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Waris, 25. Nov. Ein bei der spanischen Botschaft ein­gegangenes Telegramm aus Madrid meldet das Vormittags neun Uhr erfolgte Ableben des Königs Alfonso. Das Kabinet über­reichte der Königin - Regentin seine Entlassung. Die Minister setzen ihre Funktionen bis zur Entschließung der Königin fort.

Madrid, 25. Nov. Die gesammte Garnison ist in den Kasernen konsigniert. Die Minister begaben sich nach Pardo, ausgenommen Canovas und der Kriegsminister, welche in Madrid bleiben.

Ackgrad, 24. Nov. Offiziell. Die serbische Armee griff gestern die bulgarischen Verschanzungen an, wurde aber nach er­bittertem Kampfe zurückgewiesen und zog sich in die Stellungen bei Zaribrod und Trn zurück.

London, 25. Nov. Ein heute Nachmittag vom englischen auswärtigen Amte aus Madrid zugegangenes Telegramm meldet: König Alfonso ist heute Mittwoch, Morgens S Uhr an durch Dyssenterie beschleunigter Schwindsucht gestorben.

Petersburg, 24. Nnv. In Kronstadt ist die Schiffahrt geschlossen. In Rostov ist der Don mit Eis bedeckt. Auf dem Dnieper bei Nikolajeff ist Eisgang. Gestern hatten wir hier sieben Grad Kälte.

Wewyork, 22. Nov. Das Armenhospital in Sandusky, Ohio, brannte in der Nacht am Freitag nieder. Von den 98 Insassen kamen 5 irrsinnige Frauen in den Flammen um. Der Vorsteher der Anstalt trug schwere Brandwunden davon.

Unterhaltendes.^D)

Der: Schein trügt.

Novelle von Alfred Friedman«.

(Fortsetzung.)

Meine Schulbildung war einfach; meiner Eltern erinnereich mich als vorzügliche Menschen. Man nannte mich früher den schönen Jakob". Des Städtchens gedenke ich noch deutlich. Niedere Häuser standen so enge beisammen, daß die Heuwagen des Sommers mit Mühe durch die Hauptstraßen ziehen konnten und den Umweg durch's Feld, den Fluß entlang nehmen mußten. Unflat, Misthaufen bedeckten die Gäßchen, die Gänse verunrei­nigten unfern Hausflur, ein alter Irrer wandelte zwischen dem Mist und den Gänsen und jeden Tag bei einem andern Bauern zu Gast.

Ich lernte mäßig.

Ich hatte früh schon ein Vergnügen daran, Thieren und Menschen wehe zu thun. Besonders wenn sie mir im Wege waren, mich belästigten, mich an der kleinsten Willensdurchsetzung hinderten.Ein Vergnügen daran", das ist auch nickt der rich­tige Ausdruck, ich that nur, was ich thun mußte. Ich riß den Bienen und Vögeln nur die Flügel und Federn aus, wenn sie mich, der ich im Grase lag, durch ihr Summen und Singen störten, ich zwickte und kneipte ein hübsches Nachbarkind meine Schulgenossin nur, wenn sie schneller oder langsamer ging, als ich; wenn sie mir nicht gleich herbeiholte, was ich verlangte, wenn sie sich nicht sofort entfernte, wenn ich ihres Spieles überdrüssig war. Vor dem Lehrer hatte ich noch Furcht, ich sah ihn als eine Art Gott an; die Eltern liebte ich heute und haßte sie morgen, je nachdem sie mich fütterten oder straften.

Unverzeihlich schien es mir, daß sie mir so viele Gesckwister gaben. Der Aelteste, ich, ward dadurch natürlich mit der Heit zurückgesetzt und als ich vierzehn Jahr alt war, lief ich ihnen davon. Ein gewisser Hang zum Thesaurisiren, zugleich mit einer unbändigen Verschwendung, hatten Platz bei mir neben einander und so kam es, daß ich mir damals zehn Thaler gespart hatte. Ich entwendete zehn weitere meiner Mutter, welche dieselben in einem Strumpfe in ihrem Bette vergrabend, und von dem Schatze dem Vater und uns oft Geburtstagsgeschenke gemacht hatte.

Ich habe all diese Leute nie wieder gesehen.

Im Anfang ging mir's schlecht/ Ich schlug mich zu Fuße durch, und mancher seitdem verschwundene Schlagbaum hat sich vor dem armen Wanderburschen gehoben und gesenkt. Ich ge­langte in eine kleine Stadt und fand Dienste; niedrige, bei denen ich knirschte, bessere, bei denen ich an Reichthum und Freiheit dachte. Ich glaubte mich zu etwas Höherem ausersehen; zu was, kann ich selbst heute noch nicht sagen. Ich habe keinen Ansatz zu irgend einem künstlerischen Talent gehabt; keine Stimme, kein Gehör; ich wäre gleich unfähig gewesen, den Pinsel, den Meißel, oder die Feder zu führen.

So führte ich einstweilen die Elle.

Mein Prinzipal in Eßlingen hegte ein gar schönes Töchter- chen. Schlechte Gesellschaft hatte mich bald mit sich auf ihre

Wege genommen. Die Kleine ihren Namen habe ich ver­gessen blondzöpfig, blauäugig, ein rechtes Fressen für einen Faust, verliebte sich in mich, in denschönen Jakob", und bald gab es nichts, was sie noch zu versagen gehabt Hütte.

Da bot mir ihr Vater eine Fahrt nach Hamburg in einer vertraulichen Geschäftsangelegenheit an.

Er sagte, wenn ich meine Sache wohl ausrichtete, so wolle er mich zu sich in's Geschäft nehmen, und wenn ich seinem ein­zigen Kind der Marte oder Grete gefalle, so könne ich sein Compagnon und Nachfolger werden.

Feinliebchen hatte aber alles belauscht, sprang hinter seinem Verstecke hervor, siel dem Vater um den Hals und gestand, daß wir schon lange einig seien.

Die Hochzeit wünschte sie noch vor meiner Hamburgfahrt.

Warum auch nicht?" dachte ich.

Mein Wagen ward wieder in die Remise geschoben, der Gaul ausgespannt.

Mich wollte man dafür ins Joch spannen.

Mich wurmte es innerlich, daß es mir so leicht gehen sollte und wäre heute nicht alles so wohl bestellt, wenn ich die Marte oder Grete genommen ooer behalten Hütte, statt daß ich nun? (Fortsetzung folgt.)

Hiesiges.

Wildbad. Eine schöne, wenn auch in ihren Motiven für Wildbad gewiß nicht erfreuliche Feier liegt hinter uns, der Ab­schied unseres verehrten Stadtpfarrers, des Hrn. Bartholomäi.

Angeregt durch die in den öffentlichen Blättern Seitens einer größeren Anzahl hiesiger Herrn ergangene Einladung fand sich am Donnerstag Abend in dem Saale des Gasthauses z. kühlen Brunnen eine äußerst zahlreiche Versammlung hiesiger und aus­wärtiger Männer aller Stände ein, um dem scheidenden Geist­lichen zu beweisen, wie ungern eine dankbare Gemeinde einen treuen, bewährten Seelsorger ziehen läßt.

Zunächst erfolgte unter freudiger Acclamation die Wahl des Herrn Gerichtsnotars Fehleisen als Präsidium, der zum Be­ginn seiner Thätigkeit Herrn Fabrikdirektor Kleinlogel hier das Wort erteilte. In längerer Rede hob dieser die Verdienste des Scheidenden hervor, namentlich betonend, wie derselbe nun bald 25 Jahre im besten Mannesalter seine Kräfte der Stadt Wildbad und seinen Einwohnern gewidmet habe, mit welch treuer Hingebung er gewirkt, wie er vermöge seiner ausgedehnten Be­kanntenkreise nicht wenig zur Frequenz unseres Bades beigetragen und wie sehr wir alle den ausgezeichneten Kanzelredner vermissen werden. Mit einem freudig aufgenommenen Hoch auf den Schei­denden schloß Redner.

Der Gefeierte dankte mit kurzen aber warmen Worten, es sei ihm wie einem Träumenden, wenn er von soviel Liebe und Verehrung sich umgeben sehe.

Herr Stadtpfarrer vr. Braig wies hin auf den Frieden und die Eintracht, in der er mit seinem evangelischen Amtsbruder gelebt habe. Bei seinem (Redners) Hieherkommen habe ihn letzte­rer mit dem WahlsprucheFriede unter uns" begrüßt, und wahr­lich sie beide haben diesen Willkomm treulich gehalten.

Herr Oberlehrer Katz enwad el dankte Namens der hiesigen Lehrer dem scheidenden Ortsschul-Inspektor für die Milde, mit der er jeden Lehrer zu behandeln und das freundliche Entgegen­kommen, durch das er bei jedem sich beliebt zu machen wußte; nie habe er in enge Bahnen, hervorgerufen aus persönlichen Anschau­ungen, die Wirksamkeit der Lehrer beschränkt, nie nur formell be­aufsichtigt, sondern das Wohl der Lehrer und Schüler, beides sei ihm gleich nahe am Herzen gelegen und ckeides zu fördern stets sein Zweck gewesen. Redner spricht ihm dafür warm seiner und seiner Collegen Dank aus.

Herr Stadt-Vikar Metzger, als 25igster Vikar des Schei­denden und insofern als Jubilar, gedachte der Verdienste seines Vorgesetzten um diejenigen jungen Geistlichen, die in den Beruf einzuführen Bartholomäi's Aufgabe gewesen sei.

Die beiden Gesangvereine, Liederkranz und Bürger-Verein, trugen abwechselnd Lieder vor. Beiden Vereinen gebührt volle Anerkennung, wie denn auch Herr Stadtpsarrer meinte, es sei eigentlich gut, daß ein Pfarrer keine Palmen auszuteilen habe, denn die Wahl, welchem Verein sie gebühre, würde ihm schwer fallen, er trinke auf das fernere Wohl und Gedeihen beider.

Für allgemeine Gesänge ergriff das Präsidium die Initiative, getreu seinem Grundsatz:allweil fidel"! Jubelnd wurden die Vorschläge ausgenommen. Lied folgte auf Lied, derSchunkel­walzer" und dieSalzburger Glöckerl" nicht ausgenommen. Un­gern vermißten wir zwar dasOranä Duo" einiger Meistersänger. Doch, es war' zu schön gwesen.

Nachdem Herr Stadtpfarrer nochmals für alles herzlich ge-