den Tag ein Dutzend Bälle zum Tanzvergnü­gen einladen, wird die Bevölkerung wieder durch zwei Raubmorde in Aufregung versetzt, welche an Frechheit und Keckheit ihres Gleichen suchen. Der erste Fall betrifft einen Gärtner­burschen, der auf der Luxenburger Straße des Nachts von unbekannten Strolchen angefallen wurde, die den Aermsten mit Klammhacken schwer verwundeten, alsdann ihm die Kleider vom Leibe zogen und nach Beraubung der Baarschaft von 28 Kreuzern ihn in den nahen Mühlbach warfen. Es gelang ihm, wieder aus dem Bach herauszukommen, und so wurde er von einem des Weges kommenden Fuhrwerke ausgenommen, das ihn in das nächste Ort brachte, wo er von seiner Bewußtlosigkeit -wie-- der erwachte, um gerade noch vor dem bald" hernach erfolgenden Tode den Thatbestand an­geben zu können. Nach den Strolchen wird eifrigst gefandet. Im zweiten Falle hat ein gut gekleideter Herr mit Zylinderhut sich in die Wohnung des Börsianers Jsioorf Graf in der Neuthorgasse Vormittags Vs 10 Uhr eingeschlichen und das unvorsichtig öffnende/ allein zu Hause befindliche Dienstmädchen mit einem Revolver überfallen, demselben einen le­bensgefährlichen Schuß beigebracht und hierauf einen Schrank erbrochen, aus welchem er für etwa 5000 fl. Wertsachen raubte und hierauf unbehelligt das Weite suchte. Das noch lebende Mädchen konnte, als man es auffand, den Thatbestand genau erzählen; dasselbe befindet sich im Spitale in ärztlicher Behandlung, je-, doch ist sein Aufkommen fraglich,

Wien, 19. Jan. Der Kaffeeagent Fran­kenstein ist überführt, den Raubmord in der Wohnung des Börsianers Graf verübt zu haben; er legte em Geständnis ab. Franken- stcin war mit dem verletzten Stubenmädchen Kuhnert befreundet. Des Letzteren Befinden ist zufriedenstellend.

^»rag, 17. Jan. Hier ist der. Scharf­richter Johann Piperberger plötzlich am Herz­schlag gestorben, als er von der Hinrichtung zweier Raubmörder aus Kuttenbcrg zurückge­kehrt war. Er stammte aus einer uralten Scharfrichterfamilie, hatte 15 Brüder, die sämmtlich auch als Scharfrichter thätig waren, und zwei Schwestern, die unter angenomme­nen Namen noch jetzt berühmte Theater-Künst­lerinnen im Gesang und Schauspiel sind. Sein Urahne war ein vornehmer sächsischer Adeli­ger, der wegen eines Vergehens sich in das als Asyl geltende Haus eines Henkers flüch­tete und in dessen Familie ausgenommen wurde. Joh. Piperberger, der ursprünglich etwas ganz anderes werden sollte, seiner Bestimmung aber doch nicht entging, war dreimal verheiratet.

Nach derKöln. Ztg." will die un­garische Regierung das beträchtliche Vermögen des Serbischen Vereins (Matiza Serbska) in Neusatz von 600 000 fl., welches für Bil­dungszwecke bestimmt ist, diesem Institut ent­ziehen undin eigene Verwaltung nehmen", weil die Matiza Serbska panslawistische Pro­paganda treibt.

Waris, 18. Jan. Großes Aufsehen macht die Demission des Generalstubschefs General Lallemand; derselbe ist freiwillig aus der Ar­mee und aus dem Kapitel der Ehrenlegion ausgetreten, angeblich weil er über die Schwäche des Ordenskapitels, welche die Schwindeleien der Limousin, Wilsons u. s. w. ermöglichte, empört ist.

San Wemo, 18. Jan. Gestern trug sich unweit der Villa Zirio ein höchst peinlicher Auftritt zu. Gegen 9 Uhr krachten mehrere Revolverschüsse; mehrere Personen, die eine davon blutüberströmt, rannten denKorso Le- vaute" entlang. Sofort versammelte sich eine große Menge, welche ein Attentat vermutete;

auch viele Polizei- sowie Gerichtsbeamte er­schienen. Festgestellt wurde dagegen ein Akt ver Privatrache, dem ein Einwohner aus San Remo zum Opfer fiel. Die erklärliche Auf­regung der Bevölkerung hat sich infolgedessen jetzt gelegt.

DerMagdeb. Ztg." wird mitgeteilt, daß die Nachricht desÄerl. Tagebl", in San Remo seien sämmtliche Lieblingshunde des Kronprinzen vergiftet worden; völlig aus der Luft gegriffen ist.

AclersSurg, 18. Jan. Gerüchtweise ver­lautet, im Narwaschen:Staüttei1e.märe ein ganzes Polizeibureau fUschastok,) .vom- PtM-ny, (Vor­steher) bis zum jüngsten Gorodowoi als po­litisch verdächtig aufgehoben; alle wurden arretiert.

London, 20. Jan. Nach einer Meldung des Standard aus Shanghai sollen am 19. Vs. 4000 Arbeiter, welche unter der Aufsicht mehrerer Mandarinen Wellenbrecher herstellten, um den Lauf der Hoanghofluten zu stauen, von dem plötzlichen Andrang des Wassers über­rascht und größtenteils umgekommen sein.

Philadelphia, 17. Jan. Noch immer treffen aus den entfernten Gegenden des Nord­westens Nachrichten über die verheerenden Wir­kungen des Schneesturmes ein. Dem Sturm ist eine furchtbare Kälte gefolgt, wie sie seit 1864 nicht erlebt worden ist. Tausende leiden wegen Holzmangels. In Dakota sind 145 Personen erfroren, in Minnesota 12, in Ne­braska 17, in Iowa 6, in Montana 2, in Wiscousin und Colorado je 1 Person, insgr- sammt 184 Personen. Außerdem werden viele Leute vermißt. Das Thermometer fiel an manchen Orten bis auf 40" unter Null und es fiel hoher. Schnee. In allen Gold­staaten sind Schneestürme gewesen und die Be­richte über die Leiden der Bevölkerung füllen die Zeitungen. Heute wütete ein heftiger Schneesturm an der atlantischen Küste.-

NnLrrhsliknLrs. Der Judenseppl'e.

Nachdruck verboten.

I.

Wer nie sein Brod mit Thränen,

Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß.

Der kennt euch nicht, ihr. himmlischen Mächte x

Es sind nun bereits zwanzig Jahre ver- .flössen, seit ich durch einen Freund, der auch in dieser Erzählung eine Rolle spielt, den Aus­gang dieser Begebenheit erfahren habe; den Anfang hatte er mir ein halb Jahr früher, wenn auch nur auf vieles Bitten, mitgeteilt, denn er war sehr schweigsam. Er war Re­gistrator am Gerichtshöfe in E. und wir hatten uns beim Glase Bier, das wir nach des Tages Last und Hitze zu trinken pflegten, kennen ge­lernt. Er brachte einmal in diese Abendge­sellschaft einen schönen jungen Mann mit, den er mir als Julius N. aus O. vorstellte, welcher ihm durch einen Freund empfohlen worden sei. Ich sah diesen noch öfter; auf einmal aber lange Zeit nicht mehr. Als ich den Registrator nach ihm fragte, erfuhr ich, daß er krank und sonst sehr übel d'ran sei. Ich bat ihn, mir Näheres über diesen, wie es mir schien von irgend einem widrigen Schicksale heimgesuchten Mann mitzuteilen, was er aber, wie gesagt, nur auf wiederholtes Bitten gewährte.

Ich will nun diese Erzählung und den Weiterverlauf wiederzugeben versuchen.

In einer engen Stube des dritten Stock­werkes lag auf einem sehr ärmlichen Bette ein junger Mann. Er konnte 28 Jahre zählen, aber Krankheit hatte die Frische der Jugend zerstört. Er war auf dem Wege der Genesung;

allein die Kraft kehrte nur langsam zurück, da Armut die Familie drückte.

Julius N. war Tagschreibcr am Gerichts­höfe. Sein Tagwerk wurde ihm gut bezahlt, und man hatte ihn gerne, weil er fleißig und treu war. Seine Frau fertigte feine Sticke­reien für ein Modegeschäft der nahen Resi­denz; allein der kleine Otto hinderte sie sehr oft daran, da^ er noch nicht laufen konnte. . Fleiß und Genügsamkeit hatte bis jetzt ihre Bedürfnisse nicht über ihre Mittel gestellt. Sie waren im Stande, den Hauszins zu zahlen und..nach..etmas zu erübrigen.. N. durfte der Hoffnung^ Raum/geben , mit der Zeit eine Stelle zu erhalten, die seinen Talenten ange­messen sein würde. Bis jetzt war ihm als Ausländer dies schon schwer geworden, und er durfte von Glück sagen, daß ihm soweit sein Förtkvmmen gelungen war. Die Familie lebte sehr zurückgezogen, nur der Mann er­laubte sich hier und da, aufgefordert vom Re­gistrator, der ihm diese Stelle verschaffte, ein Glas Bier zu trinken. Sie kannten Niemand im Umgänge, waren jedoch in dem abgelege­nen Winkel der Stadt, wo die Hausmieten am billigsten waren, aller Leute Zielscheibe. Man munkelte dies und jenes. Man sah das schöne Weib, den bildschönen Mann mit Freu­den, und manche Lorgnete war auf Elise ge­richtet doch vergeblich; denn eine stille Würde umgab das junge Weib wie eine eherne' Mauer. Ueber ihre Herkunft wußte man nichts, und der einzige, der darum wußte der Re­gistrator schwieg und war selbst so eine Art Sonderling.

Wir wollen einen Spaziergang um die Stadt machen," sagte dieser, als er mir die Mitteilung versprochen, und mir somit eine - besondere Gunst erwiesen hatte,die Wände haben Ohren. Geben Sie mir Ihre Hand - darauf, daß Sie von meiner Indiskretion, wenigstens so lange sich diese Familie hier be­findet, keinen Gebrauch machen werden."

Elise war die einzige Tochter des reichen Handelsmannes H. in O. Ihr Vater führte das Geschäft SN Aros und on ckät»il, und seine Finanzen hoben sich mit seltenem Glücke bis zu einer Höhe, deren Nullenzahl Neider genug erzeugte. Täglich erweiterte sich der Kreis seiner Unternehmungen und die Menge seiner Reichmmer das Ansehen seiner Firma. Herr H. machte ein sehr großes Haus - und die Zierde seines Hauses war Elise. Erzogen im ersten Institut einer größeren Handelsstadt, vereinigte sich bei dem edelsten Herzen die glänzendsten Vorzüge des Geistes und der Bil­dung. Man konnte sagen, der Vater vergöt­tert« sie und doch blieb sie das einfache, kindliche, anspruchlose Wesen, und des Vaters ' vergötternde Liebe änderte nichts. Eben s« - wenig die der jungen Männerwelt, die sie um­flatterte, wie Schmetterlinge die duftende Blüte. So viele Verehrer aber auch Elise zählte, keiner konnte sich rühmen ein größeres Maß geselli­ger Artigkeiten von ihr erhalten zu haben, als das Heer der Anderen auch. Das sollte sich jedoch ändern. Ihr Vater nahm einen armen jungen Mann auf in sein Comptoir, dessen Vater ihm bekannt, aber längst gestorben war. Der junge Julius N. war das Ideal eines jungen Mannes, ein Apollo im vollsten Sinne des Wortes. Die Mädchen in O. waren alle in ihn verliebt, und selbst die Frauen äugelten nach ihm, aber es fiel ihm nicht ein, daß ihm, dem armen Menschen, auch nur ein freund­licher Blick gelten könne.

Auch Elise hatte viel von ihm gehört, ohne ihn je gesehen zu haben. Erst ihre neckischen Freundinnen sagten ihr, daß er in ihres Vaters Comptoir arbeite. Sie hatte das nicht einmal gewußt.