Amts- md Auzeige-Dtatt für Wildbad md Umgebung.

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Samstag,

2 t- März 1891

27. taki'gLng.

Wochen - Rundschatt.

Am Mittwoch ist die württemb. Kammer der Abgeordneten in die Osterferien gegangen und wird ihre Sitzungen am Oster­dienstag Nachmittag wieder aufnehmen. Den Lehrern Württembergs haben die Abgeordne­ten noch einen hübschen Osterhasen geschenkt, indem sie für die Aufbesserung der Lehrerge­halte noch erheblich mehr verwilligten als die Regierung gefordert hatte. Es war aber auch sehr notwendig, daß man sich endlich der Lehrer erbarmte. Freilich ist die Aufbesserung setzt noch nicht definitiv beschlossen; denn ver­fassungsgemäß kann die Kammer keine höheren Ausgaben bewilligen, als die Regierung ge­fordert hat, aber nachdem die Kammer mit überwältigender Mehrheit ihre Geneigtheit zu der Mehrbewilligung ausgesprochen hat und auch die Staatsregierung ihr Wohlwollen gegen­über den Lehrern bekundete, so wird eine entsprechende Nachexigenz nicht lange auf sich warten lassen. Die volksparteiliche Presse des Landes hatte in der letzten Zeit den Staatsminister des Innern heftig angegriffen, weil er einige von ihm gesprochene Worte gegen Konrad Haußmann aus dem stenogra- graphischen Kammerprotokoll gestrichen und so sich einer Art von Fälschung einer öffentlichen Urkunde schuldig gemacht habe. In der Kammer wurde aber bewiesen, daß an dem stenographischen Kammerprotokoll bezüglich der Rede des Herrn Ministers des Innern über­haupt nichts geändert und noch weniger ge­strichen worden war. Die schweren, gegen den Herrn Minister v. Schmid gerichteten Be­schuldigungen fallen also mit doppelter Wucht auf die falschen Angekläger zurück.

Das wichtigste Ereignis der letzten Woche ist unstreitig der Tod des Zentrumsführers Windthorst, der am letzten Samstag früh in Berlin den Folgen seiner parlamentarischen Uebcranstrengung im Alter von etwas über 79 Jahren erlegen ist. Windthorst war ein Meister parlamentarischer Gcschäftsroutine und wußte durch seinen schlagfertigen Witz ebenso die Parlamente, zu fesseln als die großen Massen der katholischen Kirche zu begeistern; aber weniger . durch eine großartige staats- männische Auffassung der Dinge als durch die Skrupellosigkeit tn-der Auswahl seiner Mittel und mehr noch durch die Uneinigkeit der pro­testantischen Abgeordneten, im Reichstag nnd preußischen Landtag erreichte er große Erfolge. Lange Jahre hinvurch machte er dem Reichsgedanken die größten Schwierig­keiten und half im Bunde mit Fortschrittlern und Sozialdemokraten die Regierung nieder­stimmen, so oft dies überhaupt möglich war. Als aber wesentlich auf sein Betreiben der

sogenannte Kartellreichstag bei den Neuwahlen zertrümmert war, fand Windthorst es für seine kirchenpolitischen Zwecke nützlicher, sich nunmehr als Führer einer regierungsfreund­lichen Mehrheit aufzuthun und womöglich noch größere Heeres- und Marineausgaben zu be­willigen, als dies je vor ihm die sogenannten Kartellparteien gcthan hatten. Windthorst suchte niemals seinen persönlichen Vorteil, aber immer trieb er Schacherpolitik. Was er dem Reiche oder dem preußischen Staat an not­wendigen Gesetzen und Ausgaben verwil- ligtc, that er niemals ohne eine Gegen- Konzession der Regierung für die katholische Kirche. Einen ebenbürtigen Nachfolger wird er in seiner Fraktion nicht finden und da er auch allein es war, der die konser­vativen und demokratischen Elemente mit allen dazwischen liegenden Schattierungen in der Centrumspartei zusammenzuhalten verstand, so wird letztere, wenn auch nicht alsbald, so doch in absehbarer Zeit auseinandcrfallen müssen.

Die österreichischen Reichsratswahlen sind nun sämtlich vollzogen. Der österreichi­sche Ministerpräsident Graf Taaffe dürfte zwar entgegen anderweitigen Meldungen zufolge im Amte bleiben, aber seine bisherigen Versuche im neugewählten Reichsrat eine sichere Regier­ungsmehrheit von vornherein zusammenzu­bringen, sind bis jetzt gescheitert, weshalb er von Fall zu Fall" d. h. für jede einzelne Regierungsvorlage sich eine Regierungsmehr­heit, das eine Mal auf der Linken, das andere Mal auf der Rechten, zusammensuchen will, ein Experiment, das bekanntlich nicht einmal dem Fürsten Bismarck für die Dauer gelang.

Die Franzosen haben durch den am letzten Dienstag in Rom erfolgten Tod des Prinzen Napoleon einen Thronprätendenten verloren, dem sie aber schwerlich eine Thräne nachweinen werden, obgleich derrote Prinz" ein richtiger französischer Windbeutel war, sowohl in der Politik wie als Soldat und wie in seinem Privatleben. Ungleich wichtiger für die Franzosen als dieser Todesfall ist der Umstand, daß aus Paris ein Bankier nach dem andern ntit kolossalen Summen verun­treuter Gelder seiner Klienten verduftet, und daß nun ' auch eine der größten Pariser Banken, die Socistö'de >d^PSts sich genötigt sieht zu liquidieren.

Die' Engländer sehen sich in einen neuen Streit mit'Portugal verwickelt. Da die Engländer den Portugiesen in Südafrika keine weiteren Konzessionen machen wollen, so helfen 'sich letztere in Südafrika selbst, indem sie einfach keine Engländer mehr in das von ihnen beanspruchte Gebiet hereinlassen. Ein englisches Handelsschiff, das mit mehreren Vertretern der englisch - ostafrikanischen Gesell­

schaft den Krokodilfluß hinauffuhr, wurde, weil es auch Waffen und Munition an Bord hatte- von den Portugiesen wcggenommen. Die Antwort der Engländer auf diese Gewalt- that wird nicht lange ausbleiben.

In Italien sind mehrfache Arbeiter»«» ruhen vorgekommen, wobei namentlich in Li­vorno die Polizei mit Waffengewalt einschrei- ten mußte. Auch in Rom und Neapel, ebens» in Verona, Venedig und Mailand gährt eL unter den beschäftigungslosen Arbeitern.

Der russische Zar scheint nun doch in der Vergewaltigung Finnlands durch seine Generale und Beamten ein Haar gefunden zu haben. Er hat sich wider Erwarten ver­anlaßt gesehen, dem finnischen Volke mitzu- teilcn, daß er dessen politische Rechte nicht verletzen wolle. Großes Aufsehen erregt der Üebcrtritt der Gemahlin des Großfürsten Sergius, einer hessischen Prinzessin, zur ruffisch­orthodoxen Kirche.

Im chilenischen Bürgerkrieg machen die Aufständischen immer weitere Fortschritte und sind nunmehr im Besitze einer ganzen Provinz. Allein von einem baldigen Ende des Bürger­kriegs ist noch immer keine Rede.

Württemberg.

Stuttgart, 18. März. Das 3. u. 8. Infanterie-Regiment, welche aus dem am 18. März 1716 errichteten Infanterie- RegimentAlt-Württemberg" hervorgegangen sind, feiern heute das Fest ihres 175jährigen Bestehens. Zu dieser Feier haben Se. Kgl. Mas. dem 3. Infanterie-Regiment Nr. 121 in Ludwigsburg durch Se. Kgl. Hoheit den Prinzen Wilhelm von Württemberg persönlich die Allerhöchsten Glückwünsche übermitteln lassen und das 8. Infanterie-Regiment Nr. 126 in Straßburg telegraphisch zu beglück­wünschen geruht, wobei Se. Majestät der Ueberzeugung Ausdruck gaben, daß das Re­giment, eingedenk seiner glorreichen Vergangen­heit auch in der Zukunft mit der gleichen Treue und Hingebung seine Pflicht erfüllen und sich des alten Ruhmes und Rufes würdig zeigen werde. Zugleich haben Se. Mäj. 'ver­fügt, daß das Jnf.-Regt. Nr. 121 fortän die BezeichnungAlt - Württemberg" ' zu'- 'führest habe, rrnd einer Anzahl von Offizieren üstv Unteroffizieren der beiden Regimenter Aus­zeichnungen zu verleihen geruht. ' ' '

18 März. Wegen Ablebens Se. Kais. Hoh. des Prinzen Napoleon ist Hof­trauer von heute, an auf 3 Tage in vierter Abstufung der Hoftrauerordnung ungeordnet worden.

Stuttgart, 13. März. (Landtag.) Heute :am in der zweiten Kammer der Kultusetat