390
Haupturschen des Nebels bezeichnet: die in Folge der neuen Justizgesetze viel zu häufig geforderte Eidesleistung, der Mangel an vorausgegangener Belehrung und insbesondere auch die salope Art und Weise, mit welcher die Eidesleistung von den amtlichen Personen vielfach behandelt werde. Mittel zur Bekämpfung seien: Beschränkung der Eidesablegung, Wegfall der genannten Uebel- stände und die Heranbildug der Jugend zu Wahrheitsliebe und Gottesfurcht.
Mannheim, 1. Dez. Der Rhein ist von gestern auf heute früh um 80, der Neckar um 91 om. gestiegen; von Maxau und Waldshut trafen gestern Vormittag bei der Großherzoglichen Rheinbau-Jnspektion hier Telegramme ein, welche ein Steigen des Wassers avisierten.
Wertheim, 1. Dez. Gestern Abend starb der frührere Apotheker von Runckel in dem hohen Alter von nahezu 95 I.; er blieb geistig rüstig bis an sein Lebensende. Vor 30 und noch mehr Jahren war der Verstorbene mehrere Perioden hindurch Bürgermeister, auch Landtagsabgeordneter hiesiger Stadt.
München, 2. Dez. Unser sonst so ruhiger Nachbarort Bogenhausen befindet sich heute in größter Aufregung, welche durch einen gräßlichen Raubmord hervorgerusen wurde. Heute früh wurde nämlich, wie die „N. R." melden, der verwittwete Oeko- nomiebesitzer Michael Bader mit mehreren Kopfwunden tot vor seinem Hause liegend gefunden. In der Behausung waren mehrere Behältnisse erbrochen und des Inhalts (Wertpapiere, Bargeld, Schmucksachen u. dergl.) entleert. Unzweifelhaft liegt ein Raubmord vor, doch fehlen über die Täterschaft bis jetzt noch alle Anhaltspunkte. Ein weiterer Bericht sagt: Der Ermordete, 62 Jahre alt, bewohnt bereits seit etwa 16 Jahren (nach dem Tode seiner Frau) sein am Ende der Jsmaningerstraße links gelegenes Haus allein. Gestern abend befand er sich im Beetz'schen Gasthaus zum großen Wirt und unterhielt sich daselbst mit den Gästen auf das beste. Um 10 Uhr verließ er die Wirtschaft und machte sich auf den Nachhauseweg nach seiner etwa 5 Min. vom Wirtshause entfernten Wohnung. Unter der Hausthür angekommen, wurde er von dem oder den Thätern überfallen, durch einen Hieb mit einem Holzscheit auf den Kopf, wodurch die Hirnschale zerschmettert wurde, getötet, seiner Barschaft, Brieftasche und Kassenschlüssel beraubt. Die Thäter begaben sich dann ins Haus, öffneten alle Kommoden und Kisten, durchwühlten dieselben, streuten die Wäsche umher, erbrachen 2 Kassetten und nahmen das vorhandene Bargeld heraus, ließen jedoch die darin befindlichen Obligationen teilweise liegen.
Darmstadt, 2. Dez. Die „Darmst. Ztg." veröffentlicht einen Erlaß des Fürsten von Bulgarien aus dem Hauptquartier Pirot vom 30. Nov. Dem Fürsten sind anläßlich des siegreichen Vorgehens der Armee so viele Glückwünsche von Korporationen, Vereinen und Privatpersonen aus dem ganzen deutschen Reich zugegangen, daß es unmöglich ist, allen persönlich zu danken. Der Fürst ist tief gerührt und beauftragt seinen Privatsekretär Meines, allen, die seiner gedacht, den herzlichsten Dank auszusprechen.
Arankfurt a. M , 2. Dez. Ein hiesiger Kaufmann erhielt vorgestern die unangenehme Mitteilung, daß ein Sohn, welcher sich zur Zeit in Paris aufhält, nicht allein sämtliches Geld, das er bei sich hatte, verspielt, sondern auch noch 56 000 Franken Spielschulden gemacht habe, welche innerhalb 48 Stunden beglichen sein müßten. Der Vater gab einem befreundeten Pariser Bankhaus telegraphisch den Auftrag, die fragliche Summe seinem Sohne auszuzahlen. Kurz nachdem die Depesche ihren Bestimmungsort erreicht haben mußte, langte von Paris ein Telegramm ein, in welchem der Sohn lakonisch meldete: „180 000 Franken wiedergewonnen."
Mainz, 30. Nov. In der verflossenen Macht machte der inhaftierte Mörder Herbst einen Selbstmordversuch, indem er sich mit einem blechernen Löffel eine Puldaver aufriß, um eine Verblutung herbeizuführen. Diese Absicht wurde vereitelt, indem die Wärter noch rechtzeitig in die Zelle kamen. Der Mörder befindet sich nun unter strenger Aufsicht, so daß er einen gleichen Selbstmordversuch nicht mehr unternehmen kann. Für die Schuld des Angeklagten spricht dieser Fall sehr schwerwiegend.
Köln, 2. Dez. Wie die „K. Z." meldet, ist der Rhein seit vorgestern im raschem Steigen begriffen. Heute um die Mittagszeit zeigte der Pegel eine Rheinhöhe von 5 52 m. Die Anwohner des Ufers tragen sich mit Befürchtungen wegen eintretender Ueberschwemmungen. Fast die ganze Uferstrecke hinter der Rheinau ist unter Wasser, an der Rheingassenrampe lagerten Schwemmsteine und Kisten, die vom Wasser umspült waren, ehe der Eigentümer sie bergen konnte.
Kerlm, 2. Dez. Die zwischen den deutschen Regierungen schwebenden Verhandlungen über ein Monopol des Reiches auf
den Branntweinhandel sind nunmehr zum Abschluß gelangt: Es wird eine diesbezügliche Vorlage erwartet. — Die Sozialdemokraten werden einen Antrag auf Gewährung von Diäten im Reichstag einbringen.
Leipzig. Die Vermischug des den Wirtshausgästen zu verabreichenden Bieres mit abgestandenen u. verdorbenen Bierresten (sog. Neigenbier) ist, nach einem Urteil des R. G. I. Strassen, vom 1. Okt. d. I. als Nahrungsmittelverfälschung zu bestrafen.
Wern, 1. Dezbr. Infolge Schneeschmelzens und Regens Austritt der Gewässer in Saanenthal und Simmenthal. Ueberschwemmungen unterbrechen vielseitig den Post- und Telegraphendienst. In der Nacht vom Sonntag auf den Montag war an Schleuse zu Thun der Wasserstand des Thunersee's um 55 am. grstiegen.
— Der „Times" wird aus Madrid telegraphirt: Nach Berichten aus den Provinzen verhält sich das Volk ruhig und zeigt keine Neigung zur Revolution. Die Gouverneure sind daher angewiesen worden, den Belagerungszustand, wo er vor Kurzem erklärt wurde, wieder aufzuheben. In Umlauf gekommene Gerüchte wegen Nichtbezahlung der Coupons der Staatsschuld sind unbegründet.
Wekgrad, 30. Nov. Die serbische Regierung scheint fest entschlossen, den Krieg fortzuführen. Von allen Seiten rückt das zweite Aufgebot heran, von welchem bereits 20 000 Mann unter den Waffen stehen. Die Höhen Kruea Poka, welche die Straße nach Nisch beherrschen, werden stark befestigt. 5000 Bürger des Nischer Kreises, Männer, Kinder und Greise arbeiten Tag und Nacht. Seit gestern erfolgten ununterbrochen Trupprndurchzüge. Es wurde amtlich konstatiert, daß unter den bulgarischen Gefangenen russische Offiziere und Unteroffiziere sich befinden.
London, 4. Dez. Der Standard meldet aus Mondalay, 30. November: Birmanische Briganten, die sogenannten Dacoits, griffen die englischen Truppen an und plünderten die Stadt Vielle. Mehrere Soldaten wurden getötet und verwundet.
< 2 ^ Tnikrhalirndes.^)
Der Schein Lvügt.
Novelle von Alfred Friedmann.
(Fortsetzung u. Schluß.)
Gegen mich war sie launisch, mürrisch, herrisch; nun kalt, wenn ich glühte, dann Gluth, wenn sie wußte, daß ich Eis war. Sie hat mir kein großes Unrecht gethan, aber sie verbitterte mir das Leben in allen Kleinigkeiten und das ist hart.
Sie widersprach, sie zankte, es gab nichts, was sie nicht besser wußte, als ich, sie war eifersüchtig auf gestern, heute und morgen und obwohl ich auf Rosen gebettet zu sein schien, stachen mich ihre Dornen an allen Ecken. Dazu kam noch der amerikanische Heirathsmodus, wenn ich es recht nahm, so war eigentlich ich das Mädchen gewesen, das gar nicht befragt wurde und Kate Herr- James Herford, der um mich angehalten; — unerträglich. Unerträglich war ich freilich auch selber. Ich kann redlich sagen, daß ich Kate jeden Dornenstich zurückgegeben.
Auf unseren späteren Reisen kamen wir in ,die Rocky Mountains. Wir kletterten gerne in den Schluchten umher und ge- riethcn eines Tages an eine schauerlich-schöne Stelle, an der es alsbald zu einem herben Zanke kam. Ueber eine gebrochene und hinab geschleuderte, statt ihr überreichte Blume.
Ich weiß nicht ob ich Kate je geliebt habe, ich empfinde jetzt manchmal eine unsägliche Sehnsucht nach ihr und ich wollte, sie wäre länger bei mir geblieben, obwohl ich weiß, daß sie jeden unserer Tage jede unserer Stunden unglücklich gemacht hätte.
Ihr Bild hat mich nie verlassen. Ein Maler, auf den ich einmal Eifersüchtig gewesen, hat es gemalt. Ich muß sie also doch geliebt haben. Aber ist denn Eifersucht Liebe? Es ist nur Beleidigung, Neid, Haß. — Liebe ist stilles Verständniß, schon im Blick, ohne Wort. Ich habe das nie gekannt I
Nun, in jenem Moment, als Kate an dem Rande des Abgrunds saß, mit beiden Beinen über den tosenden Wasserfällen schaukelnd, — ich sehe noch ihre Füßchen, ihre Stiefelchen, ihre Seidenstrümpfe mit dareingewirkten Vögeln und Blumen, — da haßte ich sie.
Die Wolken schwebten über uns ins Blau und rauschten den Felsen über sich zu: „Freiheit!"
Die Kataracte schäumten unten auf und rauschten den Felsen über sich zu: „Freiheit!" Freiheit!!"
Und ich sollte ein Fels zwischen Wolke und Wasserfall sein, langsam ausgehöhlt, gepeinigt vom Regen von oben, vom Ge-