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(Nachdruck verboten.)
Der neue Justizpalast in Brüssel. (Mit Bild auf Seite 194.) — Unter dm im Laufe der letzten Jahrzehnte entstandenen Neufchöpfungen der Brüsseler Architektur nimmt der großartige neue Justizpalast, von dem wir ans Seile 194 eine Ansicht geben, die erste Stelle ein. Derselbe ist nach den genialen Entwürfen Poelaeri's 1866 begonnen worden und sollte eigentlich bereits zur Jubelfeier des 50jährigen Bestehens der belgischen Monarchie 1880 fertig gestellt sein, indessen konnte die feierliche Einweihung erst am 15. Oktober 1883 statlfinden. Der Ban hat über 50 Millionen Franken gekostet, aber der Justizpalast ist daiür auch ein Monumentalbau geworden, der in Europa kaum seines Gleichen hat. Den Grundplcvi bildet ein Rechteck von 180 Bieter Länge und 170 Meter Breite, auf großartigen Treppen steigt man aus den tiefer gelegenen Stadttheilen zu dem Justizpalast empor. Im Centrum erhebt sich über dem Hauptsaale eine riesige Kuppel, die im Innern 82 Meter, im Ganzen 122 Bieter hoch ist. Der niit seiner aus unserer Ansicht dargestellten Hauplfayade nach der Rne de la Rägence zu g-richtete Bau mit seinen unzähligen Säulen, semer schweren massiven Gliederung und seinem 30 Meter hohen Portal macht einen grandiosen Eindruck.
Junge Löwen bei der Mahlzeit. (Mit Bild auf Seite 195.) — Die Löwin bringt meistens zwei bis drei Junge zur Welt, die sie nach etwa sechs Monaten entwöhnt, worauf sie anfangen, die Mutter, wenn auch zuerst
wie die drei Freiberger Pokale, genoß der sogenannte Störtzenbecher, welcher sich im Besitz der Schiffergeseüschaft in Hamburg befindet. Fremde, denen er gezeigt wurde, mußten daraus trinken und sich dann in ein Buch einschreibe». Ueberhaupt gab es im Mittelalter und im Anfang der Neuzeit keine Familie von Ansehen oder Reichthum, die nicht wenigstens einen Becher von besonders kostbarem oder seltenem Material besaß, welcher bei Festen die Runde machte. Ein Schriftsteller jener Zeit eifert in folgenden Worten gegen dies.» Becher- luxus: „Die Weltkinder und Trinkhelden trinken heutigen Tages aus Schiffen, Windmühlen, Late» neu, Sackpfeisen, Schreibzeugen, Krummhörnern, Weinwagen, Weintrauben, Aepseln, Birnen, Hähnen, Affen, Pfauen, Pfaffen, Mönchen, Nonnen, Bauern, Bergleuten, Bären, Löwen, Hirschen, Straußen, Schweinen und anderem Viehzeug, und diese ungewöhnlichen Trinkgeschirre hat der Teusel erdacht und seine Diener gefertigt, zum großen Mißfallen Gottes im Himmel." sF. Z.j
General Uor? und Friedrich Wilhelm HI. — König Friedrich Wilhelm I>I. von Preußen hat es dem General Pork nie ganz vergeben, daß er ohne seine Vornnssen und seine Einwilligung in der Mühle zu Poscherun bei Tauroggen mit dem russischen General die bekannte Konvention schloß. Bei jeder Gelegenheit tränkte es der König dem General ein. Als nach der Schlacht bei Bautzen am 20. und 21. Mai 1813 die Sachen sehr bedenklich zu stehen schienen, brummte der König den General an: „Haben allen diesen Wirrwar verschuldet!" und als nach Ablauf des Waffenstillstandes das Corps
nur aus kürzere Strecken, bei ihren Ausflügen zu begleiten. Diese richten sich! des Generals zu Rogau vor dem König Revue paffirte und es dabei an zumeist nach der Gegend d r in den Steppen und Wüten ziemlich seltenen! Schuhwerk und Bekleidung fehlte, erhielt Pork zum Dank für seine Strapazen Tränkplätze, wo am ersten Beute zu machen ist. Die Löwin schleppt ihren! zu hören: „Mir sehr unangenehm. Haben aber den Krieg gewollt nnd Alles Jungen zuerst kleine erbeutete Thiere zu, wie wir auf unserem Bilde auf angefangen " — Krerx- miederbolte — „nck, Arndt- Meine M„n-
Seite 195 sehen, welches die kleinen Löwen bei der Mahlzeit darstellt, wie sie derungcn" mit wilder Gier über die Beute herfallen und sie zerreißen. Später bringt ihnen die Alte dann auch wohl Thiere, welche noch leben, und läßt diese vor ihnen frei, woraus dis junge Brut sie verfolgt, üm so all- mähtig in dem räuberischen Gewerbe, welches sie später betreiben soll, geübt zu werden.
Schließlich nimmt die Alte sie mit. aus die Jagd hinaus, wo sie nun alle Listen und Schleichwege, die ganze Kunst des Raubes erlernen.
Geistesgegenwart. — Der berühmte Kanzelredner Horne hatte einst versprochen, in der St. Johanneskirche zu London zu predigen. An dem fraglichen Tage verließ er auch seine Wohnung, schlug aber in tiefer Zerstreutheit einen verkehrten Weg ein und gelangte nach der Paulskirche. Er trat in das Gotteshaus, ohne sein Versehen zu bemerken. Selbst als er in der Sakristei bereits einen anderen Prediger antras, wurde er seines Jrrthums nicht inne. Er kannte diesen Geistlichen nicht persönlich und auch der Letztere sah seinen berühmten College» zum ersten Male. Die Kirche war ungewöhnlich schwach besucht; tiefe, feierliche Stille herrschte in den weiten Hallen, und nur hier und da hörte man das murmelnde Gebet eines einsam Knienden, obgleich der Gottesdienst binnen wenigen Minuten beginnen sollte. Horne war gewohnt, bei seinen Predigten eine zahlreich versammelte Gemeinde um sich zu sehen, in seiner Zerstreutheit aber fiel ihin der schwache Besuch des Gotlesdie, stes nicht weiter aus. In tiefe Gedanken versunken stand er eine Weile da, ließ seinen BOck durch die menschenleeren
Räume schweifen und knüpfte dann ein Gespräch mit seinem College» an.
„Ich werde wohl heute vor leeren Bänken predigen müssen," meinte der Letztere im Laufe der Unterhaltung. — „Warum denn?" gast Horne verwundert zurück. — „Weil die halbe Bevölkerung Londons nach der St. Johannes- kirche strömt, um den berühmten Kanzelredner Horne zu hören." Jetzt erst erkannte Horne seinen Jrrthum, er erschrak über den Possen, welchen ihm seine Zerstreutheit gespielt halte, aber er verstand sich zu beherrschen und verrieth mit kemer Miene seine Ueberraschung. „Hm," sagte er gelassen,
„also dort predigt heute Horne. Nun, drnn werde ich mich auch nach St.
Johann begeben müsst», denn Horne wollte ich gerade hören." Hierauf verabschiedete er sich mit einer flüchtigen Verbeugung von seinem nichts ahnenden Kollegen und eilte nach der richtigen Kirche. sL. Ww.s
Alterthümkiche Trinkgefässe. — Nicht nur auf einen guten Trunk gaben unsere Vorfahren sehr viel, sondern sie liebten es auch, ihren Witz, ihre Erfindungskraft und ihren Reichthum in der Anfertigung und im Besitz kostbarer, reichverzierter und seltsam geformter Trinkgefässe zu zeigen In der Kunstsammlung zu Weimar, sowie in der Kunstkammer zu Dresden befinden sich solche Trinkbecher aus Kokosnüssen, aus Elennthierklauen, Straußeneiern, Rhinozcroshorn und anderem sonderbaren Material. In Freiberg auf dem von dem Kurfürsten August erbauten Schlosse werden drei große silberne Pokale gezeigt, welche die Gestalt von Bergleuten haben und die gebraucht wurden, wenn König Friedrich August dorthin kam. Wer im Stande war, einen derselben zu leeren, der durste zum ewigen Angedenken an seine Helden- that seinen Namen in ein kleines, in rothem Saffian gebundenes Buch ein- tragen. Das interessante Buch zeigt eine lange Reihe von Äutographen sürst- licher Persönlichkeiten, darunter auch viele sächsische und polnische Damen, welche sich nicht gescheut haben eigenhändig zu bescheinigen, daß sie an hervorragender Lrinkkrast den Männern nicht nachstanden. Gleiches Ansehen,
Aus der Geo graphicstun d e.
Lehrer: Als eine Eigenthllmlichkeit von England will ich Eucl noch anführcn, daß es dort keine Störche gibt.
Schüler' Aber wo kommen da denn die kleinen Kin der Herl
Auslösungen von Nr. 48:
der Charade: Flocke, Glocke; des B ilder-R ät h se l ist immer einfach.
Alle Rechte Vorbehalten.
Verlag von Chr. Wildbrett in Wildbad. Ncdigirt, gedruckt und herausgegeben von Hermann Schönlcin in Stuttgart.
Diese Scene wiederholte sich — nach Arndt: „Meine Wan- im Jahre 1814 nochmals. Dort heißt es: „Als in Frankreich Pork nach vielen Schlachten und Siegen vor Friedrich Wilhelm aufmarschirte nnd die Soldaten zum Theil mit beschmutzten und zerrissenen Monturen und Stiefeln vor ihrem Herrn standen, sagte der König: „Schlecht geputzt und gekleidet!" und als Pork das mit dem Winterfeldzuge und der tüchtig vollbrachten Kriegsarbeit entschuldigte, fiel ihm der König ein: „Nun, müssen's eben ertragen, haben's ja nicht anders gewollt!" C. T.
Die Steinkohlen waren im Mittel- alter bereits in Nordeuropa bekannt. In Großbritannien ließ schon 1245 der König Heinrich II l. Untersuchungen über Steinkohlen und den Lohn der dabei gebrauchte» Arbeiter anstelle». In Schottland erhielt 1281 die Abtei Dunferline das Recht, Steinkohlen in der Grafschaft Fife zu graben; ungefähr ebenso weit reichen die Nachrichten vom Steinkohlenhandel der Stadt Newcastle. Im südlichen Europa waren die Steinkohlen damals noch unbekannt. Der Reisende Marco Polo fand sie auf einer Tour in China im Jahre 1270 und bewunderte sie dort als Neuigkeit. Ja, in der Milte des 15. Jahrhunderts waren sie noch eine Seltenheit, Papst Pius II. (Aeneas Sylvius) lernte sie um diese Zeit erst in Schotland kennen. Bck.
Diplomatische Geschäfte. — Kaiser Nikolaus I. war auf einer Reise nach London begriffen, als er unerwartet eines Vormittags um elf Uhr in Berlin eintraf. Er begab sich sogleich in das Gesandtschafkshotel Unter den Linden, wo der Gesandte Meyen- dorff, der sich immer den Anschein gab, als j sei er mit diplomatischen Geschäften über- häuft, in Wirklichkeit aber sehr wenig leistet', sich noch des süßesten Schlafes erfreute. Man wollte ihn wecken, aber Nikolaus begab sich selbst iu das Schlafzimmer. Meyendorff fuhr aus und erschrak heftig, als er seinen Gebieter vor sich sah. „Majestät!" stotterte er. Aller der Zar lachte: „Verzeihe, lieber Meyendorff, daß ich Dich so frühe in Deinen ,diplomatischen Geschäften' gestört habe." W. G.
ßharade.
Die lichte Hälfte jedes Lebens, Die andre Hälfte wählt die Dritte
Ob sie nun Zeuge edlen Streben?, Am liebste» aus für ihre Schritte,
Ob Nichtigem geweiht sie sei. Durch die dem Nächsten sie entführt.
Gibt zu Erkennen Eins und Zwei. Was rechtlich ihr nicht selbst gebührt.
Das Ganze aber macht für morgen Sich niemals Angst nnd bange Sorgen Und lebt, als wär' die ganze Welt
Zu seiner Lust nur hergestellt. M. Paul
Auflösung folgt in Nr. 50.
Wahr- Geistesgröße