526

immer noch weiter fortgesetzt. 125 Millionen Rubel hat die Regierung bereits in Banknoten ausgegebcn und kann den Banknotenumlauf nicht noch mehr vermehren, weil sonst der Staatsbankerott ganz unvermeidlich wäre. Jetzt scheint man zu einer Zwangsanleihe im Betrage von 300 Millionen Rubel greifen und das nötige Geld sich aus den russischen Klöstern und Kirchenstiftungen holen zu wollen. Ein Ausfuhrverbot für alle Nahrungsmittel mit Ausnahme von Weizen aus Rußland ist erlassen worden. Dieser Notstand kann viel­leicht den Frieden erhalten trotz allen Deutschen­hasses der Russen.

Württemberg.

Se. Mas. der König hat die bei der Regierung des Scbwarzwaidkreises crl. Sekrctärsstelle dem Kanzlcihilfsarbeiter Amt­mann Häfele (fn>her in Neuenbürg) bei dieser Behörde übertragen.

Se. Mas. der König hat den Vor­stand der Betriebsabteilung der General- direktion der Staatseisenbahncn, Direktor v. Balz, unter Belastung in dieser Stellung zum ersten Vorstand der Generaldirektion zunächst in der Dienststellung eines Direktors ernannt und die Stelle eines Vorstands der Bauabteilung der Generaldirektion der Staatseisenbahnen dem Oberbaurat, tit. Bandirektor v. Scblierholz unter Beförder­ung desselben zum Direktor übertragen.

In dem Schreiben, durch welches König Wilhelm von Württemberg dem Papst seinen Regierungsantritt anzeigee, sagte er: Die religiöse Freiheit seiner katholischen Unteithanen werde von ihm geschützt werden. Papst Leo XIII. antwortete mit einem Glück­wunsch und dem Ausdruck der Genugthu- ung über diese guten Absichten gegen die Katholiken.

Stuttgart, 29. Okt. Zurzeit wird, wie verlautet, in Kreisen der Regierung die Frage erörtert, ob in Zukunft für verliehene * Apothekerkonzessionen, außer den bisher an- gesetzten Sporteln, eine alljährliche Konzes- sionsabgobe zu erheben sei und wozu even­tuell die hiedurch eingebenden Gelder zu ver­wenden seien. In Äpothekerkreiscn ist man darauf gefaßt, daß die Frage in bejahendem Fall entschieden wird, trotzdem man auch in Regiernngskreisen nicht verkennen werde, daß die Lage der Apotheker infolge der «normen Preissteigerung der Apotheken bei weitem nicht mehr so günstig sei wie früher. In der Erwartung eines diesbezüglichen Entschlusses der Regierung regt sich in Apo­thekerkreisen eine Agitation zu Gunsten einer an die K. Regierung zu richtenden Bitte, es mögen die eventuell aus der obigen Be­stimmung eingehenden Gelder zu Stipendien für die Heranbildung tüchtiger junger Apo­theker, woran Mangel herrschte, verwendet werden.

Stuttgart, 3l. Okt. Der Frau Schnei­dermeister Wurster von Donaueschingen, welche beim Vaihinger Eisenbahnunglück schwer verletzt wurde, war vom Eisenbahn- fiskus eine Lebensrente von 700 ange- boten worden. Da die Frau aber 2400 jährliche Rente verlangte, kam es zum Pro­zeß, welcher mit einer Erhöhung der Rente von 700 auf 1350 endete.

Stuttgart, 5. Nov. (Landtag). Gestern hielten beide Kammern eine gemeinschaftliche Sitzung ab, um die verfassungsmäßige Neu­wahl des ständischen Ausschusses vorzunchmen. In den engeren Ausschuß wählte man in der ersten Kammer den Präsidenten v. Bätzner,

in der zweiten die Abg. v. Hofacker, v. Wolfs und v. Gcmmingen; in den weiteren Aus­schuß wurde von der ersten Kammer Direktor v Zeyer, von der zweiten Kammer die Abg. v. Luz, v. Göz, Robert, v. Schad und Sachs gewählt. Der Ausfall der gestrigen 3 Land- tagswahlcn in den Bezirken Neuenbürg, Obern­dorf und Oehringen ward heute in Abgcord- netenkreisen lebhaft erörtert.

Keilöroun, 30. Okt. Die für die aus Rußland vertriebenen Juden in Württemberg veranstaltete Sammlung hat 15 314 M. 70 Pf. ergeben.

GÜöingen, 3. Nov. Gestern früh traf von Pliezhausen die Kunde einer schrecklichen Unthat, eines Vatermordcs, hier ein, woraus sich sofort eine Gcrichtskommission von Aerztcn und Gerichtsbeamtcn an Ort und Stelle begab und folgenden Thatbestand vorfand: Der 60jährige Zimmcrmann Philipp Bayer war in vergangener Rächt ermordet worden. Nach der Aussage von Frau, Tochter und Sohn soll der Getötete Nachts in betrunkenem Zu­stande sich mit einem Beil in der Hand zu seiner Familie begeben haben, worauf sich sofort ein Handgemenge mit Sohn und Tochter entspann. Die Sektion ergab bei dem Ge­töteten 10 Beilhiebe in den Schädel und ei» zerschmettertes Schulterblatt. Der alte Bayer wird als ein Trunkenbold geschildert und auch die 3 anderen Familienmitglieder, welche ver­haftet wurden, stehen in keinem guten Ruf.

Mauöenren, 3. Nov. Der Dieb, welcher vor einigen Monaten in der diesigen Ober- amtspflege cinbrach und Geld und Staats­papiere im Werte von 18 000 Mk. gestoh­len hat, ist in Rom unter MOwukung des deutschen Konsulats daselbst verhaftet wor­den. Es ist der gestern in Rom mit seiner Braut angekommene Rcvisionsasststent Klein aus Aalen. Im Besitze des Verhafteten wurden noch 1.3 000 Frc. vorgcfnnden. Er wird nun von Italien hierher ausgeliefert. Klein war vor etwa 2 Jahren auf kurze Zeit als Gehilfe beim hiesigen Amtspflegcr augestellt. Derselbe entstammt äußerst ehr­baren und rechtschaffenen Eltern, die früher ihren Wohnsitz hier hatten. Daß es ein mit den Verhältnissen der Kanzlei wohlbe­kannter Dieb sein müsse, war aus den Um­ständen, unter denen der Diebstahl begangen wurde, wobl zu schließen, allein zu einem bestimmten Verdacht hatte man keine ge­nügenden Anhaltspunkte, bis unverhältnis­mäßiger Geldverbrauch auf die Spur des Thäters führte.

strecken sich blos auf einzelne Teile der Brücke; andere und wesentliche Schwächen blieben bestehen. 5) Eine Entgleisung des Zugs hat vor dem Einstürze der Brücke nicht statt­gefunden. 6) Die Hauptursache des Ein­sturzes liegt in den zu schwachen Mittelstre­bern; durch die exzentrische Befestigung der Streber und durch die geringe Qualität des Eisens wurde der Einsturz wesentlich befördert.

Die Direktion der Jura-Simplon- bahn hat bereits damit begonnen, die aus der Mönchensteiner Katastrophe gegen sie erhobenen Rechtsansprüche zu befriedigen.

Ans den südlichen Ländern wird jetzt Ichneefall gemelder. In fast ganz Italien .ist Plötzlich große Kälte cing,treten Auf allen Bergen liegt Schnee; am 1. Rov. hat cs sogar in der Stadt Perugia stark geschneit. Eme Meldung des Stanbart aus Athen 1 Nov. lautet: Seit gestern fällt in allen Teilen Griechenlands der Regen in Strömen. In den gebirgigen Gebieten von Patras, Volo und fast überall in Thessaben ist eine riesige Menge Schnee gefallen, zum große» Erstaunen der Einwohner, die der­gleichen noch nicht erlebt haben.

G e m e i u » ü 1z i g e s.

(Abgerahmte Milch als Heil« mitel.) Die Milchkur ist, wie allgemein bekannt, nichts Neues; aber viele erwachsene Personen vertragen die frische Milch nicht, und man schreibt dies dem Fettgehalte der­selben zu. Die englischen Aerzte verordne» deshalb abgerahmte Milch, und der Erfolg war in vielen Fällen ein >ehr befriedigender. Man läßt sie 1218 Stunden stehen und nimmt darauf den Rahm ab. Sie wird dann in der Regel eine gewisse Säure an­genommen haben. In diesem Zustand wird sie selbst von dem schwächsten Magen ge­wöhnlich gut vertragen. Der Mitchgsnuß bildet ei» oder mehrere Wochen lang die einzige Nahrung. Man fängt mit kleinen Quantitäten an und steigt auf 3, selbst bis auf 5 Liter täglich. Man wendet diese Kur hauptsächlich hei Magen- und Lebcrkrank- heiten, bei Nieren- und Blasenleiden, sowie bei Asthma und Wassersucht a». Gute Hei­lingen sind damit erzielt worden.

(Schuhwerk wasserdicht zu m ach.e n.) Mittelst einer Salbe die man durch Zusam- menfchmelzen von 400 ^ gelber Vaseline und 100 A Ceresin in einem irdenen Topfe be­reitet, kann Schuhwerk, überhaupt Leder, bestens wasserdicht gemacht werden.

Rundschau.

Graz, 4. Nov. Herzog Wilhelm von Württemberg ist heute Nachmittag nach Stuttgart abgereist. Das gesamte Offizier- 'orps hatte sich zur Verabschiedung auf dem Bahnhofe eingefunden.

Aern, 3. Nov. Das Gutachten über ,en Zusammenbruch der Mönchensteiner Brücke ist letzter Tage erschienen. Dasselbe 'ommt nach gründlichen Untersuchungen der Irsachen, welche das Unglück veranlaßt Ha­ien zu folgenden Schlußfolgerungen: 1) Oie Konstruktion der Brücke war von An­fang an zu schwach und mangelhaft. 2) Oas verwendete Eisen entspricht in Bezug mf Festigkeit und Zähigkeit zum größeren Leil niwt den notwendigen Anforderungen. Z) Die Brücke erfuhr bei Gelegenheit des Hochwassers vom Jahr 1881 eine bleibende Schwächung ihrer Tiagkraft. 4) Die im Zahr 1890 angebrachten Verstärkungen cr-

Vermischtes.

In der Nacht vom 15/16 November wird eine totale Mondfinsternis stattfinde», die am 15. nachts 11.25 M. beginnt und früh 2.50 endet. Die Totalität dauert von 12.24 bis 1.47.

Eine neue Anwendung der Elektrizität teilt die englische Zeitschrift Engineering mit. Darnach wird der elekrische Strom zur Auf­tragung von Verzierungen auf Gegenstände aus Holz, Elfenbein oder anderen leicht verkohl­baren Materialien benutzt. Ein Zeichengriffel, der erne Schleife aus Platindraht enthält, die mittels eines durch biegsame Leiter zugeführten elektrischen Stromes zum Glühen gebracht ist, wird den Umrissen einer auf dem Gegenstände befindlichen Zeichnung entlang geführt und brennt dadurch diese Zeichnung in den Gegen­stand ein. Gleiche Wirkungen können mit einem Griffel, der nur so weit erwärmt ist,

! daß er die Zeichnung bossiert, ohne irgend