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der Berliner Bürgerschaft sehr freundlich Abschied genommen. Man sieht, auch die Polizei kann gemüthlich sein.
— Wer den Winter nicht erwarten kann, reise nach Petersburg; da fuhr man schon am 21. Oktober Schlitten.
Aus Kranken. Armuth und Mühseligkeit war das Loos der Frau Barbara Rambach von der Wiege bis zum Grabe. Ihre Wiege stand in einer Hütte im Wald und ihr Sterbebett im Armenhaus und dennoch brachte sie's zu 106 Ve Jahren. — Im vorigen Iahe wurde dem Hausknecht in Arnstorf sein ganzer mühsam ersparter Schatz von 300 .E, den er im Koffer verwahrt hatte, gestohlen, und in diesem Jahr stellte sich der Spitzbube wieder ein und stahl ihm 400 ^ Nächstes Jahr will er nun sein Erspartes der Sparkasse anvertrauen, um dem Spitzbuben einen Possen zu spielen.
In Aeplitz hat ein Arzt einem seiner Patienten, einem jungen Polen, für die Behandlung einer ganz unbedeutenden Krankheit das nette Honorar von viertausenvfünfhundert Gulden abgenommen. Die Angehörigen des naiven jungen Mannes veröffentlichten den Verlauf dieser interessanten Krankengeschichte und erregten damit ein begreifliches, aus Entrüstung und Heiterkeit zusammengesetztes Aufsehen. Wie nun aus Teplitz berichtet wird, beabsichtigen sämmtliche Aerzte dieser Badestadt zur Wahrung der Standesehre eine Eingabe an den dortigen Stadtrath zu richten, in welcher die Ausweisung jenes Arztes mit dem so hoch entwickelten Erwerbsinn verlangt wird.
Wappoltsweiler, 25. Okt. Die Weinlese ist nahezu vol- lenvet und nur einige Besitzer haben in der nächsten Woche noch damit zu thun. Die Witterung war vom 12. d. M. ab sehr günstig. Der Ertrag hat alle Hoffnungen übertroffen und das Minimum war fast überall 5 Hektoliter auf 10 Are. In manchen Reben sind bis 17 Hektoliter Wein auf 10 Are gewachsen. In hiesiger Gemarkung sind demnach mehr wie 20 000 Hektoliter Wein geerntet worden. Manche Besitzer haben je über 500 Hekt. in den Keller geschafft. Die Weinverküufe gehen demnach nicht recht; die Preise sind infolge des großen Ertrages natürlich tief gesunken und stehen gegenwärtig hier, sowie in Hunaweier und Zellenberg auf 10,50 die 50 Liter. In Reichenweiler ist der Ertrag in diesem Jahre der größte aus langen Jahren; zahlreiche Bauern können den Wein gar nicht unterbringen wegen Mangels an Fässern. Daselbst wird nur acht Mark für 50 Liter bezahlt. Die Schweizer haben große Einkäufe gemacht. Der Absatz an Wein beziffert sich für Rappoltsweiler in den letzten vier Wochen auf etwa 2000 Hektoliter. Dank der noch herrschenden warmen Witterung wird das Holz in den Reben vollauf reif werden und obschon der Wuchs nicht sehr kräftig ist und die Stöcke etwas erschöpft sind, kann es im nächsten Jahre wieder eine gute Ernte geben. — Die Kartoffeln sind dieses Jahr sehr gut, massenhaft vorhanden und werden zu ^ 1,60 bis 2 pro Sack verkauft
Aasek, 27. Okt. Die mit Hilfe der Gemeinnützigen Gesellschaft gegründete Aktiengesellschaft für Speisewirtschaften hat sich, nachdem die Aktienzeichnung ein Kapital von 127000 Fr. ergeben, letzter Tage konstituiert. Der Bau emes großen Wirtschaftslokals in Kleinbasel soll sobald als möglich begonnen werden.
— Heber den Zustand des" ^Königs von Spanien meldet der Karlsbaden „Sprudel": Die Karlsbader Mineralwasser - Versendung erhielt den direkten Auftrag, 30 Flaschen Mühlbrunn und 20 Flaschen Schloßbrunn für den König nach Madrid zu senden, welcher laut Ausspruch des Leibarztes Riedl an Magengeschwüren leidet.
Athen, 27. Okt. Da die Cholera in Marseille als erloschen betrachtet wird, ist die l ltägige Quarantäne in den griechischen Häfen auf eine fünftägige Observationsquarantäne beschränkt worden.
Hlew-IForK, 16. Okt. Ein von dem Repräsentantenhause des letzten Kongresses gewählter Ausschuß ist gegenwärtig damit beschäftigt, Ermittlungen über die Lage der Indianer anzustellen. Die bis jetzt vorgenommenen Untersuchungen beschränken sich hauptsächlich auf die Erziehung der Indianer, wobei es sich ergab, daß die Jndianerkinder in den Schulen überraschende Fortschritte machen und durchaus bildungsfähig sind; dagegen wurde festgestellt, daß die Kinder, nachdem sie aus der Schule zu ihren Stämmen zurückgekehrt sind, bald wieder ihre alten schlechten Gewohnheiten annehmen und dann schwerer zu behandeln sind, als ihre jeder Bildung baren Stammesgenossen. Die Kommission fand ferner überall, daß die Rothäute Fortschritte in Bezug auf Ackerbau und Viehzucht gemacht haben.
Hiesiges.
Wildbad. (Feuerwehr.) Letzten Samstag kam unsere Stadt in eine kleine Aufregung, insofern, als plötzlich Abends 8 Uhr
die Alarmsignale der Feuerwehr ertönten. Eine Nachtprobe war die Ursache derselben. Im Strauberg, in der Nähe des Stadtpfarrhauses, an einem durch die enge Bauart der Häuser bei einem etwaigen Brande besonders gefährlichen und schwer beizukommenden Platze, war die gedachte Brandstätte, an der die Feuerwehr sich üben und lernen sollte. Die Hebung verlief ohne jeden Unfall; das Verhalten sowohl als die Leistungen der Mannschaften, waren erprobt gut, was denn auch der am Schluß der Probe durch Paroleausgabe der Mannschaften kundgegebene Dank des Kommandanten bewies. Zum ersten Male hatte hiebei die Kapelle der Feuerwehr Gelegenheit, sich an ihrem Bestimmungsort zu zeigen und hören zu lassen. Unter ihrem Vorantritt marschirten die Mannschaften von der Probe zurück zum Wehrmagazin; und zum Schluß konzertirte sie in der alten Linde. Wenn wir das Anfangsstadium, in dem sich das Musikkorps noch befindet, bedenken, so haben wir alle Ursache, dem Fleiß und dem Eifer seiner Mitglieder Anerkennung zu zollen, von dieser aber gewiß nicht den gringsten Teil dem Conto ihres Lehrers und Dirigenten: Herrn Karl Fohmann gut zu schreiben.
(2^ Tnrerhslkkndrs.
Dev Schein t^ügt.
Novelle von Alfred Friedmau«.
(Fortsetzung.)
Albrecht schritt nun langsam weiter, da die Schildwache, welche gar absonderliche Gedanken über ihren alten Bekannten haben mochte, dem sinnirenden Fremdling kund und zu wissen gab, Zusammenrottungen vor dem Strafhause seien verboten.
Da fiel aus der anderen Straßenecke erst ein langer Schatten auf das sonnenbeschienene Plaster, und dem wandelnden Abbild folgte alsbald sein Erzeuger, ein Mann mit einem Notizbuche in das er eifrig Zahlen einschrieb.
Wiegand und er stießen fast aufeinander. Sie sahen sich an, erkannten sich und tauschten einen herzlichen Händedruck aus.
„Bist Du's?"
„Bist Du's wirklich!"
Und sie umarmten sich auf offener menschenleerer Straße. „Wie ist Dir's ergangen, alter Knabe?" frug dee Schattenwerfende. „Doch, was frage ich. Du bist ein Federfuchser geworden. Man sieht hie und da einen Aufsatz, eine kleine Erzählung von Dir, Du bist wie alle Deutschen — Schriftsteller. Aber ohne Uebertreibung, alle Achtung. Originell, gediegen, gelehrt, oh sehr gelehrt, hie und da sogar etwas zu viel!"
„Besser zu tief, als zu flach, nicht wahr, das war unser Wahlspruch in Göttingen. Also ich danke. Und Du?"
„Irrenarzt!"
„Irrenarzt! Interessantes Leben!"
„Trauriges Leben! Freund!"
„Jedes Leben ist im Grunde traurig. Und kannst Du wirklich helfen, heilen?"
„Soll ich lächeln wie ein Augur? Ich habe schon manchmal geholfen, wenn die Natur mir half. Ich war oft, viel öfter ein trostloser, hülfebedürftiger Helfer, wenn die Natur mich im Stiche ließ."
„Und wo gehst Du hin?"
„Jn's Gefangenhaus!"
„Jn's Gefangenhaus?"
„Ja. Sie haben dort ein Individuum, welches seine Mutter umgebracht haben soll. Es ist ein eigentümlicher Fall. Der Mensch simulirt Wahnsinn und behauptet, von seiner That nichts zu wissen. Ja, er wiederholt den ganzen Tag nur eine Frage: Warum ihn seine Mutter in seinem grenzenlosen Unglück nicht besuche! Es ist, wenn dies geschickt durchgeführte Verstellung, ein ganz infamer Raubmord. Das Geld, die Kleinodien der Alten fanden sich beim Sohne vor. Er kann aber nach dem Morde in's Zimmer gekommen sein und die offen daliegenden Sachen zu sich gesteckt haben. Die Geschichte ist sehr verwickelt und verworren. Ich habe mein Leben meinem Berufe mit vielleicht einziger Hingabe gewidmet, ich nehme ihn so ernst, daß — daß ich selbst daheim bei Weib und Kind nicht mehr lachen kann; aber, Freund, ich gestehe, ich weiß nicht, ob mein Beobachteter ein Mörder oder ein Irrsinniger ist!
„Du wolltest eben zu ihm in's Strafhaus. Kann ich nicht mitgehen, ihn sehen. Das interessirt mich.
„Nein, lieber nicht. Ich muß Dich erst anmelden."
Sie schritten eine Weile neben einander her und Albrecht fragte dann den Doktor. Du bist verheiratet, und glücklich?"
„Ja! Und Du?"