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eintrifft. Die nach 8 Uhr Eintreffenden können bei der Aufstellung nicht mehr berücksichtigt werden und müßten, da der morgens 4 Uhr 40 Min. hier abgehende Zug erst gegen 9 Uhr dort ankommt, Tags zuvor abreisen. Anmeldungen zu einem Extrazug wollen sobald als möglich bei den Vorständen der betreffenden Vereine gemacht werden.
— Die württembergische Generaldirektion ist dieses Jahr un- gemein rührig mit Ablassung von Extrazügen aus der Residenz nach allen Richtungen. So wird nächsten Sonntag ein solcher Zug nach Teinach, Liebenzell, Neuenbürg und Wildbad abgehen, durch welchen dem schwäbischen Residenter um einen sehr billigen Preis ermöglicht wird, diese Orte zu besuchen.
Wildöad. Die Badesaison hat nunmehr ihren Höhepunkt überschritten und mehr und mehr wird das Bild an Lebhaftigkeit verlieren. Bis jetzt wurde unser Bad von 6105 Personen frequentirt; immerhin ein recht günstiges Ergebniß. Trotz vorgerückter Saison steht uns morgen Abend im ober» Kursaale noch eine Soiree in Aussicht; man könnte zu dieser Zeit ein solches Unternehmen gewagt nennen, doch wenn man weiß, welche Genüsse uns bevorstehen, so verschwindet jeder Zweifel an den materiellen Erfolg der Soiree. Der berühmte Klavier-, Gesangsund Deklamationshumorist O. Lamborg aus Wien veranstaltet nämlich morgen Donnerstag einen „musikalisch-humoristischen Unterhaltungsabend" und in der That wird uns die Soiree überraschende Genüsse bringen, wir können sowohl die Kunst bewundern, als auch echt heitere Stunden mitmachen. Die Produktionen des eigenartigen Künstlers fanden das Wohlgefallen zahlreicher hoher und höchsten Persönlichkeiten Europas, sowie die günstigste Beurtheilung deutscher und ausländischer Preßorgane. Auch hier in Wildbad steht der Künstler in bestem Andenken; bereits in den früheren Jahren mit größtem Erfolge aufgetreten, gab er am 2. Juli d. Js. eine Soiree, welche von überraschendstem Resultate begleitet war, — Publikum und — der Künstler waren gleich befriedigt. Eine weitere Empfehlung halten wir für überflüssig.
(2^ Tnierchaliendts.
Mm zwei Iuß zu Lang.
Eine Sedangeschichte vonH. Trebort.
(Fortsetzung.)
„Nun, mein Lieber," antwortete die Landrütin, „wie ich sehe, haben Sie noch nicht alle Hoffnung ausgegeben, den kleinen Grasteufel für Sich zu gewinnen. Wir unsererseits, wir können in dieser Angelegenheit weiter nichts thun, als zu Gunsten Ihrer interveniren, haben uns aber vorgenommen, ihr freie Wahl zu lassen. Nun Herr von Rhansberg, suchen Sie den kleinen Wildfang unten im Park auf und sagen Sie ihm, daß im Garten- Salon Thee servirt wird und ich Sie beauftragt habe, ihn dahin zu geleiten. Nicht wahr, Herr Lieutenant, Sie sagen ihm das und — was sie ihm sonst vielleicht noch mitzuteilcn haben, dem kleinen Wildfang?"
Herr von Rhansberg ließ sich solches nicht zweimal sagen, und mit einer militärischen Verbeugung verließ er den Salon.
von Rhansberg war in der That ein auffallend hübscher Offizier, obwohl er, als er jetzt die Treppen der Veranda mit seinen — ach, so langen Beinen drei zu drei nahm und dann den Park mit ellenlangen Schritten durchsauste, daß man ihm höchstens per Velociped hätte folgen können — durchaus nicht allzu graziös aussah. Im Regiment hatte er den originellen Beinamen: „Die lange Elf," indeß Herr von Santen „Die kurze Zwölf" genannt wurde. Dies zur näheren Charakterisirung der Beine des Herrn von Rhansberg.
Von allen Bekannten des elterlichen Hauses, bei denen man Absichten auf das hübsche und reiche Töchterlein voraussehen konnte, war es, wie schon erwähnt und sie es selbst gestand, Herr von Rhansberg, welchem Gabriele am freundlichsten gesonnen war. Sie errötete merklich und ihr Herz pochte, als sie seine Siebenmeilenschritte hinter sich nahen hörte. Bald aber gewann sie wieder ihre natürliche Unbefangenheit.
„Ach, welche Ueberraschnng: Herr vonRhansberg — Sie hier?
„Ja, mein gnädiges Fräulein, und zwar ist mir der ehrende Auftrag zu teil geworden — — Sie, mein gnädiges Fräulein — hm, hm —" den jungen Offizier schien plötzlich alle Tapferkeit zu verlassen — „um Sie, mein gnädiges Fräulein, nach dem Gartensalon zu geleiten, woselbst die gnädige Frau Mama den gnädigen Thee — pardon, den Thee serviren läßt."
Gabriele lachte muthwillig.
„Und zu diesem Zweck einzig und allein hat man Sie von
Berlin nach Schloß Hautrapp beordert, damit Sie mich zum Thee führen sollen?"
„Nein, mein Fräulein," antwortete der Heirathsaspirant, „es war eine ganz positive Ordre meines Herzens, der ich gefolgt bin."
„Eine positive Ordre Ihres Herzens, mich zum Thee zu führen?" j
Sie wollte ihn durchaus nicht verstehen. Da hieß es denn, die einem Militär ohnedies nicht geziemende Schüchternheit ab- legen und direkt auf die zu erobernde Festung losgehen.
In stürmischen Worten der Liebe und Begeisterung wiederholte er seinen bereits einmal schüchtern gestellten Antrag um — denselben Erfolg zu erzielen.
Wieder lachte sie wie damals, und wieder gab sie wie damals die capriciöse Antwort:
„Zwei Fuß zu lang — beiläufig zwei Fuß zu lang. Warten Sie doch, Herr Lieutenant," so neckte sie, „bis ich entsprechend größer geworden bin. Hoffentlich werde ich ja noch wachsen."
Und damit hatte sie das Gespräch abgebrochen und ging still an der Seite des nun völlig Hoffnungslosen und so schnöde Abgewiesenen dem Gartensalon zu.
Herr von Rhansberg verließ noch am selben Abend das Schloß Hautrapp, düstern Kummer im Herzen; denn er liebte diejenige, welche ihn verschmähte, mit voller Glut und Leidenschaft und hatte sich hineingelebt gehabt in den süßen Gedanken, sie dereinst die seine nennen zu dürfen.
Als er spät in der Nacht wieder in Berlin anlangte, da erfuhr er sofort, daß die Kriegserklärung vollendete Thatsache sei.
Freude erleuchtete plötzlich seine düsteren Züge.
„Hurrah Krieg!" rief er in seine Wohnung tretend. — „Krieg! Du wirst mein krankes Herz gesunden!"
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„Immer vorwärts, Jungens! Es giebt noch mehr Eiserne Kreuze! Immer drauf!"
So rief ein noch junger Hauptmann und Kompagniechef seiner Kompagnie zu, welche beordert war ein Gehöft zu nehmen, das den Franzosen als Stützpunkt diente, um den fast geschlossenen eisernen Ring zu durchbrechen.
Mit lautem „Hurrah! Hurrah!" stürmten die Tapferen ihrem kühnen Führer nach. — Da plötzlich wankte das Pferd des Hauptmanns und stürzte zur Erde. Geschickt hatte sich der Reiter vorher aus dem Sattel geschwungen. Das treue Roß hatte eine Kugel ins rechte Auge bekommen. Das war das Werk eines Moments. Aber die Kompagnie hatte, trotzdem er nun unberitten, ihren geliebten Hauptmann nicht aus dem Gesichte verloren. Er überragte die Kompagnie wohl um mehr als Kopfeslänge und stürmte an der Spitze der feindlichen Stellung entgegen. Plötzlich ein betäubender Knall — hochauf flog die Erde in die Luft — alles war in eine mächtige Staubwolke gehüllt
— man hörte Stöhnen und Aechzen! — — Eine feindliche Granate war mitten -in die stürmende Kompagnie gefallen und hatte entsetztliche Verheerung bewirkt. Zwei frische Kompagnien folgten, und diesen gelang es, die feindliche Stellung zu nehmen und die tapferen Verteidiger derselben sammt und sonders zu Gefangenen zu machen.
Allgemeine Trauer bemächtigte sich des Regiments, welchem die drei tapferen Kompagnien angehören, als sich plötzlich die Nachricht verbreitete, daß der Chef der ersten dem Feinde entgegengesandten Kompagnie, Hauptmann von Rhansberg, soeben schwer verwundet nach dem Feldlazarett) zurückgetragen worden sei. Beide Beine bis zum Kniegelenk waren ihm von der Granate abgerissen.
Noch am selben Tage — dem 1. September, wurden dem Aermsten die noch übrig gebliebenen Teile des Unterfußes amputirt.
(Schluß folgt)
— Woher kommt der Ausdruck Strohwitt wer? Nach uralter deutscher Sitte, die jetzt noch in einigen Gegenden herrscht, gilt das Stroh als Sinnbild für etwas nicht Wirkliches. Bei Frühlingsfesten wurde eine Strohpuppe als sinnbildliche Darstellung des Winters im Triumph umhergeführt und dann entweder geprügelt oder in's Wasser geworfen, ein Brauch, der heute noch besteht. So wurden einmal bei einer Belagerung von Mühlhausen in Thüringen Strohmänner mit Waffen bewehrt auf die Mauer gestellt, um die Zahl der Vertheidiger größer erscheinen zu lassen; die hierdurch getäuschten Hessen erhielten damals den Namen der blinden. Bald bürgerte sich der Name Strohmann für etwas nicht Wirkliches (namentlich beim Kartenspiel) ein und führte allmälig zu der Ausdehnung des Begriffes „Strohwittwer".
— So die „Dorfztg."