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Kechivgen, 30. Okt. Das Defizit des hiesigen Stadtpflegers Haid soll »achAbzug der Vorgefundenen herrenlose» Papiere 75,171 71 ^ betragen.
Aus Stadt und Umgebung.
Wildöad , 31. Okt. Gestern Abend stellte sich der Kandidat für die Landtagswahl Herr Sägwerkbesitzer Commerell von Höfen der hiesigen Wählerschaft in einer Versammlung im Restaurant Funk vor. Herr Stadtschultheiß Bätzner eröffnete die Versammlung, indem er Herrn Commerell den hiesigen Wählern zu einmütiger Wahl empfahl. Derselbe habe sich zwar bis jetzt zu einem bestimmten Programm nicht bekannt; die nun seit ca. 30 Jahren im Bezirke bekannte Persönlichkeit des Herrn Commerell biete aber ja hinreichend Garantie, daß derselbe seine Pflichten als Landtags-Abgeorvneter stets treu erfüllen werde und sich bei allen seinen Handlungen nur durch die wahren Bedürfnisse des von ihm vertretenen Bezirks leiten lassen werde; Herr Commerell dankte hierauf der Versammlung für ihr zahlreiches Erscheinen und gab unter Hinweis auf das von ihm ousgegebene Programm, das sich, indem er blos auf eine Restperiode von 3 Jahren zu wählen sei, nur über Allgemeines verbreiten könne, die Versicherung ab, daß er sich bei allen Fragen, die an ihn als Landtags-Abgeordneten herantreten würden, nur auf seine eigene, nach reiflicher Ueberlegung gewonnenen Ueberzeugung leiten lassen werde; auch werde er für unsere Badestadt und ihre Bedürfnisse stets warm eintreten. Einige im Verlaufe des Abends noch an den Herrn Candidatcn aus der Milte der Wählerschaft gerichtete Fragen, wie über das Wirtschaftsabgaben- und das Nachbarschaftsgesetz veant- wortcte Herr Commerell zur Zufriedenheit dec Interpellanten. Bei der großen Beliebtheit, die sich Herr Commerell im ganzen Bezirke zu erfreuen hat, ist an der einmütigen Wahl desselben nicht zu zweifeln.
— Nach dem „Beob." hat die Volkspartei im Bezirk Aeueubürg sich entschlossen, „von der Aufstellung einer stclbstständigen Kandidatur abzusehen und den Einzelnen zu überlassen, für Herrn Commerell zu stimmen oder sich der Wahl zu enthalten. — Von sozialdemokratischer Seite wurde G. Bronnenmayer in Göppingen für Neuenbürg aufgestellt.
— Bekanntlich hat die Eisenbahnstation Wothenöach im vorigen Jahre eine Erweiterung erfahren, welche in Folge des sich stetig steigernden Güterverkehrs eine absolute Notwendigkeit war. Gegenwärtig werden nun zwischen der Station und dem Rothenbachwerk wieder umfangreiche Bauarbeiten vorgenommen, und zwar handelt es sich um eine Entlastung der Station, welche durch den immer größere Dimensionen annehmenden Holzversandt bedingt ist. Zu diesem Zwecke wird ein besonderes Schienengeleise entlang dem Bahnkörper vom Nothenbachwerk bis zur Station angelegt. Um nun neben diesem Schienengeleise noch den bisherigen Weg zu erhalten, muß der Fabrikkanal unterhalb der Station in seiner oberen Hälfte entsprechend nach rechts verlegt werden und dies bildet den Hauptgegenstand der gegenwärtigen Arbeiten, welche unter Leitung des K. Eisenbahnbetriebsbauamts von den Unternehmern Hartmann und Rieth auf Kosten der Firma Krauth u. Cie. ausgeführt werden. Bei den Arbeiten der Betonierung der inzwischen fertiggestellten rechtsseitigen Ufermauer des schon erwähnten Werkkanals wurde eine Wasscrpumpe durch Über
tragung der elektrischen Kraft vom Werk aus in Betrieb gesetzt. Dieser interessante Versuch der Uebertragung der elektrischen Kraft ist vollständig gelungen und es hat damit die Firma, welche bekanntlich mit jeder technischen Verbesserung in ihrem Betrieb vorne an steht, im Enzthale den ersten so trefflich gelungenen Versuch gemacht, gleich wie sie die elektrische Beleuchtung bereits schon vor 2 Jahren eingeführt hat. Diese selbst wird durch eine Dynamomaschine von cirka 25 Pferdekräften, welche ihrerseits wieder durch die zu gewaltiger Kraft vereinigte Dampf- und Wasserkraft die nötige Kraft erhält, erzeugt, und durch das Glühlicht in sämtlichen Arbeitsräumen verbreitet. Mehrere große Bogenlampen verbreiten außerdem taghelles Licht über die ausgedehnten Lagerräume. Die elektrische Leitung nach dem Fabrikkanal, welche der Kraftübertragung diente, soll ferner zur Beleuchtung einer weiteren Bogenlampe bestimmt sein. — Höchst sinnreich ist der von der elektrotechnischen Fabrik (Schuckert L Cie., Nürnberg) im Maschinenraum angebrachte Apparat, welcher den elektrischen Strom selbstthätig reguliert. — Die ganze Anlage ist ein heriliches Denkmal des schassenden Geistes und des ungeheuren Fortschntts und der Vervollkommnung auf technischem Gebiete. (Enzth.)
Untki-Haltkndks.
Entdeckt.
Kriminalerzählung von G. Struder- (Fortsetzung.)
Ohne große Mübe gelangten Herr und Diener vor ein kleines, properes Wirtshaus, über dessen Thür ein stattliches Schild mit der Aufschnfft: „Zum Karpfen" befestigt war. Der Eigentümer, Franz Breitbach, ein gesetzter Mann mit klugen, pfiffigen Gesichtszügen, frug die Gäste nach ihrem Begehre» und brachte alsdann den verlangte» Liter Wein nebst zwei Gläsern.
„Sie trinken doch ein Glas mit uns, Herr Wirt?" meinte der Baron.
„Wenn es nicht anders sein kann, recht gern," erwiderte der Gefragte. „Ich bin keiner von den Wirten, welche dasjenige verschmähen, was sie ihren Gästen vorsetzen."
Man stieß mit den Gläsern an und hierauf frug Herr von Reifende,g den Wirt nach seiner Ansicht über das Gut Homborn, welches er zu kaufen entschlossen sei. Von diesem Thema kam das Gespräch auf die Mordaffaire Heiden, in dessen Verlauf der Erstere erklärte, es sei ihm unbegreiflich, daß nicht jeder Bürger in der ganzen Umgegend bemüht sei, das Seinigs dazu beizutragen, damit einPerbrechen anfgedeckt werde, welches nicht anders, denn als ein Schandfleck für alle Gemeinden in der Nachbarschaft angeiehen werden könne. „Speziell die Wirte werden den meisten Schaden von der Sache haben," schloß er seine Auseinandersetzung, „denn jeder Mensch, der noch Geld zu verlieren hat, wird sich wohlweislich hüte», ohne zwingenden Grund diese reizende Gegend aufzusuchen und besonders von der Bahnstation K. durch den Wald nach G. spazieren zu gehen, so lange der verruchte Mörder nicht gesunden und dingfest gemacht ist."
„Darin haben Sie freilich Recht," meinte Herr Breitbach nachdenklich, „aber was soll )man thun? Kein Mensch kommt gern mit
den Gerichten in Berührung und unsereins vermag auch nickt eiuzusehen, was denn eigentlich geeignet ist, um auf die Spur des Verbrechers hinzuleiten."
„Das ist ja eben die total verkehrte Anschauung von Euch Leuten. Alles, was Euch nur im Geringsten verdächtig erscheint, müßt Ihr de» B,Hörden anzeigen, welche sebon prüfen werden, ob das Betreffende von Wichtigkeit ist oder nicht. So sagte mir z. B. der Herr Bürgermeister von K. man wäre dem Mörder vielleicht schon lange auf den Fersen, wenn man wüßte, ob derselbe von K. oder von G. durch den Wald gegangen sei.
„Was das anbelangt, so könnte ich vielleicht znr Aufklärung beitragen," bemerkte der Wirt hastig, bereute es aber offenbar schon in demselben Momente, so weit in seinen Worten gegangen zu sei»; denn er schwieg plötzlich still und sah seine beiden Gäste abwechselnd ziemlich verlegen an.
„Ei, da würden Sie der ganzen Umgebung, meine Person nicht ausgeschlossen, einen großen Gefallen erweisen," rief der Baron aus, „sicherlich hat der Mörder in Ihrem Hanse logirt und Sie haben an seine», verstörten Aussebe» oder au sonstigen Merkmalen als den Thäter ihn erkannt."
„In diesem Falle hält ich ihn sicher sestgebalten," enrgegnete Herr Breitbach unwillig, „nein, so weit erstrecken sich meine Kenntnisse über den Möider nicht n»d vielleicht befinde ick mich auch ans einer ganz falschen Spur. Aber ich will Ihnen einmal erzählen, was ich weiß und dann sagen Sie nur, was S,e davon halten. Also am 7. Oktober, es war ans einen Freitag, hatte ich mir in K. zwei ganz neue Stricke, um die Leitern an meinem Henwagen festzubinden, gekauft, da ich am folgenden Tage eine Fuhr Heu wegbringen sollte.
„Aber ich war kaum zu Hause wieder angekommen, als ein Bote mich benachrichtigte, das Heu könne erst in der folgenden Woche abgenommeu werden. So hing ich denn die beiden Stricke dort hinten in der Scheune an einen Nagel, um dieselben, wenn ich sie gebrauchen sollte, sofort bei der Hand zu haben. Am 11. Oktober nun erhielt ich gegen Abend die Ordre, am folgenden Morgen das Heu »ach der Stadt zu bringen. Ich wollte nun meine» Wagen ohne weiteren Veizug in Stand setzen, als ich aber nach den Stricken sah, war der eine verschwunden."
Hier machte Herr Breitbach eine Pause, welche er benutzte, zur Stärkung einen kräftige» Schluck zu sich zu nehmen und fuhr darauf also fort:
„Des Mittags noch hatte ich die beiden Stricke zusammen gesehen und ich ärgerte mich um so mehr über de» Verlust, als ich hierdurch gezwungen war, noch am Abende im Dorfe umherzulaufen, um mir einen andern Strick zu leihen. Ich frug alle Leute, welche in meinem Hause wohnten oder verkehrten, ob vielleicht Jemand den vermißten Gegenstand in Gebrauch genommen habe, aber Keiner wußte von demselben etwas. Sie alle hatten noch am Mittag die beiden Stricke an dem Nagel gesehen. Am meisten noch hielt ich einen Jungen im Verdacht, der an diesem Tage draußen in der Scheune mir Holz zerkleinert hatte, obgleich derselbe sonst als ehrlich bekannt ist. Aber ich hatte ihm Unrecht gethan; denn wenige Tage darauf kam er zu mir und erzählte, er sei zugegen gewesen, als die Leiche des Herrn Heiden am Baume hängend gefunden wurde