Vild linder Chronik.

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Nro. 2.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Jan. Bei II. KK. HH. dem Prinzen und der Frau Prinzessin Wil­helm fand heute Nachm, im Wilhelmspalast ein größerer Empfang statt, zu dem über 60 Personen erschienen waren.

Neuenbürg, 30. Dezember. Fabrikant Bleyer (Volks-Partei) hat in einem Auf­ruf an die Wähler des Bezirks seine Grund­sätze, von welchen er sich im Falle einer Erwäh­lung leiten lassen würde, bekannt gegeben. Er hält es im Interesse unseres Landes für ge­boten, „daß die Abänderung der veralteten Bestimmungen unserer Verfassung endlich voll­zogen werde." Nachdem in der 1. Kammer Fürsten und Grafen unter Bevorrechtigung gegenüber allen nieder» Mitbürgern Sitz und Stimme haben, so sei es um so dringlicher geboten, daß wenigstens aus der 2. Kammer die privilegirten Ritter und Prälaten ausschei- den. Eine Reform der Verwaltung sei not­wendig, um viele Umstände und Schreibereien zu ersparen; die Kreisregierungen seien entbehr­lich; die Amtsversammungen sollten in direkt gewählte Bezirksvertretungen verwandelt werden. Die Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher sei ab­zuschaffen. Die Ueberschüsse des Staatshaus­halt sollten zu Gunsten der Gemeinden zu Hebung der Volksschulen verwendet werden, für deren Leitung er eine fachmännische Auf­sichtsbehörde als zweckmäßig erachtet u. s. w. :— So die Ausführungen des demokr. Kan­didaten. Von anderer Seite wird uns übri­gens geschrieben: Nach den vom ganzen Be­zirk nun eingegangenen Nachrichten ist die Wahl unseres seitherigen bewährten Abgeord­neten Beutter ganz zuverlässig und eine wei­tere Kandidatur seitens deutsch-freisinniger Ge­nossen nur zur Stimmenzählung aufgestellt.

Neuenbürg, 31. Dezbr. Gestern hielt Beutter Wühlerversammlungen in Gräfen- hausen und Birkenfeld, Bleyer in den Wald­orlen Engelsbrand, Grunbach und Salmbach, mit denen er in Geschäftsverbindungen steht. Die Versammlungen beider Parteien sollen zahl­reich besucht gewesen sein. Die Wahlangelegen­heiten werden überall auf's lebhafteste bespro­chen. Wenn auch die Mehrzahl der Wähler noch eine abwartende Stellung beobachtet, so spannen doch beide Parteien ihre Kräfte auf das äußerste an. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als habe die demokr. Partei mit der Anstellung Bleyers nicht blos, wie man anfangs allgemein annahm, eine Zählkandida­tur beabsichtigt, sondern als denke sie an die Möglichkeit eines Sieges. Andererseits zwei­felt man auch jetzt noch nicht an einer glän­zenden Wiederwahl Be utters. Im größten

SarnsLcrg, 5 Janucrv 1889

Teile des Bezirks wird, wenn nicht besondere Umstände dazu treten, die demokr. Partei als solche voraussichtlich wenig Unterstützung finden; doch scheint die Frage der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher einen Einfluß zu Gunsten der Kandidatur Bleyer auszuüben.

Wildbad, 1. Jan. Eine von Bijouterie­fabrikant Bleyer (V.-P.) aus Neuenbürg einberufene Wählerversammlung hat heute im Gasthaus z. Stern hier stattgefunden. Nach­dem die Versammlung, nach Ablehnung des vom Kandidaten vorgeschlagenen Holzhändlers Mast, Hrn. I)r. msä. Haußmann jun. zum Vorsitzenden erwählt hatte, eröffnete der­selbe die Erörterung durch Worterteilung an B., welcher in kurzer Rede seinen Standpunkt darlegte. (Seine Anschauungen s. oben.) Herr Stadtschultheiß Bätzner entgegnete in con- servativem Sinne, worauf R.-A. Schickler aus Stuttgart antwortete. Nachdem Hr. Stadt- Schultheiß Bätzner noch erwidert und ein Redner gegen die Lebenslänglichkeit der Orts­vorsteher als ein schwäbisches Unikum im deut­schen Reich gesprochen hatte, wurde die Ver­sammlung geschlossen.

Ilntertürkheim, 2. Jan. Bei einer Schlägerei wurde gestern ein Metzgerknecht so gefährlich in den Hals gestochen, daß er iu das Bezirkskrankenhaus verbracht werden mußte Der mutmaßliche Thäter, ein Taglöhner, wurde heute in Haft genommen.

Kßlingen, 3. Jan. Gestern Abend ist beim Transport der Post von der Stadtpost zum Bahnhof aus dem Postkarren ein Geld­beutel abhanden gekommen, welcher Pfand­briefe der Rhein. Hypothekenbank im Betrage von 7900 ^ und 3 Einschreibebriefe enthielt.

Kailsingen, O. - A. Rottenburg, 3. Jan Wie der „Neckarb." berichtet, hat sich in der Frühe des Neujahrstages ein schrecklicher Un­glücksfall ereignet. Der 18 Jahre alte Maurer Ignaz Schmid von hier begab sich nach dem Schießen in der Neujahrsnacht mit seinem Bruder und seinen Kameraden in die Woh­nung seiner Mutter, um sich bei einem Füß­chen Bier gütlich zu thun, als plötzlich — und zwar durch Unvorsichtigkeit bei Handhaben einer Pistole, die er wahrscheinlich nicht für geladen hielt, ein Schuß losging und ihn in den Kopf traf, so daß er alsbald tot zusam­mensank.

Rundscha u

Weinheim, 2. Jan. Gestern Nachmit­tag ist auf dem sog. Wochenberg, einer mit Reben bepflanzten Anhöhe, ein Pulvermaga­zin, in welchem ca. 15 Zentner Pulver auf- > bewahrt wurden, in die Luft geflogen. An

25. ^uiu'gang.

den Weinbergen ist hiedurch viel Schaden an­gerichtet worden. Ein übelbeleumdeter 19jäh- riger Bursche, welcher der That verdächtig ist, wurde verhaftet.

Nürnberg 1. Jan. Beim Schlittschuh­fahren auf dem Donaumainkanal ertranken 5 15jährige Jünglinge.

Ludwigshafen, 1. Jan. In der Syl- versternacht wurde in der Behausung des Reichs- tagsabgeord. Kommerzienrat I)r. Karl Clemm eingebrochen. Es wurde die Barsummme von 1000 gestohlen. Nach den unbekannten Thätern wird eifrigst gefahndet.

Merlin, 4. Jan. Witzmann wird zum Neichskommissär in Ostafrika ernannt und so­fort nach der Beratung der ostafrikan. Vor­lage im Reichstag nach Afrika «Kreisen, um die Oberleitung der Militärstationen zu über­nehmen. — Der Vormarsch der Italiener mit Eingeborenentruppen gegen Kerem steht bevor.

— Aus Kamburg wird geschrieben: Der Ehefrau des Raubmörders Dauth, welche am Samstag vom hiesigen Landgericht von ihrem Mann auf ihren Antrag geschieden wurde, ist gestattet worden, für sich und ihre Kinder eine Namensänderung vorzunehmen.

Aus Lübecks 31. Dezbr. wird gemeldet Der Dampfer Henriette, Kapitän Engel­hardt, am 23. Dez. von Reval hierher mit Spiritus abgegangen, ist noch nicht eingetroffen. Man glaubt ihn verloren.

Maris, 31. Dez. Aus Marseille werden Gewitter und Wolkenbrüche, aus Tarascon und Arles Überschwemmungen der Rhone ge­meldet. Ferner sind der Lot, Allier, Tarron, die Durance und die Conlagne aus ihren Ufern getreten. Die Bahn von Cette nach Taras­con ist auf einer Strecke von 4 Km über­flutet und hat sich an einer Stelle gesenkt.

Mrüsiel, 2. Jan. Der Anarchistenführer Rouhette, der Urheber der letzten Dynamitan­schläge, ist verhaftet worden.

Brüssel, 4. Januar. Der Herzog von Aumale tritt als Gegenkandidat Boulangers in der Pariser Nachwahl auf.

London, 2. Jan. Ein Gerücht meldet die Mobilisierung des vor Portsmouth ver­sammelten englischen Geschwaders. Dieses Ge­rücht erregt großes Aufsehen. — Seit gestern herrscht starker Nebel. Der Verkehr stockt gänzlich.

London, 3. Jan. Ein neuer schändlicher Mord wird aus Ieovil gemeldet. In Neo­bridge, einem stillen Dorfe nicht weit von ge­nannter Stadt, wurde ein lOjähriges Mäd­chen von einem Unbekanntenumgebracht. Die Leiche wurde mit abgeschnittener Kehle und