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Uro. 37.
Mittwoch, 7. Mai 1890
26. iLkngang.
Württemberg.
— Aus dem württemb Landtag. Nach tagelangen Debatten ist die Kammer der Abgeordneten endlich mit den Beratungen über die Abänderungen zum Steuergesetz von 1852 zu Ende gekommen. Der Hauptstreitpunkt war derjenige, ob die Erben zur Nachzahlung des dreifachen Betrages der vom Erblasser nicht entrichteten und nicht verjährten Steuer verpflichtet sein sollen, oder nur zu der einfachen Nachzahlung. Der Sieg, wenn auch nur mit ganz geringer Majorität (42 gegen 40 Stimmen) blieb schließlich auf Seiten des Entwurfs und der dreifache Steuerbetrag wurde angenommen.
— Beim Trainbataillon zu Ludwigsburg sind am Samstag ca. 90 Mann zu einer halbjährigen Hebung einberufen worden.
Keikbronn, 5. Mai. Ein merkwürdiger Fund wurde hier dieser Tage in einem im Abbruch begriffenen Hause der Sülmerstraße gemacht. Man fand nämlich im Dachraum zwischen einem Kamin und einem Dachsparren eingeklemmt mehrere Päckchen Pulver und scharfe Patronen, Alles in einem Schw. Merkur vom Jahr 1848 eingewickelt. Die Patronen hatten die vor ca. 40 Jahren gebräuchliche Form mit kurgelförmigem Bleigeschoß, das in ein Stückchen Tuch eingewickelt war. Da das Packet mit Mörtel sorgfältig verstrichen war, so konnte man dessen "Anwesenheit nicht ahnen. Ohne Zweifel wurde diese Munition im Jahre 1848 hier versteckt und es ist nur ein Glück zu nennen, daß das Kamin an dieser Stelle in gutem Stand war, da andererseits leicht eine gefährliche Explosion hätte entstehen können.
Meutlingen, 4. Mai. Gestern starb hier ein 18jähriger junger Mensch infolge Genusses von Rattengift, das er sich aus der Apotheke gegen vorschriftsmäßige Hinterlassung seiner Unterschrift unter dem Vorwände, Natten töten zu wollen, verschafft hatte. Der Vergiftete war geistig unzurechnungsfähig, und hat schon mehrere Male den Versuch gemacht, sich durch Ertrinken und Oeffnen der Pulsader das Leben zu nehmen.
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Aurkach, 3. Mai. Vor einigen Tagen wurde der in der hiesigen Kistenfabrik ange- stellte Ausseher wegen verschiedener Vergehen gegen die Sittlickikeit verhaftet und in das hiesige Amlsgefäng'nis verbracht.
Keideklierg. Im „Sanatorium" von Schwenninger in Heidelberg sind dieser Tage zwei türkische Aerzte von Konstantinopel angekommen, welche vvn-i Herrn Professor Dr. Schweninger bereits seit einigen Monaten unterrichtet wurden und nunmehr einen praktischen Kursus durchmachen werden. Nach
ihrer Rückkehr nach Konstantinopel werden dieselben als Assistenzärzte des Herrn Professor Dr. Schwenniger nnd Leibärzte Seiner Maj. des Sultans fungieren und Se. Maj. nach der Methode des Herrn Prof. Dr. Schwenninger behandeln.
Köln, 5. Mai. Infolge eines hier ausgebrochenen Brauerstreiks fand am Samstag Abend ein großer Krawall in der Brauerei Alteburg statt. Die Ausständigen demolierten die Wohnung des Direktors und mißhandelten denselben. 7 Personen wurden verhaftet.
Derlin, 5. Mai. Der Reichsanzeiger schreibt: Die zu erwartende Militär-
Vorlage bezweckt die notwendig gewordene Verstärkung der Feld-Artillerie durch die Formation von 70 Batterien mit Abteilungsstäben, außerdem die Ergänzung der beiden neu errichteten zwei Armeekorps an Spezialtruppen. Ferner stehen in Aussicht Etats- Erhöhungen bei der Infanterie und Kavallerie an der West- und Ostgrenze, welche bei Eintritt eines Krieges, ohne die Reserven abzuwarten, an die Grenze vorzurücken und feindliche Einfälle abzuwehren bestimmt sind. Hie- für ist ein höherer Präsenzstand erforderlich. Eine weitere Forderung ist bedingt durch Neuformation einer 5. bayrischen Division. Für Unteroffiziere ist der Einführung von Dienstprämien entgegen zu sehen. Die erforderlichen Ausgaben werden die Summe von 18. Millionen jährlich nicht übersteigen.
— Das „Amtl. Militärwochenblatt" bringt einen sehr bemerkenswerten Artikel, in welchem dringend zur humanen Behandlung der Rekruten ausgefordert wird. Es heißt darin: „Die Gewohnheit brutalen Schimpfens bildet eines der größten Hemmnisse der Ausbildung des jungen Soldaten. Einige Beispiele. Ein Rekrut ist willig, aber schwach und ungelenk und bleibt infolge dessen im Dienst zurück. Wenn nun dieser Mann, statt immer wieder mit Geduld belehrt zu werden, nur Schimpfworte zu hören bekommt, so wird er naturgemäß seinen guten Willen verlieren und infolge oessen auch im Drill mehr und mehr Zurückbleiben. Ein Mann ist körperlich gewandt, hat aber wenig guten Willen. Infolge der ruhigen, wohlwollenden, aber zugleich konsequenten und energischen Behandlung von Seiten des vie Ausbildung leitenden Offiziers besinnt er sich eines Besseren. Er nimmt sich vor mit gutem Willen an die Arbeit zu gehen. Im Begriffe, seinen guten Vorsatz in die That umzusetzen, wird er von einem übelgelaunten Unteroffizier furchtbar angebrüllt und beschimpft. Eine einmalige derartige Behandlung wird den Mann vielleicht noch nicht von seinem guten Vorsatz abbringen, eine mehrmalige aber ganz gewiß. In den Fällen hat also das brutale Vorgehen nicht
genützt, sondern nur geschadet, indem zwei gute Elemente in die Bahn der Halzstarrigkeit gelenkt wurden. Das eben gesagte gilt in noch höherem Grade in Bezug auf Mißhandlungen der Soldaten. Es ist eines edlen Mannes und Offizieres unwürdig, sich an einem Untergebenen thätlich zu vergreifen. Das „Gereiztwordensein" bildet keinen Entschuldigungsgrund, denn erstens muß der Offizier als gebildeter Mann sich beherrschen können, zweitens stehen demselben legale Mittel in hinreichender Zahl zur Verfügung, um seine Autorität ganz zu wahren.
Werlin, 3. Mai. Für das Reichstagspräsidium besteht jetzt folgende Kombination: v. Levetzew (kons.) Präsident, Graf v. Ballestrem (Zentrum) 1. Vicepräsident, Professor Hänel (dfr.) 2. Vicepräsident.
— Die Forderung der Diäten für die Reichstags-Abgeordneten durchzusetzen, werde der neue Reichstag versuchen. Nach einer Zuschrift der „Freist Ztg." erwarte man dies in Württemberg allgemein. Gerade für die entfernt wohnenden Abgeordneten sei die Diäten- losigkeit um so nachteiliger, als nach den parlamentarischen Verhältnissen dieses Jahres die neugewählten Abgeordneten zu zwei Sessionen nach Berlin kommen müssen. Die Diätenlosig- keit der Reichstagsabgeordneten sei auch nur ein Bestandteil des persönlichen Programms des Fürsten Bismarck gewesen. Entsprechend den Ankündigungen des Hrn. v. Caprivi im preußischen Abgeordnetenhause sei die Regierung verpflichtet, auch die Wünsche nach Einführung von Diäten „von neuem zu prüfen und, soweit sie Ueberzeugung von ihrer Durchführbarkeit gewinnt, zu realisieren." — Die Durchführbarkeit kann in diesem Falle nicht zweifelhaft sein.
Kaniburg, 5. Mai. Die Küfer beschlossen in einen allgemeinen Streik einzutreten, wenn die entlassenen Arbeiter nicht bis zum 7. "Mai bedingungslos wieder angenommen würden; sie verlangen 9stündige Arbeitszeit und eine Lohnerhöhung. Die Zimmer- leute beschlossen heute den Ausstand, wenn ihre Forderungen des Ostündigcn Arbeitstages und des Minimallohns von 65 für die Stunde nicht bewilligt würden.
Zöieu. Der am 18. l. M. in Wien verstorbene Privatier Anton Schey, ein überaus einfacher, bescheidener Mann, hat in seinem Testamente die Stadt Wien aufs höchste überrascht, indem er ein Legat im Gesamtbetrag von 600 000 für verschiedene milde Stiftungen, ohne Ansehen der Konfession, vermacht und vorher seine eigenen Verwandten aufs Reichlichste bedacht hat.
Prag, 5. Mai. Die Arbeiter sämmtlicher Maschinenfabriken (Ringhofen ausgenommen)