alljährlich E'er aus Italien. Warum organisiert man nicht die landwirt­schaftliche Produktion indem man ihr sichere Absatzqucllen zumeist und sich anderseits ver­pflichtet, auch den Landstädtchcn ihre Produkte zuzuführen, nicht bloß den Großstädten? Warum sorgt man nicht dafür, daß den Land- lcuten auch im Winter lohnender Verdienst zugewiesen wird? Immer nur gegen die Re­gierungen loszudonncrn und von ihnen gar alles zu erwarten, ist entweder ein recht billiges Vergnügen oder etwas Schlimmeres. Es ge­hört wenig Denkbarkeit und etwas böser Wille dazu. Solche Reformen müssen vom Volke

heraus erörtert und vorgeschlagen werden das wäre eine schöne Aufgabe der Parteien. Molkereigenossenschaften und Raiffeisen'sche Darlehenskassenvereine sind recht wohlthätige Dinge, aber nur ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein. Ueberall müssen die Bauern billiges Geld bekommen können, um ihre Schulden zu verzinsen und zu tilgen, überall müssen die Bauern nicht bloß ihre Milch sondern auch alle andern Produkte: Eier, Ge­müse u. s. w. vorteilhaft und sicher absetzen können, daß sie ihren Betrieb ausdehnen können ohne ihre Zeit mit dem Verkauf zu sehr ver­geuden zu müssen. Industriezweige, welche in jedem Hause betrieben werden können, z. B. : Cigarrenfabrikation, Korbflechterei, Holzschnitz­erei, Spitzenklöppelci u. s. w. sollte von den Städten auf das Land verwiesen werden. Mit weniger Steuern" ist den Leuten gar sehr wenig geholfen aber mit verbesserten Ein- nahmenkönnte recht vielen Leuten geholfen werden.

Der deutsche Reichstag beriet die ganze Woche hindurch die neuen Handelsver­träge und wird voraussichtlich schon in der nächsten Woche an die dritte Lesung derselben gehen können, so daß die Hoffnung nicht un­berechtigt erscheint, daß die ganze Frage noch vor Weihnachien erledigt werde. Es läßt sich nun keineswegs verkennen, daß die Handels­verträge manchen Erwerbszweigen in Deutsch­land Nachteile bringen werden, vor allem den deutschen Bauern und Wciugärtnern, aber auch manchen Jndustriebranchcn. Anderseits darf man aber auch nicht vergessen, was der Reichs­kanzler so klar hervorgehoben hat, daß es in der Absperrung des einen Staates vom andern in der bisherigen Weise doch nicht fortgehen kann, daß wir unsere politische Bundesgenossen schon in Fricdenszeiten stärken müssen, um sie dadurch dauernd an uns zu fesseln, daß dies alles nicht ohne Konzessionen von unserer Seite erreicht werden kann, während wir auch wert­volle Gegenkonzessionen erhielten und daß end­lich die handelspolitische Gemeinschaft des Dreibundes eine große Anziehungskraft auf Spanien, die Balkanländer, Holland, Skan­dinavien ja sogar auf die überseeischen Länder ausübt. Der wirtschaftlichen Anglicdcrung folgt leicht das politisch-militärische Bündnis nach und die Franzosen ringen jammernd die Hände darüber, daß sic volkswirtschaftlich immer mehr isoliert werden Mit Rußland kann Frankreich ohnedies keinen Handelsver­trag abschließcn und die Russen verwehren sich auch energisch dagegen. Die Isolierung des Gegners darin bestand die meisterhaft diplo­matische Kunst des Fürsten Bismarck. Herr von Caprivi hat von seinem Vorgänger in dieser Beziehung recht viel gelernt.

Auch im österr - ichis ch en Landtag ist man eifrig mit der Beratung der Handels­verträge beschäftigt, für welche dort ebenfalls eine parlamentarische Mehrheit gesichert ist. Der Antisemitenführer Dr. Lueger gefiel sich in heftigen Ausfällen gegen den deutschen Reichskanzler, wurde aber von dem österreich­ischen Ministerpräsidenten Grafen Taaffe tüchtig zurechtgcwiesen.

Die Franzosen führen gegenwärtig etwas Kulturkampf gegen die Bischöfe. Das Ministerium scheint aber in dieser Frage nicht einig zu sein. In der Dcputiertenkammer kam es zu lärmenden Auftritten, schließlich er­hielt das Ministerium das verlangte Vertrauens­votum, aber mit nur 20 Stimmen Mehrheit? Damit ist das Kabinet nicht recht zufrieden, denn bei der nächstbesten Gelegenheit kann auch diese kleine Mehrheit vollends verloren gehen, umsomehr als eine erkleckliche Anzahl von Deputierten sich diesmal der Abstimmung enthalten haben.

In Spaniens Hauptstadt weilt gegen­wärtig Prinz Albrecht von Preußen zu Be­such bei der Königin-Regentin. Die Reise dürfte eine politische Bedeutung haben, wie sich vielleicht bald Herausstellen wird.

Die Russen haben sich in ihren pein­lichen Geldnöten an ein deutsches Bankhaus gewendet und die Berliner Handelsgesellschaft soll de» Russen gegen Verpfändung eurer Eisen bahn (der Kiewer) 50 Millionen vorgeschossen haben. Eine derartige Handlungsweise kann gar nicht mit dem richtigen Ausdruck bezeichnet werden.

Die Volksmrtretung (Sobranje) von Bul­garien hat einstimmig beschlossen, dem früheren Fürsten Alexander, jetzigen Grafen Hartenau ein Jahrcsgchalt von 50 000 Frcs. zu bewilligen, lieber deren Annahme hat sich Graf Hartenau noch nicht ausgesprochen. Bul­garien hat jetzt einen neucn Feind auf dem Hals Frankreich. Die bulgarische Regie­rung hatte einen französischen Journalisten Chadovry aus Bulgarien ausgewiesen, weil , er fortgesetzt lügnerische Hetzartikel gegen Bul­garien in französische und englische Blätter schrieb. Der Vertreter Frankreichs verlangte die Zurückberufung des Ausgewicsenen, die bul­garische Regierung verweigerte dies. Nun er­klärt der diplomatische Agent der französischen Regierung, die Beziehungen Frankreichs zu Bulgarien für abgebrochen. Die Bulgaren scheinen sich blutwenig darum zu kümmern, sondern froh zu sein nun auch die Freunde der Russen, wie die letzter» selbst, losbekommen zu haben.