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haben im Laufe »des Vormittags die Arbeit eingestellt. 9000 Arbeiter versammelten fick Mittags, gingen aber ruhig wieder aus einander, als der Polizeibeamte erklärte, die Versammlung sei nicht angemeldet worden, daher gesetzwidrig.
— Nach einer im Haag eingegangenen amtlichen Meldung kam es am 29. April bei Edi (Atchin) zwischen den holländischen Truppen und etwa 200 Atchinesen zu einem Zusammenstoß, bei welchem auf Seiten der Holländer 9 Mann verwundet wurden. Die Verluste der Atchinesen betrugen 7 Tote und 40 Verwundete.
— Die Lage des belgisch-französischen Grenzgebietes ist bedrohlichst. 60 000 streikende Arbeiter erzwangen die Schließung sämtlicher Fabriken, mißhandelten die Fabrikherren und deren Beamte. Die Bewegung ist anarchistischen Charakters. Die militärischen Maßnahmen sind ungenügend.
Wriissek, 3. Mai. Mehrere Tausend ranzösische Ausständige von Tourcving nnd Roubaix durchzogen verwüstend und raubend die Dörfer. Der Zug nahm den Weg zur belgischen Grenze. Die Bevölkerung ist sehr beunruhigt.
Aaris, 4. Mai Exkaiser Dom Pedro von Brasilien ist ernstlich leidend; er soll von der fixen Idee geplagt werden, er werde Hungers sterben müssen.
Italien. Ueber 1100 demokratische und republikanische Vereinigungen werden bei dem Kongreß am 11. Mai in Rom vertreten sein. Das Programm enthält: Aeußere Politik: Friede mit allen Völkern, Nichterneuerung des Bündnisvertrags mit den Zentralmächten, Verminderung der Militärkosten, Revision des Art. 5 der Verfassung betr. Kriegserklärung und Friedensschließung, die der nationalen Souveränetät Vorbehalten bleiben sollen. Im Innern: Diäten für die Abgeordneten, große Verwaltungs-Reformen. Die Frage der Regierungsform wird nicht berührt.
Hlom, 5. Mai. Heule wurde das nationale Schützenfest bei Ponte Molle unter großen Feierlichkeiten eröffnet. Die Stadt ist reich beflaggt. Viele ausländische Schützen aus der Schweiz, aus Frankreich und Dänemark sind erschienen. Frankreich sandte allein 80 Mann; aon deutschen Festgästen bisher nichts bekannt. — In Turin sind noch mehrere Verhaftungen von Sozialisten vorgenommen. — In Sampierdarena brachen gestern Arbeitertumulte aus, vie rasch unterdrückt wurden; sonst ist Italien wieder völlig ruhig.
London, 3. Mai. Nach einer Meldung der „Times" aus Paris steht die Aufhebung des Paßzwanges unmittelbar bevor.
London, 29. April. Drei junge Walfische, von welchen der größte etwa sieben Meter lang war, tauchten heute in der Themse oberhalb Westminster auf. Eine sofort auf dieselben angestellte Jagd blieb erfolglos, und mit eintretender Ebbe schwammen die Tiere wieder flußabwärts, von vielen Personendampfern vcrfolt und von einer nach Tausenden zählenden Menge den Quais entlang und von den Brücken herab beobachtet.
London, 2. Mai. Während der Eröffnung der internat. Ausstellung in Edinburgh durch den Herzog und die Herzogin schlich sich ein Dieb in das Zimmer des Herzog im Balmoral-Hotel und entwendete aus einer Schatulle dessen Juwelen, bestehend aus Ringen, Hemdenknöpfen, Busennadeln u. s. w. Der Wert der gestohlenen Artikel beträgt angeblich 20 000 Mark.
San Arancisko, 3. Mai. Es haben hier 1200 Tischler und 750 Mühlenarbeiter
die Arbeit eingestellt. Dieselben fordern den achtstündigen Arbeitstag.
Sansibar, 30. April. Major Wißmann hat am Dienstag Bagamoyo mit zahlreichen Truppen verlassen, um Kilwa zu unterwerfen.
Hiesiges.
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Tnkrchalikndks.
Sein Kind.
In dem großen, hübsch eingerichteten und behaglich durchwärmten Gemach, in welchem eine Hängelampe ihr Helles Licht verbreitete, war Niemand als eine Frauengestalt in schwarzen Kleidern, die unbeweglich am Fenster saß und in die sternflimmernde Winternacht hinaussah.
Noch einige Minuten, dann hörte Anna die Küchenthür in's Schloß weifen und draußen den Schlüssel umdrehen. Sie war allein. Es durchschauerte sie bei dem Gedanken. Allein. Jetzt und künftig und durch ihr ganzes Leben. Thränen hatte sie nicht mehr: sie waren alle weggeweint seit dem Tod der Mutter; aber ihr Herz, das doch gewöhnt war, zu verlieren und zu entsagen, zuckte in bitterem Weh. Hatte sie mit der lieben Mutter doch eben Alles verloren! Sie legte die Hand über die Augen und saß in schmerzliches Sinnen versunken, während der Zeiger der Uhr fortwährend Viertelstunde um Viertelstunde wies. Vor ihrer Seele stiegen die Bilder alter Zeiten auf, als das Haus voll munteren Lebens war, sie selbst darin ein glückliches Kind, und ein froh aufblühendes Mädchen. Sie sah im Geiste den Weihnachtsbaum, der so manchesmal in diesem Zimmer gebrannt hatte, und die lieben heitern Gesichter der Eltern, die sich an der Lust der Kinder freuten.
Der Vater war zuerst gestorben, dann in kurzen Zwischenräumen beide Brüder. Aber die Mutter war ihr geblieben, und sie hatten
Glück, selbst wenn es anpochen will, keine Pforte mehr offen findet. Und was für ein Glück konnte es denn noch geben für die Einsame? Sie war aufgestanden, um zu dem Schreibtisch zu treten, über dem das Bild der Mutter hing, und streifte im Vorübergehen mit flüchtigem Blick den Spiegel. Ein bleiches Gesicht sah ihr daraus entgegen, in das der Schmerz seine Linien gezeichnet hatte. Die Augen waren müde eingesunken, durch das goldbraune Haar zogen sich weiße Streifen. Fern, fern hinter ihr lag die Zeit, wo die Augen in Lebenslust geglänzt hatten und sie jung und frisch g ewesen war, wohl auch begehrenswert; denn mehr als ein wackerer Mann hatte um sie geworben. — „Ich wollte, Anna, Du könntest Dich zum Heiraten entschließen."
Die Mutter hatte es oft mit leiser Klage gesagt, und die freundlichen Mutterworte sielen ihr wieder ein, wie sie jetzt vor dem Schreibtische stand und zu dem Bild hinaus sah.
Warum sie sich dennoch nie hatte entschließen können? Man kann nicht heiraten, wenn man kein Herz zu vergeben hat, und das ihrige war seit früher Jugend nicht mehr sein eigen gewesen. > Es hatte, so lange sie denken konnte, dem Jugendfreunde gehört in schwesterlicher Neigung zuerst und dann in heißer, nicht zu bezwingender Liebe. Sie waren als.Nachbarskinder geschwisterlich ausgewachsen und schon in ihren Kinderträumen gab es keinen Schöneren und Besseren, als Fritz Eckhardt. Dann war er jahrelang fortgewesen, und als er heimkam, schön und gut, wie ehemals und so stolz und männlich dazu, da wußte sie, daß sie ihn liebte, und allezeit nur ihn lieben würde. Ihr Herz war thöricht in seiner Treue; es wollte nicht von ihm lassen, trotzdem diese Liebe von Anfang an nichts war, als ein langer Todeskampf. Er liebte sie nicht; es fiel ihm nicht ein, in ihr etwas anderes zu sehen, als die Gefährtin der Kindheit, und ihr Mädchenstolz behütete ihr schmerzliches Geheimnis so gut, daß keine Ahnung deslelben ihn je erreichte. Dann war er fortgegangen in ein fernes Land, und sie hatte ihn nicht wieder gesehen.
Sie setzte sich an den Schreibtisch und nahm einen Kasten heraus, in dem sie bewahrte, was ihr an teueren Andenken aus jener Zeit geblieben war: Bilder und kleine Geschenke, trockene Blumen und wenige vergilbte Briefe. Zuletzt zog sie aus dem Grunde des Kastens eine Anzahl Blätter mit verblaßter Schrtft hervor. Es waren Verse — ihre eigenen — und bei ihrem Anblick flog es wie der Schein eines Lächelns über das traurige Gesicht. Wie jung und thöricht war sie doch gewesen!
Sie hat nicht anders gekonnt, selbst dann noch nicht, als die spärlichen Briefe seltenerund seltener wurden und endlich ganz ausblieben, während sie Tag und Nacht an ihn dachte, um ihn sorgte, für ihn betete. Da war noch manches Blättchen, das für ihn Zeugnis ablegte. Dann hatte jahrelang nichts mehr von ihm gehört und endlich kam noch einmal eine Nachricht —- die Anzeige seiner Verlobung, begleitet von wenigen herzlichen Worten ffkr die „liebe alte Freundin "
Wie traurig war doch das Alleinsein in weiten Wohnung! Die Stille um sie her beklemmte sie, und sie erschrack bei jedem Tone, der von der Straße hereindrang. —
Ein Wagen fuhr die Straße entlang und hielt vor dem Hause. Tritte kamen die Treppe herauf; vielleicht wurde der Arzt, der
sich einander aufgerichtet und für einander gelebt. Jetzt lag ihr Leben in Trümmern, und über ihr wohnte, zu einem Kranken gerufen, aus den Scherben ließ sich kein Ganzes mehr 1 Jetzt schien es, als hielten sie vor ihrer Thür, formen. Sie war in dem Alter, wo daZWas klopft ihr Herz plötzlich so laut?