476
UnkkrkhMkndtS.
Die Tochter der Verstoßeneu
Von C. Marold.
(Nachdruck verbot). sSj (Fortsetzung.)
Gedankenvoll sah Gertrud bei den glücklichen Worten Astas in die Ferne; ihr Herz war schwer und traurig, und als nach kurzer Zeit Eberhard sich ihnen anschloß, ging sie ernst neben der fröhlich scherzenden Gesellschaft, ohne sich an ihrem Gespräche zu beteiligen.
Ihr war der Gedanke schwer, aus dem alten Hause fortzugehen, das sie durch ihre Mutter so liebte und das nun auch ihr heimisch zu werden begann. Sie hatte sich mach des Onkels Rat umgesehen und so manche Arbeit gefunden, die den Dienstboten überlassen war und doch ein sorgsameres Auge und eine geübtere Hand verlangte. Die großen Wäscheschränke standen jetzt unter ihrer Aufsicht, und mancher freundliche Blick des Oheims hatte sie belohnt, wenn sie mit dem großen Schlüsselbund davorstand und die Wäsche sorgsam verwahrte oder ein feines Damasttuch künstlich ausbesserte. Und die Morgenstunden bei dem Onkel! Wie holte sie sich in denselben Kraft für den ganzen Tag, wie half des Onkels gütiges Auge, das milde Streicheln seiner Hand ihr über so manche Kränkung hinweg, welche die herzlose Förmlichkeit der Tante ihr bereitete. Sie fühlte es wohl, daß sie dem Herzen derselben nicht näher gekommen war. Im täglichen Verkehre mit ihr, hatte sie oft Gelegenheit gehabt, das Zartgefühl zu bemerken, mit dem Eberhard immer einzulenken und zu beschwichtigen wußte, wenn der Mutter Worte gar zu kalt und förmlich klangen. Ihr Herz war ihm dafür dankbar, und — ob sie ihn nicht auch vermissen würde? Zwar, als er nach ihrer Ankunft begann, auch alle Morgen mit seinem Vater zu frühstücken, da war j ihr das gar nicht recht gewesen Aber sie hatte nichts gesagt und mußte es doch im Grunde nur für richtig halten, wenn Eberhard sich pünktlich zu den Kontorstunden ein- sand. Und mitten in ihre Gedanken tönten jetzt ganz dazu passend Eberhards Worte: „Wie wird Papa Sie vermissen, Kousine Genrud! Wie einsam wird es uns sein, wenn statt Ihrer lieben Erscheinung der alte Friedrich wieder des Morgens sein Amt übernimmt."
Gertrud sah ihn träumerisch an. „Ob cs für mich nicht noch schwerer ist, diese kostbare Stunde entbehren zu müssen?" fragte sie gedankenlos.
Ueber Eberhard's Gesicht flog ein freudiges Aufleuchten. „Dank, Kousine, für dieses Wort, das mir sagt, daß auch Sie uns nicht vergessen werden," sagte er leise. „O, sehen Sie mich nicht so stolz, so abweisend an! Lassen Sie Ihren Mund nicht wieder Worte sprechen, von denen ihr Herz nichts weiß.! Wohl zur Genüge müssen sie erkannt haben, wie treu ich es mit Ihnen meine, und ich bitte Sie, lassen Sie mich heute mit dem Bewußtsein von ihnen scheiden, daß Sie mir jene bösen Worte vergeben haben.
Sie reichte ihm langsam die Hand. „Ich verzeihe Ihnen, Eberhard," sprach sie mit stockender Stimme, „oft genug habe ich empfunden, wie Ihr gutes Herz sich bemühte, mir zu helfen, und ich weiß, daß ich Ihnen viel Dank schuldig bin. Wenn ich trotzdem Ihre harten Worte nicht vergessen konnte, so bedenken Sie, daß es das Heiligste war, was Sie schmähten, das Andenken meiner geliebten Eltern. Mein Vater kann sich nicht mehr
rechtfertigen, ich — vermag es auch nicht; aber ich fühle mit Schmerz jenes Wort, das ihn in seinem Grabe noch kränkt. O, wenn Sie ihn gekannt hätten, Eberhard, wie er so dankbar und treu, so edel und selbstlos war!"
Thränen erstickten ihre Stimme. Eberhard sah voll Teilnahme auf das junge Mädchen, das zum ersten Male seine Freundschaft nicht zurückwies, sondern ihm in ihren Worten Beweise des von ihm so lange ersehnten Vertrauens gab.
7.
Im wunderschönen Monat Mai Als alle Vögel sangen.
Da Hab' ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen. Heine.
Die Uebersiedelung der Familie in die Villa des Kommerzienrats war erfolgt. Düs Wetter war schön, und wie ein munteres Vögelchen tummelte sich Asta zw schen den Beeten und in den weilen Alleen des Gartens. War Gertrud auch viel stiller als Asta, so waren doch die beiden Kousinen unzertrennlich, und Frau Dalburg mußte sich daran gewöhnen, entweder allein oder mit beiden Mädchen zusammen zu sein. Kamen des Abends die Herren aus der Stadt, dann herrschte allgemeine Fröhlichkeit. Mit Eberhard kam meistens Hochheim und auch Harder hatte ihn schon einige Mal begleitet. Frau Dalburg konnte sich der munteren Stimmung nicht entziehen; sie freute sich mit ihren Kindern und war nur verstimmt wenn Harder miterschien. So war es auch gestern gewesen. Asta hatte glückstrahlend ausgesehen und die mißbilligenden Blicke ihrer Mutter nicht bemerkt. Als die Mädchen sich dann zur Ruhe begeben hatten, da war Asta der Kousine um den Hals gefallen mit den jauchzenden Worten: „Gertrud, er liebt mich, er hat es mir heute gesagt. O, wie bin ich glücklich, wie liebe ich ihn doch über alle Maßen!"
Lange hatte dann Gertrud an Astas Bett l gesessen, die immer noch mehr erzählen wollte, bis endlich der Schlaf ihre Augen schloß.
Wo blieb sie denn heute so lange? Sie hatte der Mutter noch einige Blumen holen, müssen, aber davon mußte sie doch längst zurück sein. Gertrud klopfte an Astas Thür. Als sie keine Antwort erhielt, öffnete sie dieselbe. Da saß Asta, die dunkeln Augen ins Leere gerichtet, ohne sich zu regen.
„Asta!" rief Gertrud angstvoll, „was fehlt Dir?"
„Du bist es, Gertrud?" erwiderte Asta tonlos und strich sich mit der Hand über ihr wirres Haar. Sie sah sie einen Augenblick starr an, dann sagte sie langsam: „Weißt Du noch, wie glücklich ich gestern war? Nun ist alles vorbei, vorbei!" schluchzte sie auf. „Weißt Du, was es heißt, wenn das Glück zu Ende ist?"
„Aber, Asta, ich beschwöre Dich, weshalb?"
„Weshalb? Ja sieh', ich soll Benno Hochheim heiraten, weil es seit Jahren so bestimmt ist. O, wie ich ihn hasse, diesen langweiligen Schwätzer, diesen Gecken!" Sie drückte das Gesicht in die Kissen und weinte bitterlich.
(Fortsetzung folgt.)
B ermisch 1 es.
— Nach den Ergebnissen der jüngsten Volkszählung gibt es in Württemberg 31 Städte mit über 5000 Einwohnern. Es sind dies, der Größe nach geordnet: 1) Stuttgart mit 139 659; 2) Ulm 36 210 3) Heilbronn 30226; 4) Eßlingen 22 085 5) Cannstatt 20411; 6) Reutlingen 18665; 7) Ludwigsburg 17 429; 8) Gmünd 16806; 9) Göppingen 14194 10) Tübingen 13235;
11) Ravensburg 12 322; 12) Tuttlingen
10 194; 13) Hall 9049; 14) Biberach 8259; 15) Heidenheim 7834; 16) Aalen 7091; 17) Rottenburg 7027; 18) Rottweil 6906; 19) Kirchheim u. T. 6900; 20) Ebingen 6850; 21) Backnang 6700; 22) Schwenningen 6520; 23) Freudenstadt 6284; 24) Schramberg 6186; 25) Feuerbach (Pfr.Drf.) 5940; 26) Baiers- bronn (Pfr.Drf) 5906; 27) Geislingen 5749; 28) Weingarten 5728; 29) Pfullingen 5587; 30) Nürtingen 5490 und 31) Mezingen mit 5356 Einw. — 26 Städte im deutschen Reiche haben über 100 000 Einwohner und zwar: 1) Berlin 1574 485; 2) Hamburg 570 430; 3) Leipzig 353 272; 4) München 334 710; 5) Breslau 334 710; 6) Köln 282 537;
7) Dresden 276 085; 8) Magdeburg 201 913; 9) Frankfurt a M. 179 660; 10) Hannover 163 100; 11) Königsberg 161149; 12) Düsseldorf 145 738; 13) Altona (mit Ottensen) 144 636; 14) Nürnberg 142 404; 15) Stuttgart 139 659; 16) Chemnitz 138838; I7) Elberfeld 125 830; 18) Bremen 124 940; 19) Straßburg i.E. 123 566; 20) Danzig 119 714; 21) Barmen 116 192; 22) Stettin 116000; 23) Krefeld 105 000; 24) Aachen 103 000 (?); 25) Halle a. d. S 101277; 26) Braunschweig 100 833. Die Zahl der Städte mit über 100 000 Einwohnern ist nn letzten Lustrum von 21 auf 26 gestiegen, die Zahl der Städte von 50 bis 100 000 ist voraussichtlich auf 23 stehen gebli.ben, die Zahl der Städte mit 20 bis 50 000 dürfte von 82 auf 100 gestiegen sein. Außerdem hat Deutschland etwa 8 Dörfer mit über 20 000 Einwohnern.
— Einer Frau, die auf dem vierten Rang des Hoftheaters in Karlsruhe eine Wurst aß, entglitt das offene Messer und fiel ins Parquett zum Glück neben eine nichts ahnende Dame. Man kann sich den Schreck der letzteren vorstellen, als sie gewahr wurde, in welcher Lebensgefahr sie eben war.
— In dem niederbayr. Orte Sch am b ach stachen, wie die Fr. Z. berichtet, in der kath. Pfarrkirche während eines Festgottesdienstes Feiertagsschüler im Streit mit Messern aufeinander. Die Kirche wurde deshalb geschlossen und wird nun aufs Neue eingeweiht.
— Ueber ein schreckliches Drama wird dem Pariser „Petit Journal" aus Jssoire vom 10. Dezember, wie folgt, berichtet: Die Gemeinde von Saint-Donat ist in die größte Aufregung versetzt. Am vorigen Sonntag Abend gegen 6 Uhr kehrten zwei junge Eheleute, Herr Montel, 23 Jahre alt, und seine 18 Jahre alte Gattin Marie Consteix in Begleitung der Hochzeitsgäste von einem Spaziergang in der Umgebung in ihr heimatliches Dorf zurück. An der Spitze des Zuges ging, wie es in den kleinen Dörfern noch Sitte ist, ein Spielmann. Plötzlich fiel aus einer Hecke ein Schuß und der junge Gatte siel zu Boden. Während noch die Gäste laut aufschrieen, fiel ein zweiter Schuß und die junge Frau stürzte auf den blutenden Leichnam ihres Mannes. Der Mörder, der, im Gebüsch sich verbergend, das Vorübergehen des Zuges abgewartet hatte, entfloh, ohne daß es jemanden möglich gewesen wäre, sein Gesicht zu sehen. Die Hochzeitsgäste, gelähmt vor Schreck, konnten nicht an die Verfolgung denken. Nachdem sie sich ein wenig erholt hatten, ichaffte man die beiden Leichen auf einem herbeigeholten Wagen in das Dorf, woselbst sie, noch ange- than mit ihrem Hochzeitsstaat, auf die Betten gelegt wurden. Die gesamte Einwohnerschaft betrauert die beiden unglücklichen Opfer. Es wurde sofort ein? Untersuchung eingeleitet und lder erste Verdacht lenkte sich gegen einen > 22jährigen gewissen Marauche, her aus dem-