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ein Attentat auf seinen Hausherrn und Gön­ner und verschwand spurlos

Wien, 17. Jan. Laut Meldungen aus Brody haben neuerdings Zuzüge zweier russi­scher Kavallerie-Regimenter nach Lnczk, wel­ches bereits ein starkes Barackenlager besitzt, und die Errichtung einer großen Feldbäckerei in Rowno stattgesunden. Viele russische Re­serveoffiziere wurden in den Aklivstand über­nommen.

Naris, 15. Januar. Die Ordens-Scan- dalc sind noch immer nicht abgeschlossen; der Figaro" meldet, daß eine vielgenannte Per­sönlichkeit von der Partei der Intransigenten gegen 50,000 Francs Orden verschaffte; der Figaro" wird weitere Mitteilungen machen, wenn der Gerichtshof entschieden hat, ob eine Untersuchung einzuleiten ist. Andererseits schreibt der in solchen Sachen immer gut unterrichtete Gil Blas":Seit einigen Tagen circulieren im Justizpalast verschiedene Gerüchte über höhe Justizbeamte, die sich weit schlimmer gebahrt hätten, als Mgneau, die aber mit der Affaire Wilson nichts zu thun gehabt haben."

Aaris, 16. Jan. Bei der gestrigen Jagd des Präsidenten in Rambouillet glitt ein Wald­wärter aus und das sich entladende Gewehr traf den General Brugere in die linke Hüfte. Die Verwundung ist ziemlich erheblich, der Zustand des Generals indes befriedigend.

Arü/sek, 17. Jan. Im Alhambratheater brach gestern Abend während der Vorstellung Feuer aus, das aber ohne große Mühe bald gelöscht werden konnte, so daß das schreckliche Drängen der Zuschauer ohne schlimme Folgen blieb.

Nom, 13. Jan. Es verlautet, die be­waffnete Truppenmacht der Abcssynier betrage ca. 100,000 Mann. Davon sollen 40,000 mit Hinterladern von verschiedenem Modell, 20,000 mit alten Vorderladern und 40,000 mit Lanze und Schild bewaffnet sein. In Anwesenheit von u. A. vierzig Bischöfen em­pfing der Papst heute gegen 3000 Pilger Um­briens, Toscanas und der Provinz Rom. Wie ein hiesiger Korrespondent derFranks. Ztg." hört, hat der Papst bereits eine große Encyclika über die sociale Frage ausgearbeitet; es soll darin das Zusammengehen der Kirche mit dem Staate gegenüber den Arbeitern be­tont werden.

Nom, 16. Jan. Der berühmte Krimina­list, Senator Francesco Carrara, ist in Lucca gestorben. Er war 80 Jahre alt. Carrara hat seinerzeit das Strafgesetz für die Schweiz ausgearbeitet, wofür diese ihm das Bürger­recht verlieh.

Klorenz, 10. Jan. Die Königin von Württemberg, welche alle Florentiner Sehenswürdigkeiten aufs Eingehendste besichtigt, begab sich gestern in das Atelier des Holz­schnitzers Prof. Frullini, der Ihrer Maj. schon seit Jahren bekannt ist durch seine wunder­baren, in ganz Europa verbreiteten Arbeiten. Die Königin besuchte das große und reiche Arbeitszimmer Frullinis, ließ sich seine Ar­beitsweise erklären und war außerordentlich befriedigt. Sie spendete dem Künstler reiches Lob, kaufte verschiedene Gegenstände und ver­sprach wiederzukommen.

San Wemo, 16. Jan. Seit gestern ist die Witterung hier äußerst rauh. Heute früh 3 Grad Celsius. Die umliegenden Höhen sind seit einigen Tagenleicht mit Schnee bedeckt. Der Kronprinz ist seit Freitag leicht erkältet und an das Zimmer gefesselt.

Konstantinopel, 15. Jan. In Mace- donien wurden zwei aus Montenegrinern und Bulgaren bestehende Banden, welche die Grenze von Ostrumelien überschreiten wollten, durch türkisches Militär festgenommen.

Neterskurg, 12. Jan. Es verlautet hier gerüchtweise von weiteren Arretirungen und Entdeckungen bezüglich des geplanten Atten­tats auf den Kaiser Alexander. So heißt es, eine große Menge Dynamit sei in einem Pe­tersburger Polizeibureau aufgefunden worden. Die Nihilisten hielten diesen Versteck für den sichersten, und so erscheint es allerdings kaum anders möglich, als daß einzelne Polizisten zu den Revolutionären gehörten. Man sagt fer­ner, der Kaiser wollte gleich nach dem Neu­jahrsfest wieder nach Gatschina zurückkehren.

Netersöurg, 15. Jan. DasJournal de St. Petersburg" sagt, das Programm des Finanzministers Wischnegradski bestätige noch­mals nicht allein die loyalen, friedlichen Ab­sichten der Regierung, sondern auch ihr Ver­trauen darauf, daß der Friede auf lange Zeit erhalten werden könne, wenn die Integrität, die Würde, die Ehre und die Interessen Ruß­lands geschützt würden. Ohne Zweifel könne keine Regierung für die Aufrechterhaltung des Friedens auf bestimmte Zeit eine absolute Ga­rantie gewährleisten. Dieser Vorbehalt sei voll­ständig natürlich. Bis jetzt habe die kaiser­liche Regierung stets ihre Politik des Friedens unter Bedingungen bethätigt und ausgespro­chen, deren Wichtigkeit Niemand habe entgehen können. Es habe dies auch den besten Ein­druck auf das Ausland gemacht. Zu wünschen sei daher, daß die auswärtigen Zeitungen und deren Leser nicht weiterhin die Opfer alarmi- render und spekulativer Erfindungen würden

Die Ueberschwemmungen in China.

lieber die entsetzlichen Verheerungen, welche der Gelbe Fluß im vor. Herbste angerichtet hat, geht der Nat. Z. aus London vom 10. Januar folgender ausführliche Bericht zu: Der verräterischeHoang-Ho oder gelbe Fluß, der schon seit dem grauen Altertum so viel Unheil in dem chines. Staat angerichtet hat und durch die groß­artigen Verheerungen, die er zeitweilig anrichtete, in den Annalen des Landes berüchtigt ist, ist wieder einmal aus seinen Ufern getreten, und die Wasser haben diesmal mit solcher verhee­renden Kraft gewütet, daß die früheren Ueber­schwemmungen in ihren unheilvollen Folgen weit hinter der gegenwärtigen Zurückbleiben. Obgleich das Unheil bereits am 28. Sept. begann, treffen erst jetzt die Einzelheiten aus Shangai und Peking hier ein. Ein hoher chinesischer Beamter, welcher beauftragt war, die Verheerungen an Ort und Stelle zu unter­suchen und seiner Regierung Bericht darüber zu erstatten, meldet, daß nahezu V« der Pro­vinz Honau, die derGarten Chinas" genannt wird, in einen großen See ungewandelt ist, aus dem nur hier und dort das Dach einer Pagode oder hohe Thürme und Mauerzinnen hervorragen und den Ort andeuten, wo sich vor Kurzem noch menschenreiche Städte be­fanden. Tausende von Einwohnern, die von dem Wassertod gerettet wurden und einst reich und wohlhabend waren, weilen gegenwärtig heimatlos an den Ufern des neuen Sees und lassen ihre Augen verzweifelnd über die Fluten hinschweifen, in denen ihr Besitztum unterge­gangen ist und ihre Angehörigen ein trauriges Ende gefunden haben, während ihnen selbst nichts geblieben ist, als das nackte Leben und die Aussicht auf Hungertod. Die Ueberschwem­mungen begannen ganz in der Nähe von Kai- fung-fu, einer der größten Städte der Pro­vinz. Dort wurde eine meilenlange Strecke des großen Dammes, welcher zum Schutze der Gegend errichtet war, vollständig durch die austretenden Wasser des Flusses niedergerissen und Alles, was über dem Erdboden hervor­ragte, von den einbrechenden Fluten geradezu wegrasiert. In den Bezirken von Tsching-

tschau und Tschen-tschau wurden nicht weniger als 3000 große Dörfer binnen weniger Mi­nuten vollständig ein Raub der Wasser und fast kein einziger der Einwohner war im Stande, sich zu retten. Die Ausdehnung des Unheils wird am klarsten, wenn man bedenkt, daß eine Gegend, die beinahe so groß und weit dichter bevölkert ist als Holland, jetzt einen einzigen See bildet, und daß deren Einwohner fast alle ertrunken oder obdachlos sind. Der Flächen­inhalt des neuen Sees wird auf 8 10 000 engl. Quadratmeilen geschätzt und die Anzahl derer, die dort lebten, auf über 5 Millionen. Die Pekinger Zeitung meldet von dem unge­heuren Elende, dem die Ueberlcbenden ausge­setzt sind, und nach zuverlässigen Nachrichten zählen dieselben mehrere Millionen. Unter den untergegangenen Städten sind die hauptsäch­lichsten Tsching-tschau, Wei-Si, Tschung-mu, Jen-lin, Fu-Kao, Si-Hai, Tfin-tschau Tscho- tschia Kow, Tai-kang, Tai-ping und Mng-tschau. Die letztere Stadt gehörte zu der Provinz Ngan-bwuy. Die Gegend, in welcher jene Städte lagen, ist eine große Ebene und be­fand sich, kurz ehe die Überschwemmung ein­trat, im blühendsten Zustande, strotzend von Reisfeldern, Maulbeerbaumpflanzungen und landwirtschaftl. Erzeugnissen aller Art. Die gegenwärtige Ueberschwemmung ist die größte, welche sich ereignet hat, seit der sagenhafte und unter die Götter versetzte Kaiser M die Wasser der Nebenflüsse des gefährlichen Hoang- Ho aus ihren alten Betten abgelenkt haben soll, lange ehe Europa in die geschichtliche Zeit eintrat. Der gegenwärtige Lauf des Flusses ist vollständig verändert. Kai-fung-fu (zuweilen auf der Landkarte als Kaifong angegeben) liegt jetzt nördlich von dem Hoang-Ho. Bei Kai fung-fu wandte sich früher der Fluß nach Nordosten, während er jetzt sich nach Süd­osten wendet und den Kwei oder kleinen gelben Fluß so zu sagen verschlungen hat, durch dessen Bett ein Teil der Wasser des Haupt­flusses jetzt sich durch die Provinz Kiangfu ins Meer ergießt und nicht länger Schangtung bewässert. Trotzdem zur Zeit des Abgangs dieser Nachrichten (am 12. Nov.) von Shang­hai nahezu 2 Monate seit dem Beginne der Ueberschwemmung verflossen waren, hatte der Hauptfluß damals noch nicht das Meer er­reicht. Anfangs hieß es, daß die Wasser eine Verbindung mit dem Aangtse-Kiang anstrebten. Dieses jedoch erwies sich als unrichtig und es stellte sich schließlich heraus, daß der See sich von Tag zu Tag erweitert und sich wieder in jenes riesige Binnenmeer zu verwandeln droht, welches, wie die chines. Geschichtschreiber an­geben, zur Zeit des erwähnten mythischen Kaisers W in jener Gegend bestand, und welches derselbe trocken gelegt haben soll, in­dem er ein neues Flußbett für den Hoang- Ho schuf und denselben so in Dämme einschloß, daß er den Lauf verfolgen mußte, den er noch vor Kurzem hatte. Der Zahn der Zeit hatte an diesen Dämmen genagt, und wahrscheinlich ein Unglück wie das jetzt hereingebrochene vor­hersehend, trugen sich die chines. Behörden in jener Gegend vor einigen Monaten mit dem Plane, den Fluß wieder in sein altes Bett durch Oeffnung der Dämme bei Kai funo-fu zurückzulenken. Das furchtbare Unheil hat einen tiefschmerzlichen Eindruck auf die kaiser­liche Familie in Peking gemacht. Nach den geringsten Schätzungen wird die Regierung einer Summe von 10 Millionen Tael und der Hilfe europäischer Ingenieure bedürfen, soll der angerichtete Schaden auch nur einigermaßen wieder gut gemacht werden. Um das nötige Geld aufzubringen, haben die Ratgeber des Kaisers vorgeschlagen, sofort den Anschaffungen von Waffen und Munition im ganzen Kaiser-