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Nro. 103. /

Samstag, 12. September 1891

27. tatisgang.

Wochen-Rirndschau.

Die Besserung im Befinde» S. M. des Königs bat auch in letzter Woche erfreu­licher Weise angehalten. Das gesürcktcte Fieber hat sich nicht mehr eingestellt und die Kräfte des hohen Patienten sind in merklicher Zunahme begriffen. Der Oberbüiger- mcister von Heilbronn scheint sein fer­neres Verbleiben auf seinem Posten nnnmehr selbst für unmöglich zu halten und er hat deswegen aus St. Moritz in Engadin au den Heilbronncr Gemeinderat geschrieben, er sei berOt zurückzntrete», wenn ihm eine jährliche Pension von 5000 Mk. bewilligt würde. Die bürgerlichen Kollegien von Heilbronn haben sich zunächst über diese finanzielle Frage schlüssig zu machen. Zu den wohlthätigste» Anstalten für die Vermittlung des Kredits an Landwirte zählen bekanntlich die Raiffeisen'schen Dar­lehenskassen. Dieselben haben bei uns eine erst 10jährige Dauer, weil die mancher­lei ihnen entgegengkstellten Bedenken erst durch Raiffeisens persönliches Erscheinen in Stuttgart im Oktober 1880 zerstreut worden sind. Dann aber begann ein äußerst erfreuliches Wachstum, vermöge dessen aus 21 Kassen in 10 Jahren 360 mit fast 300 000 Mitgliedern, einem Jahresumsatz von schätzungsweise 30 Millionen, einem baren Schatz von 180 000 nnd einem Reingewinn von 70000 Mk. geworden sind. Die Kassen haben hierzulande von Anfang an auch den gemeinsamenEinkauf von Sämereien, Obst, Kartoffeln, Dünger, Weinreben in ihren Bereich gezogen und so nach allen Seiten eine segensreiche Wirksamkeit ent­faltet. Die Leitung liegt seit Jahren in der Hand des Universitätsprofessors Lce- mann, welcher auch diesmal unter verdienten Dankesbezcugungen von der soeben abge­schlossenen Generalversammlung zum Vor­stand gewählt worden ist. Finanzminister v. Renner hat sich seinen am 1. Sept. abgelaufenen Urlaub um einen weiteren Monat verlängern lassen müssen, da er im Gebrauche seiner Arme und Beine noch teil­weise behindert ist. Von einer Pensionierung des Herrn Finanzministers verlautet nichts. Die Meldung verschiedener Blätter, daß von einer Einberufung des württembergischen Landtags in diesem Spätherbst Abstand genommen worben sei, ist mit großer Vor­sicht aufzunehmen. Derartige Fragen werden bekanntlich im Schoße des Ministerrats be­sprochen und erledigt und eine Sitzung des Staatsministeriums hat schon seit mehreren Monaten nicht mehr stattgefunden. An

Gesetzesvorlagen wird es dem künftigen Landtag nicht fehlen; wir erinnern nur an das im Entwurf so ziemlich fertige Gesetz betreffend die Errichtung einer Landeshagel- verficherungsaustalt.

Der deutsche Kaiser ist zugleich mit dem König von Sachsen und begleitet von dem Reichskanzler Caprivi als Gast des Kaisers von Oesterreich bei den österreichischen Manövern im Wiener Wald erschienen und hat sich über die Leistungsfähigkeit der österreichischen Truppen, welche mir den neuen Gewehren und dem rauchlosen Pulver manöverierte», mit großer Anerkennung aus­gesprochen. In Beziehung des Kaisers von Oesterreich war auch der österreichisch­ungarische Minister des Auswärtigen Graf Kalnocky, erschienen. Letzterer hatte mit unserem Reichskanzler so eifrig zu kon­feriere», daß beide Staatsmänner von den eigentlichen Manövern fern blieben. Die allgemeine politische Lage ist freilich einst genug. Wen» auch für die nächste Zeit der Ausbruch eines Krieges nicht zu be­fürchten ist, so steht doch der europäische Frieden gegenwärtig auf schwächeren Füßen als seit zwanzig Jahren. Glücklicherweise steht der Dreibnnd um so fester da und diesem allein ist es zu verdanken, daß Ruß­land und Frankreich noch immer zagen, uns anzugreifen. Von Schwarzenau aus begab sich der deutsche.Kaiser nach München, wo er sowohl von dem Prinzregcnten und der kgl. Familie als von der Bevölkerung herzlich ausgenommen und begeistert em­pfangen wurde. Auch die bayerischen Manöver sind zur vollen Zufriedenheit des kaiserlichen Kriegsherrn ausgefallen. Von der Station Röhrmoos aus bezieht sich der Kaiser nach Kassel, wo ihn seine Gemahlin erwartet und von dort zu den Manövern nach Thüringen. Der Reichskanzler hat das bisherige Einfuhrverbot für lebende Schweine und für Schweinefleisch aus Amerika aufgehoben. Das Ge­spenst eines Notstandes wegen angeblich ungenügender Kornvorräte in Deutschland ist nunmehr gründlich verscheucht. Genaue amtliche Ermittelungen haben ergeben, daß vielmehr deutsche und ausländische Brot­frucht im deutschen Reich vorhanden ist, als die Bevölkerung des deutschen Reiches sogar innerhalb 15 Monaten verzehren könnte. Wir sind also sogar auf 4 Mo­nate über die nächste Ernte hinaus gedeckt und die Herren Kornwucherer, welche sitzt noch mit künstlichen Mitteln die Getreidc- preise in der Höhe zu halten suchen, werden schließlich schwere Verluste erleiden müssen.

In Böhmen wetteifern die Czcchen und die Deutschen, dem Kaiser Franz Josef, welcher demnächst dorthin kommen wird, Huldigungen darzubringen. Die Deutschen werde» dies in der Stadt Reichenberg thun, die Czecken in Prag. Letztere möchten den Kaiser gar zu gern bewegen, daß er sich als König von Böhmen krönen lasse, wie dies vor 100 Jahren Kaiser Leopold ge- than. Die ungarische Oppositionspresse geberdet sich sehr entrüstet darüber, daß das kroatische Regiment, welches den Namen Jellachich führt, das Grabmal des Besiegers des ungarischen Aufstandes vom Jahre 1848, des Feldzeugmeisters Jellaschics, an seinem Todestag mit Kränzen geschmückt bat und verlangt die Versetzung sämtlicher Offiziere dieses Regiments.

Die Franzosen müssen die neue Allianz mit Rußland recht teuer bezahlen. Es war zu erwarten, daß die gemeinschaft-, lichen Kneipereien zu Kronstadt, Petersburg und Moskau in ein furchtbares Anpumpen von der einen Seite auslaufen werde und richtig hat der russische Finanzministcr bei den Franzosen einen Pump von einer halben Milliarde Franken aufgeschlagen, welcher in Form einer 3prozentigen Anleihe zu dem sehr hohen Kurse von 87 Proz. nächster Tage zur öffentlichen Zeichnung gelangt.

Die Engländer habe» Vorkehrungen getroffen, nicht nur ihre Flotte im Mittel­meer, sondern auch ihre Landtruppen in Egypten bedeutend zu verstärken. Sie trauen den Abmachungen der Russen mit der Pforte nicht; letztere stellt zwar ihre Erlaubnis zur Dardanellendurchfahrt der angeblich nur unbewaffnete russische «Soldaten befördernden Schiffe der sog. Kreuzerflotte, welche russische Kapitalisten ins Leben gerufen haben, als eine ganz harmlose Sache hin, wodurch die Verträge nicht verletzt würde»; aber die Engländer lassen sich nichts weiß machen uud früher oder später kann oie Dardanellen­frage sich zu einem europäischen Kriege zu­spitzen.

In ru s s i s ch P o l en sollen gegenwärng nach übereinstimmenden Meldungen nicht weniger als eine halbe Million Soldaten in voller Kriegsrüstnug versammelt sein und weitere 120000 Mann solle» aus dem Innern Rußlands, gleichfalls nach Polen dirigiert werden. Glücklicherweise haben die Russen noch nicht genug neue Repetier- gewehre und so bleibt ein Kriegsausbruch wenigstens bis zum nächsten Frühjahr, vielleicht sogar noch ein weiteres Jahr ver­schoben.