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geblich. Endlich erbrach man die von innen verschlossene Räucherkammerthür und fand dort zwischen geräucherten Würsten und Schinken die Frau erhängt 'vor. Sie zeigte sich in letzter Zeit auffallend schwermütig.

Hörlih, 31. Dez. Raubmörder Runschke aus Brieg, zu lebenslänglichem Zuchthaus ver­urteilt, ist aus dem hiesigen Zuchthause ent­sprungen.

Breslau, 2. Jan. Auf dem von der oberschlesifchen Eisenbahnbedarf - Aktiengesell­schaft gepachteten KohlenfeldeSchmideschächt" hat die Belegschaft heute die Arbeit eingestellt; über die Forderungen der Arbeiter, 8stündige Arbeitszeit, freies Förderquantum, bestimmte Zusicherung der Lohnerhöhung, sind Verhand­lungen eingeleitct; Ruhestörungen sind nirgends vorgekommen.

Breßöurg, 31. Dez. In Folge herr­schenden Futtermangels ist in Oberungarn ein bedenklicher Notstand eingetreten.

Aus St. Johann an der Saar mel­det die dortige Zeitung, daß im nächsten Jahr ein internationaler Bergarbeiterkongreß in Ber­lin stattsinden werde. Die Anregung dazu sei von dem Londoner Vorstand der Verei­nigten englischen Grubenarbeiter ausgegangen.

Jülich, 2. Jan. Das Züricher Aktien- theotec ist letzte Nacht von Grunv aus nieder­gebrannt.

Brüssel, 31. Dezbr. Der Massenstreik der Bergleute bedroht bereits den regelmäßigen Bahnverkehr; die Zahl der Streikenden über­steigt 20 000.

Brüssel, 31. Dez. Der Massenstreik der Bergleute wächst fortwährend. Die Zahl der Streikenden übersteigt jetzt 30 000. Die Re­gierung erteilte mehreren Regimentern den Be­fehl, sich marschbereit zu halten. Die heutige Vergebung von 30 000 Tonnen Kohlen für die belgischen Staatsbahnen verlief resultatlos, da kein Angebot vorlag. Ein derartiger Fall ist bisher nicht vorgekommen.

Brüssel, 3. Jan. Die Lütticher Berg- leute verübten arge Ausschreitungen. Aus dem Hennegau wird ein neuer Dynamitanschlag ge­meldet.

Lüttich, 2. Jan. In dem Kohlenbecken von sSeraing, in den Gruben von Cockerill und der Gesellschaft Marihaye ist der Streik erklärt worden. Gegenwärtig streiken 1200 Arbeiter, die Lohnerhöhung verlangen; sie ver­halten sich sonst ruhig. In den Kohlengruven am linken Maasufer wird weiter gearbeitet. In Chaleroi ist die Lage unverändert.

Baris, 2. Jan. Die Zahl der Todes­fälle in der letzten Woche des Jahres betrug in Paris 2334 gegen 982 im Vorjahre. Die Influenza ist infolge der rauhen Witterung im Zunehmcn begriffen.

Baron Rothschild hat dem Pariser Munizipalrath die Summe von hunderttausend Francs zur Verteilung an die Opfer der In­fluenza übersandt.

Mom, 2 Jan. Ein sicherer Tankrcdi Vita aus Sizilien schleuderte gestern abend nach beendetem Neujahrsempsang eine mit bren­nender Lunte versehene Büchse vor das Thor des Quirinals. Der Thäter ist verhaftet. Er verweigerte bis jetzt eine Erklärung der Mo­tive seiner That.

B»m, 2. Jan. Wegen Beschädigung der Eisenbahnbrücke bei Roccasecca traf die Kai­serin Friedrich mit ihren Töchtern erst gegen 4 Uhr hier ein. Auf dem Perron warteten außer der italienischen Königsfamilie und den Botschaftern Deutschlands und Englands zahl­reiche Angehörige der deutschen Kolonie, sowie hochgestellte italienische Damen. Zum König Umberto sagte die Kaiserin mit bewegter Stim­

me, Rom rufe ihr tausend teure Dinge ins Gedächtnis zurück. Dann unterhielt sich die Kaiserin mit Donna Laura Minghetti, der Witwe des bekannten Staatsmanns, sowie mir Frau Professor Helbig, deren Tochter ihr ein prächtiges Bouquet überreichte. Inzwischen war König Umberto nach dem Bristol-Hotel vorausgeeilt, an dessen Thor er die Kaiserfa­milie empfing. Auf der Piazza Barberina vor dem Hotel hatte sich eine große Volks­menge angesammelt, welche die Kaiserin leb­haft begrüßte.

Lagos, 2. Jan. Der König von Da- homey ist gestorben.

KnglanL wird nun doch Kriegsschiffe nach Brasilien senden. Wie aus London telegrafirt wird, begiebt sich das englische Kanonenboot Swallow" nach Rio de Janeiro zum Schutze der englischen Interessen. Zwei weitere Schiffe werden voraussichtlich demnächst von Monte­video dahin akgehen. Eine offizielle Depesche der brasilianischen Gesandschaft in Paris de­mentier! die Nachricht, daß die Güter der bra­silianischen Kaiserfamilie konfisziert seien. Es sei lediglich die in das Budget eingestellte Do­tation gestrichen worden.

London, 2. Januar. In der Armen­schule von Forestgate war in der Sylvester­nacht Feuer in den Schlafsälen ausgebrochen. Von 80 Knaben, die sich in demselben befan­den, find 26 erstickt.

Eine weitere Depesche aus Zanzibar übermittelt uns die erfreuliche Nachricht, daß im Befinden Emin Paschas wieder eine Bes­serung eingelreten ist. Casati hat sich, nach­dem Emins Gefolge auf dem Dampfer Man- surah nach Kairo abgereist ist, zu Emin nach Bagamoyo begeben. Dr. Parke ist gleichfalls in der Genesung begriffen.

Ein unbekannter Wohlthürer überwies dem Vorstande eines Londoner Hospitals 100 000 Pfund zur Grundlegung eines Sana­toriums für genesende Patienten der hiesigen Hospitäler.

Die auswärts verbreiteten G rüchte über ein Unwohlsein des Zaren sind vollkom­men unbegründet. Derselbe ist durchaus wohl.

Der Ausbruch einer Revolution in Salvador wird durch neuere Depeschen be­stätigt; die Regierung der Republik, an deren Spitze General Menendez als Präsident steht, ist bestrebt, die Bedeutung der aufständischen Bewegung abzuschwächen. Sie läßt erklären, die Revolutionären befänden sich auf dem Rück­züge und würden von den Regierungstrvppen verfolgt.

Die Zeitungen und Briefe von Bra­silien, die bis zum 12. Dez. gehen, beweisen, daß die provisorische Regierung von allen Sei­ten gedrängt wird, irgend eine Art Vertretung der Staaten angesichts der allgemeinen Unzu­friedenheit mit der Militärdiktatur zu schaffen. Die Gründung der Republik soll am 7. April großartig gefeiert werden Bürger von Rio Janeiro gründen eine Gesellschaft, um dem Kaiser Doin Pedro eine jährliche Rente von 5000 Contos zu verschaffen.

Der brasilianische Finanzminister 1)r. Ruy Barbosa hat nach London telegrafirt: Wir sehe», daß die europäische Presse fort­gesetzt falsche Gerüchte zur Grundlage von Anklagen gegen uns macht. Das Vermögen der kaiserl. Familie ist nicht konfisziert wor­den; im Gegenteil, ein dasselbe verbürgendes Dekret für die Liquidation. Was unterdrückt wurde, ist die im Budget ausgeworfene Zivil­liste, sowie die von der Provisor. Regierung gewährte Subsidie."

W«w-H«rk, 31. Dez. In Huron, Michi­gan, brach in der Nacht vom Samstag zum

Sonntag in einem Hause Feuer aus. infolge dessen eine aus 11 Personen bestehende Fa­milie, die erst wenige Stunden vorher von einem Balle zurückgekehrt war, in den Betten verbrannte.

Mewyork, 31. Dezbr. Ein schreckliches Unglück ereignete sich in Villalerdo, Mexiko, während eines Stierkampfes im Kollosseum. Während die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf die Vorstellung in der Arena gerichtet war, stürzte das Amphitheater größtenteils ein. Etwa 100 Personen trugen Verletzungen davon. Einige Schwerverletzte sind gestorben und das Aufkommen anderer wird bezweifelt.

NewyorK, 31. Dez. In Westvirginien ist in der Nähe der weißen Schwefelquellen ein Bahnzug einen 190 Fuß hohen Damm hinabgestürzt, wobei 10 Personen getötet und 25 schwer verletzt wurden.

Vermischtes.

(Ein Kehlkopfspiegel für Pferde.) In der gestrigen Sitzung der Gesellschaft der Aerzte teilte Prof. Schröter mit, daß Dr. Po- lansky, Professor und Dr. Schindelka, Assi­stent an der hiesigen tierärztlichen Klinik, einen Kehlkopfspiegel für Pferde konstruiert haben, durch welchen eine wirksame Bekämpfung der Rotzkrankheit ermöglicht werden soll. Für den Fall der Bewährung des Instruments, welches künftigen Freitag praktisch vorgeführt werden soll, wäre dasselbe für die Armeeleitungen, Rennstallbesitzer rc. von großer Wichtigkeit.

Eine Schildkröte für die Königin Vik­toria überbringt cm Transportschiff der eng­lischen Marine von der Insel Ascension. All­jährlich wird der DampferWye" verwendet, um eine größere Anzahl von Schildkröten von jener einsamen Insel nach England zu über­bringen. In diesem Jahr nun befindet sich unter der Sendung ein Schckdkrötengreis, des­sen Alter auf 100 Jahre geschätzt wird und der der Königin überreicht werden soll.

(Die Liebe ist erfinderisch.) Dieser alte Satz hat sich unlängst in der deutschen Reichshauptstadt neu bewährt. Emem jungen Manne war es gelungen, Zutritt in eines der reichsten und angesehensten Häuser zu erlangen. Nicht lange, so verliebte er sich, in die einzige, bildschöne Tochter, suchte sich ihr auf jede Weise gefällig zu zeigen und brachte ihr na­mentlich immer die neuesten Bücher. Eines Tages kommt der Vater früher als gewöhn­lich nach Hause, ohne die Damen, welche noch auf der Promenade waren, zu finden. Auf dem Tisch liegt der erste Band eines soeben vielbesprochenen Romans, lim sich die Zeit zu vertreiben, nimmt der alte Herr das Buch und blättert darin. Es fällt ihm auf, daß einzelne Worte mit Bleifeder unterstrichen sind, und zwar merkwürdiger Weise ganz unbedeu­tende Worte, wieich" oderund." Er schlägt ein Blatt nach dem anderen um, über­all dasselbe. Plötzlich kommt ihm ein Ge­danke denn Väter, zumal reiche mit ein­zigen Töchtern, sind in gewissen Dingen sehr erfinderisch; er versucht, die unterstrichenen Worte im Zusammenhang zu lesen und sein versteinertes Auge entziffert Folgendes:Mein Fräulein! . . . wird es . . . Sie . . . be­leidigen . . . wenn ich . . . Ihnen sage, daß

. . . ich . . . Sie . . . anbete . . . und . . ." Kurz, ein Liebesbrief in der allcrschön- sten Form und schließlich mit den Worten: Antwort ... in dem . . . nächsten . . .

Kapitel. Warte, denkt der Vater, ich will

dir deinen Bescheid geben, nimmt ein Blei­stift, unterstreicht einige Worte m dem nächsten Kapitel, klingelt dem Diener und befiehlt, das Buch sofort unserem Liebhaber zurückzutrage».