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Mühseligen und Beladenen ein gutes Gewissen habe und daher auch mit diesem guten Gewissen sich verteidigen kann gegen die Angriffe auf die bestehende Ordnung. Die Mängel des Gesetzes werden durch die Praxis erkannt und überwanden werden. Hervorgehvben haben wir schon, daß durch das Gesetz eine Menge Prozesse zwischen Arbeiter und Arbeitgeber fortsallen, welche das Verhältnis beider verbittern.

Der größte bis jetzt bekannte Riese läßt sich in Verkitt sehen. Er ist ein Oberösterreicher Namens Winkelmeier, 20 Jahr- alt, 8 Fuß 6 Zoll hoch und 162 Kilo schwer. Unter seinen wagrecht ausgebreiteten Armen kann jeder Gardekürassier durch­marschieren, ohne die Armhöhe des Riesen zu erreichen.

Vrüflek, 5. Okt. Gestern Nacht flog das Haus des Kohlen­bergwerks-Direktors Bellet in Paturages in die Luft. Während des letzten Streiks hatten die Arbeiter das Haus unterminirt. Die Explosion erfolgte erst jetzt. Der Fall erregt großes Auf­sehen. (Berl. Togebl.)

Wien, 5. Okt. Soeben kommt eine Privatnachaicht aus Dux (Böhmen), es sei die czechische Beseda (Kasino) mittelst Dynamit in die Luft gesprengt, aber kein Mensch verletzt worden. Eine andere Meldung besagt, nur die Fenster seien zertrümmert. Näheres fehlt. (Berl. Tagebl.)

Athen, 3. Okt. Zwei höhere Offiziere sind nach Ungarn abgegangen, um die von der Regierung dort angekauften Pferde in Empfang zu nehmen. Heute wurden an die mazedonischen Freiwilligen, sowie an die Studierenden, welche mit militärischen Hebungen beginnen, Waffen ausgehändigt. Die Rekrutirungs- bureaus wurden angewiesen, die Cadres der Reserve aus Mann­schaften vom 23. bis 31. Lebensjahre zu vervollständigen. In den Departements des Krieges and der Marine sind ansehnliche Kredite angewiesen. Der König wird sich, wie gerüchtweise ver­lautet, demnächst zur Truppenbesichtigung nach Thessalien begeben.

Wetersöurg, 4. Okt. Der reiche Moskauer Silberfabrikant Chlebnikow, welcher auf der Tour von Petersburg nach Mossau in einem Separatkupee erster Klasse plötzlich verstorben ist, soll, wie die Obduktion annehmen läßt, ermordet (man sagt erwürgt) worden sein. Er führte am Tage zuvor eine bedeutende Baar- summe bei sich; auf der Reise fand man nur noch 100 Rubel in seinem Besitz. Irgend welcher Anhalt über den Mörder fehlt bis zur Stunde.

(2^ Trlitrchalikndks.

Girre Wercht irrr Sumpf.

Iagderlebniß aus der Lüneburger Haide.

Erzählt von Hermann Robolsky.

(Fortsetzung.)

Die Haide wurde immer dichter. Bis über die Knie reichte mir manchmal das zähe Kraut. Stellenweise mußten sich die Füße mit aller Gewalt durch das Gewirr drängen. Jetzt fiel auch prasselnder Regen vom rabenschwarzen Himmel herab, der mich bis auf die Haut durchnäßte. Genau weiß ich es nicht, wie lang ich mich so vorwärts gequält. Doch bald hoffte ich nun die schützenden Tannen zu erreichen. Dort wollte ich unter einem dichten Baum kurze Rast machen. Zu meiner Verwunderung wurde der Boden uuter meinen Füßen elastischer. Hatte ihn der Regen schon in der kurzen Zeit weich gemacht? Jetzt schimmerte durch die Nacht sogar der weißliche Stamm einer verkrüppelten Haidebirke. So viel wurde mir klar, daß ich mich vollständig verirrt hatte. Stillschweigend überlegte ich, ob es nicht geratener wäre, wenn ich geduldig unter dem Laub des kleinen Baumes den anderen Morgen abwartete. Doch wo diese eine Birke stand, mußten ja wohl mehr wachsen, und vielleicht fand sich irgendwo noch mehr Deckung gegen das unangenehme Wetter. Auf's Geradewohl schritt ich weiter. Da patschte es unter den Stiefeln. Ich mußte in eine Pfütze getreten sein und nun gar saß das eine Bein im breiigen Erdreich fest. Halt! Da drüben schimmerte es weißlich her. Dort befand sich jedenfalls wieder festeres Land. Mit gewaltigem Sprung hatte ich den Platz erreicht und sank im selben Moment bis an die Hüfte in Wasser und Moor. Ich glaube, ein derber Fluch entschlüpfte meinen Lippen. Trotzdem ich furchtbar erschrack, faßte ich mich doch schnell und suchte meinen Unterkörper wieder frei zu machen. Aber während ich das linke Bein langsam zu heben begann, bohrte sich das rechte tiefer in die Schlammmasse und schließlich war ich bei der Anstrengung um mehrere Zoll weiter eingesunken. Noch verlor ich die Geistes­gegenwart nicht. Wenn ich meine Flinte quer auf den Morast legte, vermochte ich mich vielleicht daran in die Höhe zu heben. Ich drückte das schöne Gewehr auf den torfigen Brei nieder. Ein

paar Binsensträuche und Sumpfgras trugen wirklich die Last. Jetzt machte ich den Arm steif, um mich hoch zu bringen. Die schwache Wurzelschicht riß indeß auseinander und ich hatte Mühe, meinen treuen Begleiter wieder an die Oberfläche zu beföroern. Meine Situation wurde eine ganz bedenkliche. Ich versuchte noch mehrere Male, unter Aufbietung aller Kräfte, mich emporzuarbeiten. Vergebliches Mühen! Die zähe Masse hielt den Körper fest als süße er zwischen Polypenarmen und Verzweiflung drohte mich zu erfassen, als ich gewahr wurde, daß ich von Viertelstunde zu Viertelstunde tiefer versank. Wenn ich mein Gewehr abschoß, hörte vielleicht einer der Imker, die in der Einöde verstreut hausten, den Knall und kam mir, ein Unglück ahnend, zur Hülfe. Doch die Rohre waren beide voll Wasser gelaufen und jedenfalls das Pulver durchnäßt. Die Zündhütchen knipsten wohl ab, die Schüsse gingen indeß nicht los. Der Regen hatte sich etwas verzogen. Am fernen Horizont wetterleuchtete es und momentweise erhellte der zuckende Blitz die unermeßliche Haideflüche. Da war es mir manchmal, als wenn sich von lieblichem Wald eingefaßte An­siedelungen vor meinen Blicken zeigten. Ein mit hohen Bäumen bestandener Fahrweg schien unweit meines Sumpfes vorüberzu­führen. Leuchtete dann aber das Wetter nochmals auf, so war Alles wieder verschwunden und über nichts als Haidekraut huschte das elektrische Licht. Der Untergrund, in dem meine Beine wie eingerammt steckten, war eisigkalt. Mich begann zu frieren. Dazu die nasse Kleidung des Oberkörpers; ich zitterte wie Espen­laub. Die Ueberzeugung drängte sich mir mit Schrecken auf: führte nicht ein glücklicher Zufall irgend Jemanden zu meiner Errettung herbei, so mußte ich elendig in dem fürchterlichen Moor zu Grund gehen, und ungehört wäre mein Todesschrei über die Haide verhallt.

Bald reichte mir der Morast bis unter die Arme. Ich hätte es fast berechnen können, wenn Mund und Nase in dem Urbrei verschwinden würden Den andern Morgen schien ich nicht mehr erleben zu sollen. Da blitzte es wieder hell auf. Wie fürchterliche Ungetüme mit schrecklicher Gestalt standen ein paar Wolken drohend am Nachtgewölbe. Ich bin sonst kein Duck­mäuser und Betbruder, aber still und gläubig flehte ich jetzt zum Himmel empor, mich nicht so gräßlich umkommen zu lassen.

(Schluß folgt.)

Vermischtes.

- M o s e s M e n d e l s s o h n, als Mensch so liebenswürdig und gut, wie groß, und in seiner Zeit viel beneidet als Gelehrter, war bekanntlich in seiner äußeren Erscheinung von der Natur arg vernachlässigt. Er war häßlich, hatte einen nicht hinwegzu- disputirenden Höcker uno stotterte bedenklich. Einst begegnete es ihm beim Pfänderspielen, daß er ein Pfand verwirkte, und einer seiner Neider stellte ihm heimtückisch die Aufgabe, es durch eine humoristische, aber sich auf vorhandene Thatsachen stützende Selbst- Persiflage auszulösen. Dieser Bosheit brach Mendelssohns selbst­loser Humor die Spitze ab, indem er begann:

Groß nennet Ihr den Demosthen,

Den stotternden Redner von Athen;

Der höckerige Aesop erscheint Euch weise;

Triumph! ich wrrd' in Eurem Kreise Nun doppelt groß und weise sein.

Denn Ihr habt bei mir im Verein,

Was man an Aesop und Demosthen Getrennt nur hat gehört und gesehn!"

Die goldene Gräfe-Medaille, welche im Jahr 1874 von der Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg zum ehrenden Andenken an Albrecht v. Gräfe gestiftet wurde mit der Bestimm­ung, daß dieselbe alle zehn Jahre für hervorragende Verdienste um die Augenheilkunde verliehen werden soll, ist von dem dieser Tage in Heidelberg wieder tagenden Ophthalmologen-Kongreß zum ersten Mal zur Verteilung gelangt. Einstimmig wurde von der Versammlung die Medaille dem durch die Erfindung des Augen­spiegels hochverdienten geheimen Rath Professor Helmholtz in Berlin zuerkannt:

(G e g e n D iar r h ö e.) Ein Mann von mittleren Jahren hatte seit längerer Zeit an Durchfall gelitten, den Aerzte mit Opium und anderen Arzneien vergebens behandelt hatten. Da riet ihm ein alter, erfahrener Arzt, der jetzt noch mit 80 Jahren seine sehr ausgedehnte Landpraxis zu Fuß besorgt, folgendes ein­fache Mittel an. Das Gelbe von einem Ei wird in einer halben geriebenen Muskatnuß und einem Stückchen Alaun von der Größe einer Erbse sorgfältig verrührt und das Ganze auf ein­mal genommen. Die günstige Wirkung trat schon in weniger als einer Stunde ein und war eine dauernde. Dieses Mittel soll sich in zahlreichen Fällen stets vollkommen bewährt haben.