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brachte. Die Begeisterung, welche Graf für das Mädchen bekundete, und die so weit ging, daß er sie durch häufigen Verkehr in dem unwürdigen Hause der Bertha Rother an den Tag legte, ermutigte Frau Rother, die Mutter der Bertha, immer neue Geldforderungen an den Künstler zu stellen. Dieser, wie in einem Bann befangen, gab immer neue Summen, welche zusammen die Höhe von 30 000 Mark überstiegen. Schließlich aber nahmen die Forderungen der Rother einen Karakter an, daß Gräf eine Klage wegen Erpressung erhob. Er beschwor, zu Bertha Rother und deren Schwestern niemals in andere Beziehungen getreten zu sein, als solche, welche seinen künstlerischen Bestrebungen entsprangen Dieser Eid soll, nach der Anklage, die Gräf vor das Schwurgericht geführt hat, ein Meineid gewesen sein. Die erfolgte Freisprechung wirkt in den Berliner Künstler-, und Gelehrtenkreisen, in denen Gräf eine hochgeachtete Stellung einnimmt, wie eine wahre Erlösung.
Karnöurg, 7. Okt. Das Museum Godefroy, die berühmte, vollständige ethnographische Sammlung von den Südsce-Jnseln, ist an das Leipziger Museum für Völkerkunde verkauft worden.
Sedan, 6. Okt. Gestern fand auf der belgischen Grenze ein Duell auf Degen statt, zwischen einem französischen Kavallerie- Offizier und einem Herrn aus Chateauroux. Das Motiv zu dem Zweikampf war ein höchst delikater Liebeshandel. Beim zweiten Gange erhielt der Civilist eine Brustwunde, welche den sofortigen Tod zur Folge hatte. Als Zeugen fungierten einige Offiziere, Beamte und ein Deputierter.
Wien, 8. Okt. Die „Neue Freier Presse" meldet: Die türkische Regierung verhandelt mit dem Trichter Lloyd wegen Truppentransporten mit den Lloyd-Dampfern. Aus Orsova wird berichtet, nach Meldung von türkischer Seite seien 40 000 Rediss von Ismail und der Marmaraküste im Anmarsch, von denen 17 000 nach Adrianopel dirigiert werden sollen.
ZZern, 7. Okt. Fast alle Blätter melden die qualitativ und quantitativ vorzügliche Weinernte. Im Waadtland sind die Weinpreise enorm gefallen; in mehreren Gegenden ist die ganze Ernte zu 33 bis 45 Centimes der Liter versteigert worden. Auch der Obstertrag war in der Mitttelschweiz ein ganz außergewöhnlicher.
Khilippopek, 7. Okt. Der Bürgermeister ließ durch Maueranschläge verkünden, daß der Sultan auf den Wunsch der Mächte die Personalunion Bulgariens und Rumeliens unter dem Fürsten Alexander als Haupt beider Staaten angenommen habe.
Da werden die Kampfhähne in Griechenland bald mildere Saiten aufziehen. Es sind zwei französische Kriegsschiffe nach Piräus unterwegs, mit der Bestimmung, „das Levantegeschwader zu verstärken." Das heißt mit anderen Worten, um den auf die Erhaltung des Friedens gerichteten Bestrebungen Frankreichs und der übrigen Großmächte Nachdruck zu geben. Die Herren Griechen werden's schon verstehen!
Kairo, 3. Okt. Etwa 1000 Derwische rücken in nördlicher Richtung längs des Nil-Thales vor und sollen Hafir, einen nur 80 Meilen von den brittischen Vorposten entfernten Punkt erreicht haben. In der Nachbarschaft von Wady-Halfa haben bereits einige Scharmützel stattgefunden. Es wurde der Befehl erteilt, fünf Dampfer in Bereitschaft zu halten, um nötigenfalls sofort 1200 Mann Truppen den Nil hinauf zu befördern. Der Nil ist jetzt etwa 3 Fuß niedriger, als er zu nämlicher Zeit im Jahre 1884 war, und die Gewässer fallen noch immer.
Suakin, 7. Okt. Ein Telegramm Marcopoli Beys aus Asmara vom 29. v. M. an den Oberst Ehermside bestätigt, daß die Abessynier einen großen Sieg über die Aufständischen unter Osman Digma errungen haben. Die letzteren ließen 300 Mann auf dem Schlachtfelde als Leichen. Unter den Toten sei Osman Digma selber. Die Leiche sei erkannt worben. Die Abessynier haben gleichfalls schwere Verluste erlitten.
Die „Kolonialpolit. Korresp." meldet aus Sansibar : Lieutenant Schmidt erwarb die Landschaft Usarmo durch Vertrag für die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft. Damit ist die wichtige Küstenlandschaft südlich von Useguha ebenfalls deutsch und der ganze Lauf der Rufidji in Besitz der Gesellschaft. Der vorzügliche Hafen von Daresalam, der beste der gesummten Ostküste Zentralafrikas, gehört dieser Landschaft an. Es wird zu untersuchen sein, wie weit der Sultan von Sansiar an einen oder den anderen Küstenpunkt Usarmos Anrechte hat. Durch die Schmidt'sche Erwerbung dieser Provinz von 4—500 d. Quadratmeilen gewinnt die Erwerbung von Chutu erst vollen Wert.
— Nach langer Zeit wieder einmal eine Nihilisten-Nachricht aus Rußland. In Warschau sind 40 Personen, unter ihnen der Universitätsprofessor Dr. Habszewicz verhaftet worden. Auch
mehrere Studenten sind dabei und alle sieben in dem Verdacht, eine neue große nihilistische Verschwörung angezettelt zu haben.
Montreal, 4. Okt. Die Todesfälle in Montreal und dessen Bezirk an den Blattern beziffern sich im September auf neunhundertsechsundneunzig. Der thörichte Widerstand gegen die Impfung dauert fort, und noch dazu von unerwarteter Seite. So haben z. B. ein Arzt, der City Anwalt und ein Polizeisergeant, sämmtl. französ. Abstammung, den Anordnungen der Behörden Widerstand geleistet. Man fürchtet, die Seuche werde ein weiteres Jahr grassiren. Inzwischen gibt es keinen Vergnügungsverkehr mehr auf den Eisenbahnen; bei drei derselben haben sich die Einkünfte um 100 000 Doll, gegen die Einnahmen für denselben Zeitraum in 1884 vermindert. Die Aktien der Straßeneisenbahnen sind infolge der Verkehrsstockung um 12 Doll, gefallen, und die Hotels stehen leer. Die einzige befriedigende Thatsache ist, daß in der vorigen Woche 8000 Personen geimpft wurden.
(3^ Tnierhslkkn-ks.
Girre Wacht im Sumpf.
Jagderlebn iß aas der Lüneburger Haide.
Erzählt von Hermann Robolsry.
(Schluß.)
Wenn ich meine Jagdtasche und die daran hängenden Birkhühner im Verein mit meiner umgestülpten Mütze auf den Moor legte und die Flinte darüber placirte, vermochte ich mich am Ende etliche Stunden vor weiterem Versinken zu schützen. Noch yatle ich ja die Arme frei. Es war aber ein anstrengendes Stück Arbeit, die Tasche mit den Vögeln an das Tageslicht zu bringen. Endlich gelang es mir. Den Lederbehülter deckte eine etwas steife Dachsschwarte. Ich warf das ganze flach auf den Morast, fügte auch meine Kopfbedeckung hinzu uud legte das Gewehr darüber. Mit beiden Händen hielt ich mich lose an den Rohren fest, und wirklich zeigte die merkwürdige schwimmende Insel etwas Tragfähigkeit. So vergingen in schrecklicher Qual bleiern und langsam mehrere Stunden. Allmählich war aber mein Halt doch unter der Last des Körpers gesunken und, als ein schwacher Lichtstreifen im Osten den Morgen verkündete, sahen kam noch meine Schultern aus dem fürchterlichen Grab hervor. Von Zeit zu Zeit hatte ich so laut ich konnte, um Hilfe gerufen. Kein Laut in der der weiten Einöde brachte mir auch nur einen Hoffnungsschimmer. Ein paar Mal schon wollte ich unter energischem Ruck den Kopf herunterdrücken; dann hatte alle Qual ein Ende und in ein oder zwei Minuten war alles vorbei. Doch im Selbstmord zu enden? — Nein, das vermochte ich nicht über mich zu bringen. An Mut zu dem letzten Schritt fehlte es mir keineswegs. Nun zog der Morgen schön und purpurn herauf. Es schien ein prächtiger Tag anzubrechen. Zur Rechten, kaum fünf Minuten von meiner Marterstätte entfernt, dehnte sich ein mächtiger Laub- und Nadelwald aus. Wo ich war, wußte ich nicht. Noch einmal schrie ich, so laut es meine Kräfte zugaben, um Hilfe. Ich mußte den Kopf Hochhalten, damit das schwarze Oberwasser des Bruches nicht mein Kinn berührte. „Hilfe! Hilfe!" Nun war's mir, als ob die giftigen und schillernden Sumpfpflanzen ihr Geschlinge nach mir ausstreckten, um mich ganz in ihr finsteres Reich hinabzuziehen. Wie höhnisches Lachen erscholl der Ruf eines unfernen Sumpfvogels. Vor den Augen fing es mir an zu flimmern. Zum letzten Mal schrie ich auf; dann war's mir so wohl und traumhaft. Ich hörte und sah nichts mehr. — — „„Dünner un Hagel! Wo kümmt Se denn in dütt Bebemoor?"" wurde ich plötzlich aus meiner Ohnmacht wach gerufen.
Am Rand des Bruches stand ein alter Imker aus dem hannoverschen Wendland und schlug die Hände vor Schreck und Entsetzen über dem Kopf zusammen. „Helfen Sie mir doch!" flehte ich schwach. Und das brachte den Mann zur Besinnung. Wie der Wind stürzte er davon. Wie lange er fortblieb, weiß ich nicht, denn ich war abermals von Ohnmacht umnachtet. Als ich wieder zu mir kam, waren zwei Männer um mich thätig, meinen starren Körper aus dem zähen Torfmoor zu befreien. Das war keine leichte Aufgabe. Meine Retter hatten ein großes Stück Zaun mit dichtem Flechtwerk herbeigeschleppt und dieses brückenartig über das Beberwoor geschoben. Eine Leine wurde mir dann unter die Arme gesteckt und so kam ich ganz allmählig an das Tageslicht. Ich konnte weder gehen noch stehen und, nachdem mich die gutherzigen Menschen von meiner Moorkleidung befreit und mir einen Anzug von den ihren gebracht, den sie mir anziehen halfen, luden mich die Leute auf eine Karre und der jüngere von ihnen fuhr mich nach der nur eine halbe Stunde entfernten Försterei. — Wie mir der Mann unterwegs erzählte