Gesicht versetzte. Der im gleichen Zimmer befindlich« Stiefvater, ein blinder Mann, verhinderte die Attenthäterin an dem weiteren Zuschlägen, so daß es bei einer nicht sebr bedeutenden Verletzung der Tochter blieb. Wie man hört, hat die unglückselige Frau die That i,n Wahn vollsührt, ihre Tochter vor dem Zuchthaus zu bewahren.

Kerrenalö, 29. Juni. Heute fand unter überaus zahlreicher Bereiligung von nah und fern die Beisetzung unseres verstorbenen Stadt- schulthechen Beult er statt. Nicht nur die Be- zirksbeamtcn und beinahe sämtliche Ortsvor­steher des Oberamts, sondern auch aus Stutt­gart waren Freunde des Verstorbenen (unter anderen Direktor v. Leibbrand und Regierungs- rat Nestle) erschienen. Stadtpfarrer Hartter entrollte ein Bild des vielseitigen rastlos thäti- gen Mannes und schilderte seine großen Ver­dienste um die Hebung der Gemeinde Herren- alb, sowie sein Wirken als Landtagsabgeord­neter. Geboren 1829 zu Balingen als Sohn eines Zeugmachers, erhielt Beutter seine Be­rufsbildung auf einer Schreibstube, wurde Ende der 40er Jahre Oberamisassistent in Neuen­bürg, 1851 Verwaltungsaktuar unv 1854 Schultheiß. Er fand in der Gemeinde sehr trübe wirtschaftliche Verhältnisse vor, an deren Besserung er mit Energie und Ausdauer ar­beitete. Ein langwieriger Rechtsstreit mit dem Staat (dem Rechtsnachfolger der Klosterherr­schaft) brachte die Gemeinde 1860 in den Be­sitz von 80 Morgen Staatsgütern. Der Ankauf der Benkieser'schen Hofgüter mit 4 Sägmühlen um 35,000 fl. für die Gemeinde bot den Bür­gern weitere vorteilhafte Gelegenheit, sich größere oder kleinere Parzellen eigenen Grund und Bodens zu erwerben. Eine mustergiltige Drai- nirung der Gemeindewiesen und noch manche anderewirtschoftliche Verbesserung, unter anderem auch die Förderung der Obstbaumzucht, trugen weiter dazu bei, den Kredit der Gemeinde zu heben. Was aber Herrenalb Beutter am meisten zu danken hat, ist seine Entwicklung zu einem Kurort. Anfangs der 60er Jahre begannen die Bemühungen in dieser Richtung: die Straßen nach Gernsbach, Ettlingen und von Marxzell ins Enzthal kamen zu Stande, ein regelmäßiger Postdienst, dessen Leitung der Verstorbene übernahm, wurde eingerichtet; in der Unterbreitung und Befürwortung von Vorschlägen bei den Behörden, in Anregung und Ermunterung zur Verschönerung des Ortes, in der Herbeiziehung von Frem­den und in der Sorge, denselben Herrenalb zu einem angenehmen Aufenthalt zu machen, war Beutter unermüdlich. Als landesherrlich ernanntes Mitglied der Landessynode bethätigte er sein reges Interesse für die kirchlichen An­gelegenheiten. Die Gemeinde Herrenalb wird ihm ein dankbares Andenken bewahren.

Tübingen, 30. Juni. Die Tagesord­nung der Schwurgerichtssitzungen des II. Quartals 1891 ist für den Sprengel Tü­bingen folgenve: 1) Den 30. Juni Straf­sache gegen den verheirateten Maurer Jo­hannes Schmander von Seeburg, Oberamts Urach, wegen Verbreche» wider die Sitt­lichkeit. 2) 1. Juli, gegen den ledigen Bau­ern Friedrich Ochner von Dennach, O.-A. Neuenbürg, wegen Meineids. 3) 2. Juli, gegen Katharina, geborene Rempser, Ehefrau des Taglöhner und Meßners Gotthilf Flamm von Metzingen wegen Meineids. 4) An demselben Tag, gegen den verheirateten Metz­ger Christian Friedrich Häußler von Nagold wegen betrügerischen Bankrotts u. a. V. 5) 3. Juli, gegen den verheirateten Schreiner Matthäus Pfeifer von Bernbach O.-A.

Neuenbürg, wegen Brandstiftung. 6) 4. Juli, gegen den verwitwete» Bäcker und Wirt Jakob Gehrung von Pliezhausen wegen Verbrechen wieder die Sittlichkeit.

ßannst«tt, 26. Juni. Gestern Abend 7 Uhr ertrank beim Bade» im Neckar in Folge eines Herzschlags der 21 Jahre alte Schlosser Gottlob Jdler von Fellbach, der in einer hiesigen Maschienenfabrik in Arbeit stand. Der Leichnam konnte bis jetzt nicht aufgefnnden werden.

Hhingen, 26. Juni. Dem Mühtenbe- sitzer Spaich in Ersingen sind an einem Tage 23 Stück Rindvieh am Milzbrand gefallen.

Wottweik, 29. Juni. Gestern Abend ent­fiel dem Gehilfen eines Malers der Pinsel während des Anstreichens einer Brücke über den Nekar; während er bemüht war, denselben wieder zu erfassen, stürzte er ins Wasser und ertrank trotz alsbaldig geleisteter Hilfe; es scheint den Verunglückten ein Schlaganfall be­troffen zu haben.

Der Württ. Schwarzwald­verein tagte am Sonntag unter dem Vor­sitz des Präsidenten v. Bätzner im Schwarz­waldhotel zu Areudenftadt. Der Vorsitzende überbrachte Grüße von dem hohen Protek­tor des Vereins, dem Prinzen Wilhelm und gedachte sodann der hervorragenden Mitglie­der, die der Verein in letzter Zeit durch den Tod verloren : des hochverdienten Vorstandes Baurats Reinhard, des Oekonomicrats Hor- lacher und Stadtschultheißen Beutter. Von dem Kassenbestand von 1625 erhält jeder Bezirksverein 100 rur Anbringung wei­terer Wegzeiger, die künftig als solche des W. Schw -V." gekennzeichnet werden sollen. Beiträge von je 300 wurden zugewiesen den Bezirksvereinen Freudenstadt zur Her­stellung von Wegen zwischen ZufluchtHor­nisgrinde sowie ZufluchtAllerheiligen, Neu­enbürg zur Ausführung eines Weges auf die Teufelsmühle und zu einem Aussichts- türm auf dem Heukopf (zu welch letzerem Zweck der Stuttgarter Bezirks-Verein be­reits einen Beitrag von 300 gewährt hat), Calw zu einem Weg durch das Schwein­bachthal und durch die Brandhalde. Noch beschloß die Versammlung die Errichtung eines Gedenkzeichens für Baurat Rheinhard und bestimmte den Feiertag Peter und Paul ein für allemal zum Versammiungstag. Die nächste Versammlung findet in 2 Jahren in Altensteig statt. Präsident v. Bätzner wurde wieder zum Vorstand gewählt.

Rundschau.

Bad Aisstngen, 28 Juni. Fürst Bis­mark wird schon in der nächsten Zeit er­wartet. Die Salinenräumlichkeiten sind bereits für seine Aufnahme hergerichtet.

Aus Hraz wird denM. N. N." be­richtet, daß die Aussichten auf Besserung im Zustande des Grafen Hartenau (ehemals Fürst Alexander von Bulgarien) nahezu gänzlich ge­schwunden seien. Der Graf faßte letzter Tage sein Testament ab.

Auf den Schlachtfeldern in Böh m e n finden jetzt zahlreiche Gedenffeiern unter- großer Teilnahme ans Anlaß der 25jährize» Wiederkehr der Kämpfe von 1866 statt. In Trautenau hielt der Stadtdechanl Hoff­man» vor einer zahllosen Menge von Oest- reiche.ru und Reichsdeutschen eine ergreifende Ansprache, in welcher er die auf Gräbern Gefallener herrlich erblühte Palmen des Friedens pries und den Allmächtigen anflehte, 'er möge das heilbringende Bündnis von

Oestreick und Deutschland und ihrer Herr­scher auch ferner segnen. Unzähliche Kränze wurden auf den Gräbern niedergelegt.

Hlom, 28. Juni, 4 Uhr 20 Min. Die Kammer war heute anläßlich der Diskussion der auswärtigen Politik der Schauplatz empören­der Exzesse. Zwischen den Depmirten der äußersten Linken und denen der Regierungs­partei fand eine förmliche Schlacht statt, worin viele Deputate, darunter Cavallotti, total durch­geprügelt wurden. Die Tribünen des Hauses wurden geräumt. Die Kammer ist vertagt.

Wie ans Hdessa gemeldet wird, haben die Lehrer, die in Rußland an deutsche» Schulen beschäftigt sind, von dem Unter­richtsminister die Weiuwg erhalten: wenn sic bis zum September 1892 keine genügende Prüfung in der russischen Sprache abgelegt hätten, würden sie von ihrem Posten entlassen.

San Kranzisco, 29 Juni. Eine Reihe stärkerer Erderschütterungen, die von unter­irdischem Getöse begleitet waren, wurden heute morgen in San Josö (Californien) verspürt. Der erste Stoß verursachte ein Schwanken des 240 Fuß hohen Leuchtturmes, wodurch eine Panik unter den Einwohnern entstand. Ein im Bau begriffenes Gebäude stürzte ein, mehrere andere gerieten in Schwankungen.

Lokales.

Wikdbad. Im Monat Juni wurden im hiesigen Schlachthause 29 Stück Ochsen, 2 Stück Kühe, 142 Stück Kälber, 56 Stück Schweine und 23 Stück Schafe, zusammen 252 Stück, geschlachtet. Von auswärts wur­den an Fleisch 3894 Pfund eingeführt.

Drei Monate Jalirikarbeiter und Kandwerksbursche.

Einen neuen Weg im Studium der so­zialen Frage hat der Kandidat der Theologie und Generalsekretär des evangelisch sozialen Kongresses Paul Göhre betreten. Davon aus­gehend, daß zu einer richtigen Auffassung der sozialen Frage vor allem notwendig sei, eine genaue Kenntnis vom Leben und Tre>ben des sogen. 4 Standes, der Arbeiter und ihrer Verhältnisse, und in Anbetracht dessen, daß uns eine der Wirklichkeit entsprechende Vor­stellung vom Leben und Treiben der Ar­beiter unter sich, immer noch fehlt, hat er sich entschlossen und ist unter die Arbeiter gegangen, ist selbst einer der Ihrigen geworden. Nichts hat er versäumt, um ein möglichst wahrheitsgetreues vollständiges Bild vom Ar­beiterleben zu erhalten; er suchte seinen Vor­satz so gründlich wie möglich zur Durchführung zu bringen. Die Ergebnisse dieser Studien hat Göhre nun in einem Buche zusammenge­stellt. (Drei Monate Fabrikarbeiter, Grunow, Leipzig) und dies bietet in der That so viel Beachtenswertes, daß es sich wohl lohnt, sich eingehender damit zu beschäftigen. Unser be­schränkter Raum gestattet uns allerdings nur, die Ergebnisse und Forderungen, zu denen Göhre kam, unser» Lesern mitzuteilen. Erjagt: Ich glaube eines vor allem bewiesen zu haben, daß die Arbeiterfrage keine bloße Plagen- und Lohnfrage, sondern auch eine BilvungS- und religiöse Frage ersten Ranges ist. Auch wenn die weitesten Arbeiterkreise die höchsten Löhne und das beste Auskommen hätten, würde sie, vielleicht in anderer Gestalt, aber doch exi­stieren. Die Lohnfrage ist nach allen meinen Erfahrungen nur einer, nicht einmal der be­deutendste, gewöhnlich nur der anstoß-, keines­falls der ausschlaggebende Faktor der Be-