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AÜÜttstlA^IlülAeS. (Nachdruck verboten.)

Nächtlicher Ueberfall. (Mit Bild aus Seite 46.) Nächtliche Stille herrscht im Walde, nur ein leises Girren ertönt von dem Neste einer brütenden Taube her, das sich in der Astgabelung einer mächtigen Buche befindet und gerade von dem emporsteigenden Vollmonde hell beleuchtet wird. Plötzlich zeigt sich eine dunkle Gestalt auf dem einen Aste, duckt sich zuweilen und schleicht dann wieder lautlos vorwärts. Ein spitzes Näschen schnobert nach dem Neste hin, auf welches die blitzenden Augen des Baum- oder Edelmarders ein solcher ist nämlich das heranschleichende Raubthier gerichtet sind. Schon zieht der Marder zum Sprunge den Rücken zusammen, da knackt ein dürres Aestchen unter ihm: die ausgeicheuchte Ringeltaube entfliegt eilends dem Neste, wie dies unser Bild auf S. 46 darstellt, und ist für diesmal noch glücklich dem nächtlichen Uebersall entronnen. Meist freilich glückt dem Bauinmarder, dessen Gebiet sich über alle bewaldeten Gegenden der nördlichen Erdhälfte er­streckt, sein Anschleichen, denn er ist überaus gewandt und behende.

Das Raltenfängerhaus in Hameln. (Mit Bild auf Seite 47.) Die an dem Einfluß der Hamel in die Weser im preußischen Landdrosteibezirke Hannover gelegene Stadt Hameln ist der Schauplatz der allen Rattenfängersage, mch der am 26. Juni 1284 ein fahrender, buntscheckig gekleideter Spielmann alle Ratten der Stadt mittelst einer Zauberpfeife in die Weser gelockt und darin ertränkt haben soll. Als dann der Magistrat aber den ausbedungenen Lohn nicht zahlen wollte, habe der unheimliche Zauberer aus Rache, wie vorher die Ratten, nun alle Kinder der Stadt mittelst seiner Pfeife in den benachbarten Koppenberg gelockt. Dieser habe sich aufgethan, und nachdem der Spielmann mit den Kindern hineingezogen, wieder geschlossen: letztere läßt die Sage dann nach einiger Zeit in Siebenbürgen wieder zum Vorschein kommen und dort eine deutsche Kolonie begründen. An diese Sage erinnert nun das auf unserer Illustration auf S. 47 abgebildete Ratten­sängerhaus in der Osterstraße zu Hameln, ein prächtiger Bau aus der späteren Re- naissaneezeit. Auf der der Bungelosenstraße zugekehrten Wand befindet sich nämlich fol­gende Inschrift:Xvuo 1284 Xm vage ckobanvio et Lnuli IVsr cksr 26. ckuvii

Ooreb Linen kipei- (Pfeifer) Nit Xllsrle;'

Larve (Farbe) Leklscket 6e>vssen 6XXX (13V) Liucker Verlockst (verleitet) Linnen Hameln 6ebo(re)n Do (zu) Lalvarie Li (bei) Len Lappen Verloren," von welcher das Haus seinen Namen erhalten hat.

Von Christian Daniel Friedrich Schubart, dem Verfasser derFürsten­grust", bekannt vor Allem durch seine zehn­jährige Kerkerhaft auf dem Hohenasperg, erzählt sein Sohn Ludwig folgende Episode:

Er (mein Vater) war aus Besuch bei einem Edelmanne, die Gesellschaft zahlreich und glänzend; die Freuden der Mittagstafel dauerten bis gegen Abend und wurden, wie sonst, durch sein Spiel, seinen Gesang und seine Deklamation vermehrt. Ein Mit­glied der Gesellschaft lenkte beim Kaffee das Gespräch auf außerordentliche Seeleu- kräfte, und nachdem mancherlei Beispiele erzählt worden waren und der Herr des Hauses bemerkt hatte, er glaube, daß Schu­bart wohl auch ein dergleichen Beispiel aus­zustellen vermöchte, so machte sich Letzterer anheischig: Er wolle zu gleicher Zeit ein deutsches Lied verfertigen, es in Musik setzen, einen Brief diktiren und mit einem der Anwesenden über einen literarischen Gegen­stand reden. Der Vorschlag erregte allgemeine

. , ^. Aufmerksamkeit und ver­

schiedene Wetten wurden darauf eingegangen. Als der Gegenstand des Briefes und der Unlerhaltung verabredet war, ging Schubart eine Weile an's Fenster, setzte sich sodann und der Kampf begann. Er schrieb Text und Noten eines gesellschaftlichen Liedes zugleich nieder, diktirte einen drei Seiten langen Bries ohne Anstoß und verkehrte mit einem Gelehrten über ein neuerschienenes Buch mit seiner gewöhnlichen Wärme. Die Operation dauerte über eine halbe Stunde: dann las er selbst den Brief vor, spielte und sang sein Lied und erregte das Erstaunen aller Anwesenden. Aehnliche Versuche hatte er schon als Kandidat und während seines Predigtamtes angestellt, wo auf ihn gewettet worden war, daß er eine rührende Predigt über einen Text halten würde, der ihm beim vorletzten Vers der Gemeinde (also kurz bevor er die Kanzel bestieg) gegeben werden sollte. Doch kamen diese und ähnliche Proben in keinen Betracht mit der obigen." skl.s

Zur Geschichte Ser Nadel. Während man doch glauben sollte, solch' ein einfaches und nützliches Ding wie die Nadel müßte schon Eva im Paradiese erfunden haben, geschah dies doch erst im 15. Jahrhundert. Erst um das Jahr 1410 lernte man die Nadel kennen: sie verdrängte die bis dahin gebräuchlichen Dornstacheln der Armen und die silbernen und goldenen Stjst- chen, womit die Vornehmen und Reichen ihre Gewänder befestigten. Der Er­finder der Nadel war ein Pariser Drahtzieher, Namens Tourangeau, der, von starkem Erwerbssinne beseelt, Tag und Nacht darauf sann, sein Handwerk zu vervollkommnen. Die Schwierigkeit der Herstellung machte anfangs die Nadel zu einer kostbaren Waare, und man fand sie gewöhnlich nur aus den Toilette- tijchen der Königinnen und Fürstinnen. So befand sich z. B. eine Büchse mit Nadeln unter den Gaben, welche Frau v. Beaujeu, Tochter Ludwig's XI. von Frankreich (1461 bis 1483), bei ihrer Vermählung als Mitgift erhielt, und ) der bis auf unsere Tage gekommene AusdruckNadelgeld" deutet schon daraus!

bin, wie dieser jetzt so billige Gegenstand vormals eine besonders und stelz mit hohen Zahlen angesetzte Rubrik in dem Ausgabe-Etat einer Hausfrau bil­dete. In England blieb die Nadel bis zur Regierung Heinrich's VIII. (1 gz bis 1547) unbekannt. Zu dieser Zeit brachte sie die schöne und später so un­glückliche Anna Boleyii mit aus Frankreich, und vielleicht hat das Volkswoä: Nadeln zerstechen die Liebe" Bezug auf diese beklagenswerthe Königin. sR.j Abraham a Santa Clara über Sie Jungfrauen. Der seiner Zeit berühmte Hofprediger und Kapuzinermönch Abraham a Santa Clara, hielt im Jahre 1702 im Wiener Stephansdom eine Predigt, die noch in einer Handschrift in der Wiener Hofbibliothek vorhanden ist. Die Definition einer wahren Jungfrau, die der Kanzelredner in seiner drastischen Manier gibt, lautet im Auszug:Eine rechte Jungfrau soll sein wie die Glocken anr Char- freitag, muß sich nit viel hören lassen. Eine rechte Jungfer soll sein und muß sein wie eine Orgel, sobald diese ein wenig angetastet wird, so schreiet sie; eine rechte Jungfer soll sein wie der Palm-Esel, der läßt sich im Jahr nur einmal scheu; eine rechte Jungfer soll sein wie eine Spital-Suppen, die hat nit viel Augen, also soll sie auch wenig umgaffen: eine rechte Jungser soll sein wie eine Nacht-Eul, die kommt sein wenig an's Tag-Licht; eine rechte Jungfer soll sein wie ein Spiegel, wenn man diesem ein wenig zu nah­kommt und anhauchet, so machet er eirr finsteres Gesicht; eine rechte Jungser soll sein wie ein Licht, welches versperrt in der Latern' viel sicherer ist, als außer derselben. Insonderheit aber soll sein und muß sein eine rechte Jungfer, wie eine Schildkröte, diese ist allzeit zu Haus, Massen sie ihre Behausung mit sich trägt." kl.

Seltsame englische Leheuspflichten. Der König Heinrich VIII, gab Georg Talbot, Grafen von Shrewsburp, die Besitzungen des Klosters Worksop unter derWedingung, daß derselbe und seine Nachfolger dem König­en seinem Krönungstage einen Handschuh sür die rechte Hand lieferten und ihm deu rechten Arm stützten, so lange er an diesem Tage das Scepter halte. Der Herzog von Norfolk leistete diese Lehenspflicht noch bei der Krönung Georg's III. (1760), da er derzeitiger Besitzer des Lehens war. Das Gut Bardolph wurde unter der Bedingung vergeben, daß der Besitzer ein Apfel-Compot sür die Tafel des Königs bereite. Später brauchte der Besitzer des Gutes dieses Compol nur noch aus die königliche Tafel zu stellen. Die Gemahlin William Leston's erhielt von Eduard III. das Gut Overkall unter der Bedingung, daß sie und ihre Nachfolger dem König an seinem Krönungstage süns Waffeln backe und ihm überreiche. Salomo Atlesield erhielt ein großes Gut in der Graf­schaft Kent unter der Bedingung, daß er und seine Erben jedesmal dem Könige folgten, wenn er sich auf ein Schiff begebe, um ihm den Kops im Nothfall zu halten, wenn Seine Majestät seekrank werden sollte. Rowlens von Sarcerre erhielt 110 Acker Land unter der Bedingung, daß er jedes Jahr einmal vor dem Könige von England erscheine, um vor demselben einen Tanz und einen Lujt- spruug auszuführen. K. St.

Kaiser Frredrich HL. (1440 bis 1493) hielt noch in siinem Greiseualter einen glän­zenden Reichstag zu Regensburg. In einer Sitzung auf dem Rathhause fing der alle Kaiser allmählig zu schlafen au. Der Erz­bischof von Salzburg, ihm nicht ferne sitzend, wagte es, ihn vor der Versammlung zu wecken und sprach:Mein gnädigster Herr, ich bin zwar nicht hier, daß ich Eure kaiserliche Gnaden vom Schlaf erwecken soll, sondern daß ich Dieselbe auf­muntern möge zum vorhabendeu Werk, weshalb wir Alle da beisammen sind, und um des gesammtcn Vaterlandes deutscher Nation und des heiligen römischen Reiches willen ich Eure kaiserliche Gnaden frisch und anmuthig machen will." lieber diese Kühnheit ereiferten sich viele Fürsten. Der Kaiser aber sprach ge­lassen:Lasset ab, denn, wenn ich so lauge sitz' in meinem schweren Alter, so geht mir der. Schlaf zu und er hat Recht, mich zu erwecken." sLr. L.s

Kindlich.

Acnnchen: Mama, sieh' den Vogel dort oben am Neste, wacht er wohl dort?

Maina: Er füttert die Jungen.

Aennchen: Die Jungen? Bekommen die Mädchen denn nichts?

Was

Wahrzeichen ist von Dorf und Stadt, Was Dir die erste Silbe bringet.

Und ist der Wand'rer noch so matt. Mit neuem Math es ihn dnrchdringet.

tzt)arade.

Die Zwei beliebt man wohl zu zählen, Will, allerhand Bedenken voll,

Die Straße man sich anserwählcn.

Die man gerade wandern soll.

Dem Ganzen gibt man aufzuheben So manche inhaltsreiche Schrift,

Doch hoch mußt Dn Dein Haupt erheben,

Bevor Dein Blick es sicher trifft. (M. Paul.)

Auslösung folgt in Nr. 13.

Auflösungen von Nr. II: der Charade: Felleisen; des Silben-Räthsels: Ekkehard, Reseda, Schumann, Tarascon, Baobab, Eriesee, Schücking, Jsolani, Nauen, Naumann, Sallustius (Erst besinns, dann beginns).

Alle Rechte Vorbehalten.

Lerlng von Ehr. Wildbrctt in Wildbad. Nedigirt, gedruckt und herausgegeben von Hermann Schönlein in Ttnttgart.