Aettestes Amtsblatt der' Stadt Witöbaö.
Anzeiger- und Unterhaltungs-Blatt für Wildbad und Umgebung.
——§ Hri«-ruridzrr;»»nzigsisr Jahrgang. §——
Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. — Abo nnementsvreis mit dem jeden Samstag erscheinenden Zllrrstrirte« Sonnlogs - Matt in Wildbad vierteljährlich 1 10 monatlich -.t ch; durch die Post bezogen im Bezirk 1 ^ 15 auswärts 1 45 ^ vierteljährlich. —
Jnsertionspreis die Zeile oder deren Raum für Wildbad 8 u, für auswärts 10 ^.
U°ro. S. Samstag, den 2L. Jannar 1886.
Wilhelm Johmann 1-.
.Nach langen, schweren Leiden ist W. Fohmann, Hofmusikus a. D,, am 17. ds. im Männerkrankenhause Salon bei Ludwigsburg verschieden. Wilhelm Fohmann, einer der populärsten, beliebtesten Künstler, welche Württemberg besessen, dessen weicher, seelenvoller Gesang aus dem Waldhorn Jedem unvergeßlich bleiben wird, der ihn einmal hörte, war als Sohn eines Lehrers in. Gundelsheim bei Heilbronn am 6. Sept. 1820 geboren, ist also 67 Jahre alt geworden. Sein musikalisches Talent zeigte sich sehr früh; schon mit 9 Jahren erregte er durch sein Blasen auf dem Horn bei einer Frohnleichnams-Prozession Aufsehen, so daß ihm ein Organist von da ab Musikunterricht gab, zu dem er aber jedes Mal 3 Stunden weit gehen mußte. 13. Jahre alt kam er in eine Militärkapelle zu Kapellmeister Beck, dem damals bedeutendsten Militär-Kapellmeister Württembergs, dem Adoptivväter Kühners, woselbst er bis zum Jahre -1850 verblieb, worauf er, also nach 17jährigem Militärdienst, zu- die k. Hofkapelle eintrat. Das erste größere Aussehen hatte er erregt, als er mit dem jungen Sontheim gleichzeitig in Stuttgart auftrat, dem er das damals so beliebte „Alphorn" begleitete. Bis vor 3 Jahren blieb er bei der k. Hofkapelle unter 5 Intendanten und 5 Kapellmeistern, die ihn alle gleich schätzten, da er ein ebenso eifriges, pflichttreues Mitglied der Anstalt, wie ein hervorragender allbeliebter Künstler war. Mehrmals hatte er auch Gelegenheit, sich weiteren Künstlerruhm zu erwerben, indem er Reisen nach Frankreich, Holland, nach den Rheinlanden, Schweiz, Bayern, Pfalz, Baden machte; in Württemberg gibt cs wohl wenig Städte, die ihn nicht ein- oder mehrmals einluven und sich seines wunderbaren Spiel erfreuten. In der Wiedergabe tiefsinniger, poetischer, auch von Leidenschaft durchdrungener Lieder war er unerreichbar. Wer erinnert sich nicht des Vortrags von Schuberts „Am Meer", das von der menschlichen Stimme kaum je so schön gesungen worden ist, als Fohmann es blies. In Stuttgart gibt es kaum einen Verein, den er durch seine künstlerische Mitwirkung nicht jahrelang unterstützt und erfreut hätte. Der Liederkranz, die Bürgergesellschaft, die Schützengilde, die Harmonie rc. nannten ihn ihren treuesten Freund. In den 60er und 70er Jahren gab er alljährlich ein eigenes Konzert; die Teilname der mitwirkenden Künstler, wie des stets zuströmen- dcn Publikums bewiesen am besten Fohmanns Beliebtheit. Zum letzten Male trat er öffentlich in einem Marlow-Konzert auf und sein letztes Lied, das er vortrug, war, „Wer weiß, ob wir uns Wiedersehen?" Bald darauf wurde er in den wohlverdienten Ruhestanv versetzt und wiederum nach kurzer Zeit traf ihn ein Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr er
holen sollte. Der immer heitere, humorvolle Künstler lag über 1 Jahr auf schwerem Schmerzenslager, auf's beste gepflegt, aber unter den täglich von ihm ausgesprochenen Wünschen der Erlösung von seinen Leiden.. Seine Beerdigung fand am letzten Donnerstag Nachmittag auf dem Pragfriedhofe in Stuttgart statt.
Württemberg.
Stuttgart, 20. Jan. Zu der gestern Nachmittag auf dem Pragfriedhofe stattgefundenen Beerdigung W. Fohmanns hatte sich ein großer Kreis von Künstlern und Kunstfreunden eingefunden, welche den verschiedensten Berufskreisen angehörten. In erster Linie standen die Mitglieder der k. Hofkapellc fast vollzählig, an der Spitze der Hofkapellmeister Abert und Doppler, Musikdirektor Steinhardt, der pensionirte greise Neher, von der Oper Frau Marlow und Sontheim, die beide so oft in Gemeinschaft mit Fohmanns Horn gesungen, vom Schauspiel Pauli und Rüthling, viele Herren vom Chor; von hervorragenden Kunstfreunden sei nur genannt O.L G R. vr. Schönhardt, Herren der Loge zu den 3 Zedern u. a. Der Sarg war mit Blumen und Lorbeerkränzen geschmückt worden, so von der k. Hofkapelle, der Loge, Frau Marlow, von mehreren Vereinen, die Fohmann so oft durch sein Spiel erfreut hatte. Vier seiner Kollegen, das Waldhorn-Ouartett, spielten am Grabe trotz schneidender Kälte, unter deren Einfluß die Töne fast versagten, Mendelsohns „Es ist bestimmt in Gottes Rat", worauf Vikar Käsberger wenige, aber tief empfundene, schöne Worte über den guten Menschen, seine heitere Natur, den großen Künstler sagte, worauf das Quartett den herrlichen Chor „Alle Ihr Seligen" spielte. Tief ergriffen, im Bewußtsein des vielfachen Verlustes, den die Kunst und die Freundschaft, der Humor und die Armut, für die F. so gerne mit seiner Kunst einge- tretcn, erlitten, verließen die Trauernden die Stätte der Toten. (Schw. M.)
Aom Schwarzwakd Vom Schwarzwald berichtet man: Eine Folge des herrschenden Geldmangels ist auch die, daß bei den verschiedenen Vereinsfestlichkeiten der edle Wein immer weniger zu Ehren kommt und zum Leidwesen der Wirte meistens nur noch Bier „geläppert" wird. Bei einer dieser Tage in dem Orte N. abgehaltenen Christbaumfeier begrüßte deshalb der betreffende Wirt die Festteilnehmer mit den Worten: „Sufet Win bigott, i mueß morge en Termin zahle."
Kriedrichshafen, 19. Jan. Der See ist längs des Ufers von hier bis gegen Langenargen überfroren und die Eisbahn auf 7 Irin spiegelglatt. Auch die auf der Bahn eimündenden Flüsse Aach und Schüssen sind vollständig gefroren, so daß, wie. dies nur selten der Fall ist, ein Hindernis für unbeschränkte Eisfahrt bis etwa 1 Irin vor Langenargen,
wo sogenannre Brunnenquellen die Bildung einer Eisfläche nicht aufkommen lassen, nicht besteht. Hunderte von Schlittschuhläufern benützen täglich die Bahn. Für die Rückkehr von Langenargen bieten auch die Dampfboote Nachmittags 3.40 und 5.15 hieher Gelegenheit.
Rundschau
— Die Aayern machen gute Geschäfte mit Nordamerika. Aus den Konsulatsbezirken München und Augsburg sind 705 000 Doll. Maaren im vorigen Jahr hinübergegangen, 179 000 Dollars mehr als im Vorjahr. Aus München hauptsächlich Bier und Oeldruckbil- der, aus Augsburg Bücher und Musikalien.
Slraßburg, 18. Jan. Wieder ein Landesverräter! Wie nämlich hiesige Blätter melden, hat in der Wohnung des Hilfsfchreibcrs Diez, welcher als Kanzlist im betriebstechnischen Bureau der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen beschäftigt ist, Haussuchung stattgefunden. Diez stand im Verdacht, die im Bereich der elsaß-lothringischen Bahnen für den Fall einer Mobilmachung getroffenen Maßregeln, wie Militärfahrpläne u. s. w. gegen Geldentschädigung an Frankreich verraten zu haben. Diez, welcher geständig ist, wurde verhaftet.
Mainz, 18. Jan. Der Rhein bringt wieder Treibeis; Neckar und Main führen starke Mengen zu. Außer in Köln sind auch die Schiffbrücken zu Koblenz und Worms abgefahren.
In Hamburg wird jetzt die öffentliche elektrische Beleuchtung, deren Einführung Senat und Bürgerschaft schon vor einiger Zeit beschlossen haben, in Angriff genommen. Es soll zunächst in der Mitte der Gcschäftsstadt eine Station errichtet werden, durch welche 10 000 Glühlampen gespeist werden können.
Airemett, 19. Jan. Der Neichspostdampfer „Sachsen", von Bremen nach Ostasien bestimmt, kollidierte bei der Ausfahrt von Antwerpen mit dem Dampfer „Pennland" von der Red- Star-Linie. Letzterer erhielt ein Loch über der Wasserlinie. Zwei Stunden später bohrte der Dampfer „Sachsen" bei Lillo das mit 120 Tonnen Zucker beladene Rheinschiff „Brouw Alida" im Wert von 50000 Frcs. in den Grund. DieRed-Star-Linieverlangt150000Fr. Entschädigung vom „Nordd. Lloyd". Menschen sind bei den Zusammenstößen nicht verunglückt.
Aus Hesterreich kommen in letzter Zeit auffallend viele Mitteilungen über Selbstmorde von Offizieren. So haben sich jetzt wieder der Fregatten-Kapitän Deschauer, Vorstand der Marine-Abteilung im Kriegsministerium, und der General-Militär-Jntendant Fuchs verschossen, weil sie durch Wucherer hart bedrängt worden waren.
Wien, 17. Jan. Während die große Kaiserstadt sich mir aller Macht in den Faschingstaumel geworfen hat und augenblicklich je-