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in die hohle Hand und zählte seine Baarschaft durch. Zu seinem Schrecken betrug diese noch nicht ganz fünf Francs.
Beim Verlassen des Kirchhofes erblickte er vor der Eingangspforte ein auf einer Moosbank sitzendes altes Mütterchen, das durch die Brille in einem Blatt las. Als die Frau den jungen Mann erblickte, ließ sie das Blatt fallen und bat ihn um ein Almosen. Er empfand es wie eine Ironie des Schicksals, daß er, "den selber bitterer Mangel und Kummer drückte, noch angebettelt wurde. Aber gerade diese Betrachtung stimmte ihn mild- thätig und riß ihn zu einer Art Verschwendung hin. Er gab der Alten einen Franc.
„Gott vergelt es Ihnen tausendmal, gnädiger Herr!" rief das Mütterchen mit bewegter Stimme.
„Tausendmal?!" sprach halblaut der junge Mann. „Ei, dann hätte ich auf einmal tausend Franc, damit wäre mir wohl geholfen! Doch noch weit lieber fände ich in dieser Stadt eine Stelle in einem Geschäft."
Plötzlich fiel sein Blick auf das gedruckte Blatt, welches das Mütterchen auf den Rasen hatte fallen lassen. Er hob es auf, es war ein in Arles erscheinendes Lokalblatt.
Als er dasselbe flüchtig überlas, fiel ihm ein Inserat folgenden Inhalts ins Auge:
„Gesucht wird für einen alten, gelähmten Herrn ein Reisediener."
Mit geringer Hoffnung eilte der Fremde dem in der Annonce bezeichnten Hause zu. Nachdem er unter klopfendem Herzen die Glocke gezogen, öffnete ihm der Portier und ließ ihn ein. Es war ein prachtvoll erbautes, von Stuck und Vergoldung schimmerndes Haus, in einer der Hauptstraßen von Arles gelegen, hinter dem geräumige Fabrikgebäude und ein großer Park sich hinzogen.
In dem Salon dieses Hauses, in welchem der Fremde ein- treten mußte, saßen neben dem Herrn zwei Damen und ein junger Mann von feinen Manieren. Die jüngere Dame war von schlanker, edelster Gestalt, Form und Bewegung schienen an ihr fast unnachahmlich schön, ihr sprechendes braunes Auge war von schimmernder Feuchtigkeit, bald zeigte es schmachtendes Feuer, wie das einer Italienerin, bald heitere Leichtlebigkeit, wie das einer Französin. Um ihr feines Haupt mit dem zierlichen Oval der Wangen und des Kinns ringelte sich üppiges, dunkelbraunes Lockenhaar. Die andere Dame war ein wenig kleiner als die erste, sie erschien zwar nicht als eine vollendete Schönheit, hatte jedoch ebenso wie ihre jüngere Schwester, regelmäßige Züge und besaß, wie diese, den eigentümlichen Reiz der Damen von Arles, namentlich deren für empfängliche Männerherzen so gefährliche, schwärmerische Augen. Und unter diesen beiden Frauen erkannte der Eingetretene gleich beim ersten Anblicke die, deren Reiz ihn sogleich mit Zaubergewalt gefesselt hatte. Es war ihm, als käme das Ahnen eines herrlichen Frühlings über ihn, als müßte all sein Leid ein Ende nehmen, als wollte es im Innern wieder grünen und blühen. (Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
— Der Arzt des Generals Grant hat den Hinterbliebenen eine Rechnung von 12 090 Dollars gemacht und hinzugefügt, er habe es so billig gemacht, weil er den Grant lieb gehabt habe. Richtig ist, daß Präsident Garfield's Aerzte s. Z. das sechs- und zehnfache Honorar gefordert haben. Man sieht, daß drüben der Tod noch schwerer und theurer ist als anderswo.
— Durch Bayernland geht eine fülle und tiefe Trauer. Es hat nämlich, wie unsere Leser schon wissen, dem hohen Kapitel des Franziskanerodens gefallen, den Franziskanern das Bierbrauen zu verbieten und alle Klosterbrauereien zu schließen. Die Anregung dazu soll der liebenswürdige Bischof von Regensburg gegeben haben. Die gemütlichen Klosterbraustüble, in denen sich Mönche und andere gute Christen die kühle und köstliche Labe munden ließen, werden wir künftig nur noch auf den Bildern der Münchener Maler finden. Auch das Kegeln mit Laien soll den Franziskanern verboten sein. Wenn die frommen Leute doch lieber das verbieten wollten, was in Münster und anderen Orts zusammengebraut wird.
— Die Millionen der Ott'schen Erbschaft, welch e so viel Aufsehen erregten, sind verteilt, und es ist interessant, zu erfahren, wie es den Erbnehmern derzeit ergangen. Einer derselben, der das artige Sümmchen von 132 000 fl. erhielt, war bis dahin im Armenhause. Jetzt lebt er als Rentier behaglich in seinem Heimatsorte, während seine Tochter, die damals als Magd diente und so lange sie arm war, von keinem Burschen beachtet wurde, jetzt als reiche Erbin nur die Wahl hat. Ein anderer ist jetzt noch Bahnwärter in Hamburg, er erhielt 28 000 fl. und lebt immer noch von seinem Bahnwärterdienst. Das Geld ist in der Sparkasse und die Zinsen werden alljährlich zum Kapital geschlagen. Am Eingang in das Dorf Wittighausen ist ein prachtvoller Neubau, großartige Hofraithe mit 3 Scheunen und Ställen aus schönstem weißen Kornstein, der dem Marmor gleicht. Es ist die Besitzung des Landwirts Fuchs, auf dessen Teil 450 000 Fl. entfielen. Eine gleiche Hofraithe inmitten des Dorfes gehört dem Bruder desselben, der ebenfalls diese Summe erhielt. In Ochsenfurt am Marktplatze erhebt sich ein Neubau, prachtvolle Wirtschaft und Restauration. Auch dieser Besitzer hat sein Vermögen von der Erbschaft her, ebenfalls ein Gastwirt in Würzburg, der bis 240 000 Mark, die ihn sein Anwesen kostete, baar aus der Erbschaft erlegen. Mit wenigen Ausnahmen haben sämmt- liche Erben ihr Vermögen gut angelegt und lassen sich kein graues Haar über die fortwährend noch anhängig gemachten Prozesse von angeblich näher berechtigten wachsen.
Sirrrrspvüctze.
Das Schicksal ist ein Wirbelwind,
Ein armes Blatt das Menschenkind.
Er treibt's zu Thal, er hebt's zum Hügel —
Das Blättlein rühmt sich seiner Flügel.
Anläßlich der am Samstag den 19. September bei Ludwigsburg stattfindenden Kaiserparade werden an diesem Tage »RI88V» «I ckvi»11ivl»v I*vi 8ai»v>L»»8v in nachstehender Weise ausgeführt:
Nach Kornwestheim u. Ludwigsvurg.
Von Wildbad u. Nagold über Calw.
Wildbad
ab
2.10 früh
Calmbach
ab
2.17
Höfen
ab
2.24
Rothenbach
ab
2.32
Neuenbürg
ab
2.42
Birkenfeld
ab
2.53
„
Brötzingen
an
2.58
ab
3. 2
Weißenstein
3. 9
Unterreichenbach
3.21
Liebenzell
3.33
Hirsau
3.43
,,
Calw
an
3.50
„
Nagold
ab
3.15
„
Calw
ab
4. 5
Leonberg
5.20
„
Zuffenhausen
6. 2
Kornwestheim
an
6.10
Ludwigsburg
an
6.27
Rückfahrt von Ludwigsburg.
Nach Wildbad u. Nagold über Calw.
Ludwigsburg
ab 7.25 abends
Leonberg
an 8.26
Calw
an 9.40
Nagold
an 10.33
Calw
ab 9.55
Hirsau
an 10. 2
Liebenzell
10.11
Unterreichenbach
10.23
Weißenstein
10.35
„
Brötzingen
10.42
Birkenfeld
10.51
„
Neuenbürg
11. 4
,,
Rothenbach
11.15
Höfen
11.24
Calmbach
11.32
Wildbad
an 11.40
Von Mühlacker.
Mühlacker ab 5.30 früh
Bietigheim 6.30 „
Ludwigsburg 7.— „
Nach Mühlacker. Ludwigsburg ab 6.45 abends
Bietigheim an 7. 9 „
Mühlacker an 8.— „
Die vorstehend aufgeführten Züge führen Personenwagen III. Klaffe und halten an -den oben bezeichneten Stationen an. Zu ihrer Benützung berechtigen die zur Fahrt in fahrplanmäßigen Zügen giltigen Billete. Für die Mitglieder des württb. Kriegerbundes und die Angehörigen der demselben sich anschließenden Kriegervereine werden zur Fahrt nach Kornwestheim und Ludwigsburg und zurück Militärbillette ausgegeben. Die Militärbillette sind womöglich am Tag vor der Abreise, spätestens aber V? Stunde vor der Abfahrt zu lösen.
In der Zeit von 7.40 bis 9.30 vormittags werden von Stuttgart nach Kornwestheim und Ludwigsburg, in der Zeit von 12.0 bis 2.30 nachmittags von Ludwigsburg und Kornwestheim nach Stuttgart in Zwischenräumen von l0 bis 15 Minuten nach Bedarf außerordentliche Personenzüge mit Wagen II. und III. Klasse ausgeführt, zu deren Benützung die zur Fahrt in fahrplanmäßigen Zügen giltigen Fahrkarten berechtigen. Die außerordentlichen Züge nach Stuttgart werden abwechslungsweise von Ludwigsburg und von Kornwestheim ausgehen.