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nach dem Bahnhofe bildeten Vereine mit Fahnen Musikkorps, Lampions Spalier. Die Stadt ist glänzend illuminirt. Das Kaiserpaar wurde überall stürmisch begrüßt. Auf dem Bahnhöfe verabschiedete sich das Kaiserpaar von dem Großherzog von Baden und Statthalter Hohenlohe, welche nach Straßburg zurückkehrten.
Kopenhagen, 26. Aug. Nach hierher gelangter Nachricht wurde die Abreise des Zarenpaares von Petersburg wegen Erkrankung des Großfürsten Wladimir um wenige Tage verschoben.
Wien, 25. Aug. (Der Schah) besichtigte heute Vormittag das Burgtheater und das naturhistorische Museum. In der Hof-^ bürg fand beim Schah ein Dejeuner statt, zu! welchem der Minister des Auswärtigen Graf Kalnokp und die zum Ehrendienst beim Schah kommandierten Offiziere geladen waren.
Wien, 25. Aug. Die Ehe des Schriftstellers Ludwig Anzengruber ist auf dessen Gesuch durch das Wiener Landesgericht geschieden worden, mit der Begründung, daß die Frau des Genannten, die sich in der Jrrenanstali befindet, als der schuldige-Teil zu erachten sei.
Wudapest, 25. August. Der mehrfache Millionär Fernbach hat seine Frau ermordet und dann versucht, sich selbst zu erdolchen. Die Motive des Verbrechens sind völlig unerklärlich.
Hlom, 24. Aug. In einem Rückblick auf die Straßburger Kaisertage schreibt die „Tri- buna": Der Eindruck der Kaiserfeste war geradezu vernichtend für Frankreich; es wäre borniert, wollte die Revanchepartei künftig noch die Statue der Stadt Straßburg bekränzen, nachdem der Abfall Elsaß-Lothringens von Frankreich unaufhaltsam und defenetiv geworden ist.
Flom, 25. Aug. Die hiesige Polizei hat einen geheimen Anarchistenbund entdeckt, dessen zahlreiche Mitglieder an dem Bombenattentat auf dem Colonnaplatz beteiligt zu sein scheinen. Der des Bombenwurfs speziell verdächtige Arbeiter Frattini gesteht zu, Anarchist zu sein und einen Handstreich gegen eine römische Bank geplant zu haben. Sein Bruder ist Lieutenant in der Armee.
Ki Aeiersöurg, 27. Aug. Vier prächtige Rassepferde, ,ein Geschenk des Zaren an den Sultan, sind heute nach Konstantinopel abge- sandt worden.
Koastantinopel, 22. August. Schakir Pascha telegraphierte aus Kreta, daß Apokorona, der Mittelpunkt der bisherigen Bewegungen der Aufständischen, sich ohne Widerstand ergeben habe. Die Truppen drängen gleichfalls nach allen andern Orten vor, ohne Schwierigkeiten zu finden. Die Einwohner von Apokorona schickten Ergebenheits-Adressen an den Sultan.
London, 26. Aug. Gestern Nachmittag fand in Hyde Park eine große Versammlung der sinkenden Dockarbeiter statt, die von 80 000 Personen besucht war. Verschiedene Redner unterstützten das Verhalten der Sinkenden, und es ivurde beschlossen, an den Forderungen festzuhalten, bis sie bewilligt würden. Es gab keine Ruhestörung.
London, 27. Aug. Aus dem Sudan wird der Ausbruch einer Hungersnot gemeldet. In Tokar sterben täglich gegen 20 Personen am Hunger. Die Einwohner von Kartum und Kaassala fristen ihr Leben nur noch vom Genuß von Leichen.
London, 26. Aug. In Blackwatt an der Themse schlossen sich 7000 Arbeiter des Hüttenwerkes Thames Jronworks den streikenden Dockarbeitern an. 2500 Verlader und andere Arbeiter an den Werften der Jsle os
Dogs in Themse sowie zahlreiche Arbeiter anderer Industrien schließen sich dem Streik an. Sämtliche Märkte wurden durch die Arbeitseinstellungen schwer geschädigt. In den hiesigen Kasernen sind die Truppen konsigniert.
— Die Arbeiter der Kohlen-Gesellschaft „Kings Croß", einer der größten Kohlenhandlungen Londons, stellten auf die Aufforderung der streikenden Dockarbeiter, die sich zu dem Zwecke Nachmittags in geordnetem Zuge nach Kings Croß begaben, die Arbeit ei», desgleichen die Arbeiter der große» Bisquitfabrik Peek, Frean und Co.
In Newyork kamen am 20 . d. 25 Araber > mit dem Dampfer „La Normandie" an. Sie werden von den Behörden in Castle-Garden zurückgehalten, weil es sich darum handelt, ob ihnen gestattet werden soll, sich nach, ihren Bestimmungsorten zu begeben, oder ob sie zurückgesandt werden sollen. Es verlautet, daß, falls sie landen dürfen, 70 000 Araber nach den Ver. Staaten auswandern wollen.
Wewyork, 27. Aug. In Providance auf Rhode-Jsland barst ein Reservoir, welches mehrere Mühlendörfer speiste. Viele Personen ertranken, Schaden bedeutend.
— Aus Newpork wird geschrieben: Ein furchtbares Verbrechen wurde in der Nacht des 6 .Aug.unweit Cornvallis,imwestlichenMontana, verübt. Ein Landwirt, namens Jones, hatte seine Hochzeit gefeiert und kehrte mit seiner jungen Frau, den Brautjungfern und seinen Trauzeugen nach einem 7 Meilen entfernt gelegenen Pachthofe zurück, als die ganze Gesellschaft auf der Landstraße ermordet wurde. Die von Kugeln durchbohrten Leichen wurden am nächsten Morgen von einem Freunde des jungen Ehemanns entdeckt, der, beunruhigt über das Ausbleiben der Neuvermählten, sich aufgemacht hatte, um nach ihnen zu forschen.
Aanziöar, 24. Aug. Hauptmann Wiß- mann ist von Dar es Salaam nach Bagamoyo marschiert und hat die Aufständischen am Kin- gani mehrfach geschlagen. Buschiri befindet sich in Usagara.
Hiesiges.
Wildbad, 27. Aug. Reges Leben brachte in die schon etwas vorgeschrittene Saison der am letzten Sonntag von Stuttgart hier eingetroffene Sonderzug. Derselbe umfaßte 19 Wagen mit ungefähr 900 Passagieren, von denen allein 700 unsere schöne Badestadt als Endziel gewählt hatten. Nach Ankunft des Zuges um 10 Uhr zerstreuten sich die Äus- flügler nach allen Richtungen, teils um die Sehenswürdigkeiten der Stadt und ihrer näheren Umgebung in Augenschein zu nehmen, teils auch um alte Freunde un Bekannte mit einem Besuch zu überraschen. Abends V 28 Uhr trat die Mehrzahl derselben die Rückreise in die Heimat wieder an mit dem Bewußtsein, einen genußreichen Tag verlebt zu haben. Die Kgl. Eisenbahndirektion hat sich durch diese Einrichtung gewiß den Dank aller Beteiligten erworben.
— Der auf letzten Samstag angekündigte Ausflug des Schwarzwald-Vereiitzs konnte der ungünstigen Witterung wegen nicht ausgeführt werden. Ein Teil der auf dem Sammelplatz bereits eingetroffenen Naturfreunde ließ sich aber trotzdem nicht abhalten, den lohnenden Spaziergang nach dem neu angelegten Wasserfall im Rollwasserthal zu unternehmen. Befriedigt von den Eindrücken dieser herrlichen Excursion kehrten dieselben gegen Abend wieder hierher zurück. Sonntag Nachmittag war derselbe das Ziel zahlreicher Spaziergänger.
Unterhaltendes.
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Eine Erzählung aus den Reichslanden von Hugo von Rittburg.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung).
Wir, mein Regiment und ich, waren befehligt worden, nach Westen vorzugehen, und so stießen wir am 30. August bei Beaumont auf die Deutschen, die umer dem Kronprinzen von Sachsen heranmarschirten. Wir mußten uns schlagen unter ungünstigen Umständen; aber es mußte sein, uns schlagen gegen die Uebermacht. Wir thaten dies mit aller Verve, die doch nur den Franzosen eigen ist; aber die Uebermacht siegte, wir gingen zurück. Mein Regiment hatte sehr gelitten, und es fragte sich, ob wir als eigene Truppe auftreten konnten, wurden deshalb in die Arneregarde gestellt. Mich aber duldete es nicht dort, ich hatte mich dem Regiment Hanselbourg einem Elsässer wie ich, angeschlossen.
Es war eine eigentümliche Nacht, wir saßen dicht um ein Feuer herum, zu äußerst gegen den Feind. Ich hatte an die Meinen gedacht, an meinen Cousin, der mich beerben wollte, auch einige Zeilen in mein Notitzbuch geschrieben, als plötzlich der Ruf „zu halten" ertönte. Es war der General Ducrot, der die Vorposten revidirte.
Ducrot war nicht besonders groß, seine Gestalt hatte etwas Unsoldatisches, doch zählte er zu den besten Soldaten, die wir besaßen. Hanselbourg fragte, ob am folgenden Tage eine Endscheidungsschlacht bevorstehe.
„Was wollen Sie?" ließ sich Ducrot vernehmen, „jede Schlacht ist entscheidend, wir sind in günstiger Stellung, und wenn Jeder seine Schuldigkeit thut, dann ist es gut. cks vous salus." Mit den Worten wollte er davon sprengen.
„In günstiger Stellung!" flüsterte ich Hanselbourg zu. „Mir erscheint dieselbe wie die Napoleon's I. bei Leipzig."
Ducrot hatte meine Worte gehört, er verharrte, den Fuß im Bügel. „Thue Jeder seine Schuldigkeit und wir werden siegen."
„Ich denke, mein General," sagte ich, „daß ich und mein Regiment zu jeder Zeit ihre Schuldigkeit gethan haben.
Ducrot warf mir einen Blick zu, der schwer zu beschreiben. „Jeder Mensch hat über Schuldigkeit eine verschiedene Ansicht," sagte er, „der Obrist Hautepied hat sich rühmlich gehalten, er wird jenen Hohlweg mit seinem Leibe decken."
Bei den Worten sprengte er von dannen. Die Nacht wurde nicht unterbrochen. Am Morgen weckte uns ein Kanonenschuß, wir waren eingeschlasen, ohne daß wir es gewollt hatten. Auf einer leichten Anhöhe zu unserer Rechten sahen wir eine französische Batterie halten, von ihr war der Alarmschuß gefallen, der uns erweckt hatte. Wir ließen unsere Blicke umherschweifen. Gegenüber standen die Sachsen, die wir damals für Preußen hielten. Jetzt wurde das Jnfanteriefeuer laut und gleich darauf stürmten sie auf uns los. Ich weiß nicht, wer unseren Truppen das Zeichen zum Rückzuge gegeben hatte, sie eilten in den Hohlweg hinein. Die Sachsen hatten die Batterie genommen. Nun entstand ein furchtbares Wirrnis. Man schlug sich im Wald und in dem Hohlweg.
„Der Colonel Hautepied wird den Hohlweg mit seinem Leibe decken," hatte Ducrot gesagt, und ich habe dort ausgehalten, bis eine Kugel mir durch den Leib ging. Mein