außerordentliche Fähigkeiten, hat eine sehr gute Stellung, durch die Verbindung mit Harport's Tochter würde er ein beträchtliches Vermögen erhalten haben — weshalb hat er Harport erschlagen?"
„Damit dessen ganzes Vermögen ihm zufalle. Haben Sie nie Menschen kennen gelernt, die in ihrer Habgier unersättlich sind?"
Der Staatsanwalt schwieg. Auch er hatte reiche Erfahrungen, dennoch war er nicht im Stande, sich in Hercher's Charakter hineinzudenken.
„Ich habe ihn noch nicht verhört, wollen Sie mich zu ihm begleiten?" sprach er. „Ich bin neugierig, wie er sich den Beweisen gegenüber benehmen wird."
„Wahrscheinlich sehr dreist, er hat ja Zeit gehabt, sich auf alle Fälle vorzubereiten; daß ich den Flußarm durchsuchen lasten würde, weiß er, er muß sogar annehmen, daß ich die Uhr und das Portemonnaie gefunden habe. Ich werde mit Ihnen gehen."
Ohne Zögern begaben sie sich zu dem Gefängnißgebäude, in dem Hercher uniergebracht war. Als sie vor seiner Zelle angelangt waren, zog Eschebach ein kleines Schiebfenster, welches in der Thüre angebracht war, vorsichtig soweit zurück, daß ihm ein Blick in die Zelle gestattet war. Unruhig schritt der Verhaftete in dem engen Raume auf und ab, die Augen starr auf den Boden gerichtet. Die Farbe seines Gesichtes war bleich, grau; es schien Eschebach, als ob er in den wenigen Stunden um Jahre gealtert sei.
Eschebach zog den Staatsanwalt vor das Fenster.
„So sieht Niemand aus, der ohne Schuld verhaftet ist," bk- 3 merkte er.
„Haben Sie den Verhafteten, wie ich Ihnen sagen ließ, sorgfältig beobachtet?" wandte er sich dann an den Wärter.
„Ja."
„Wie benahm er sich?"
„Als ich ihn in die Zelle brachte, lachte er höhnend auf und be- I merkte, er werde bittere Genugthuung verlangen, weil ihm solch ! Schmach zugefügt werde. Als er allein war, ging er wie jetzt fort- I! während auf und ab."
„Während der ganzen Zeit?"
„Ja, denn ich habe fast alle zehn Minuten nach ihm gesehen."
„Weiß er, daß Sie ihn beobachteten?"
„Ich glaube nicht, denn er blickte stets starr vor sich hin."
„Schließen Sie die Thüre auf und bleiben sie vor derselben stehe», damit Sie sofort eintreten können, wenn Sie gerufen werden."
Eschebach trat mit dem Staatsanwalte in die Zelle ein. Herchi schien durch den Besuch nicht überrascht zu sein, seine lauge Gestalt ^ richtete sich gerade auf. Ohne Zögern trat er an den Staatsanwalt i heran. i
„Herr Staatsanwalt, mich hat verlangt, Sie zu sehen, um mich
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Ter Lünersee bei Bluderij. <S. 132)
beschweren zu können, weil mir in unerhörter Weise Gewalt angethan istl" rief er. „Wie ein Verbrecher bin ich verhaftet und in diesen Raum gebracht. Ich habe mich der Gewalt gefügt, allein ich verlange Aufklärung und Genugthuung!"
„Sie wissen, welcher Verdacht auf Ihnen ruht?" bemerkte der Staatsanwalt.
„Nein," gab Hercher mit fester, dreister Stimme zur Antwort. „Ich weiß nur, daß der Herr Kommissär gesagt hat, es laste der Verdacht auf mir, daß ich meinen Schwiegervater ermordet habe, dieser Verdacht ist jedoch so wahnsinnig, daß ich an den Ernst desselben nicht eine Minute lang geglaubt habe. Ich habe denselben für einen Freundschaftsbeweis des Herrn Kommissärs gehalten, weil ich das Glück habe, das Mädchen, welches er geliebt hat und wahrscheinlich noch liebt, meine Braut zu nennen."
Dar Blut schoß bei diesen Worten in Eschebach's Wangen, denn er liebte Meta in der That noch. Er bezwang sich jedoch soweit, daß er auf die Verdächtigung nicht antwortete.
„Die Beweise für den Verdacht des Herrn Kommissärs sind bereits gefunden," sprach der Staatsanwalt.
„Daun bin ich in der That neugierig, dieselben kennen zu lernen," warf Hercher ein. Ueber sein Gesicht glitt wieder fein gewohntes Lächeln.
„Kennen Sie dieses Tuch?" fragte Eschebach, indem er ihm Tuch, welches im Flusse aufgefunden worden war, übergab.
Der Ingenieur sah es Prüfend an.
„Es gehört mir. Woher haben Sie dasselbe?" entgegnete er. „Sie können diese Frage sich selbst beantworten. Es ist dasselbe Tuch, in welches Sie Harport's Uhr und Portemonnaie gebunden und das Sie dann in's Wasser geworfen haben," sprach Eschebach. , „Sie sprechen in Räthseln für mich." gab Hercher zur Antwort. ' „Sie wagen noch zu leugnen, nachdem Sie dies Tuch als W Eigenthum anerkannt haben!" . '
„Herr Kommissär, ich glaube, Ihr Scharfsinn hat Ihnen >» diesem Falle einen schlimmen Streich gespielt I" fuhr Hercher fort. „Ich erinnere mich, daß ich in den Tagen, als Harport ermordet wurde, ein Schnupftuch vermißte, ob ich es verloren habe oder ob eZ mir gestohlen worden ist, weiß ich nicht; ich habe nur einen geringe" Werth darauf gelegt."
„Weshalb haben Sie mir dies nicht früher gesagt?" ,
„Aus einem sehr einfachen Grunde. Ich konnte unmöglich ahnen, daß das Tuch, welches ich vermißte, zu einem solchen Zwecke benutzt worden war."
„Sie wußten also nicht, daß die Harport geraubten Sachen i" dem Flußarme lagen?"
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