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Wildk-der
Amtsblatt für die Stadt Witdbaö.
Anzeiger und Unterhaltungs-Blatt für Wildbad und Umgebung.
——L Kirrunözwcrrrzigster Jahrgang. Z——
Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. — Abonnementspreis mit dem jeden Samstag erscheinenden Itlufirirten Sonntags-Zrlall in Wildbad vierteljährlich 1 ^10 monatlich 40 durch die Post bezogen im Bezirk 1 15 auswärts 1 45 ^ vierteljährlich. — Jnsertionspreis die Zeile oder deren Raum 10 ; bei Redaktions-Auskunft 20 Zuschlag.
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amstag, den 8. August
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W ü r t t e nr b e r g.
— Die Zahl der anwesenden Militärpflichtigen ist überall eine überraschend große. Nach dem neuesten Staatsanzeiger sind von der Staatsanwaltschaft Ellwangen 64, von der Staatsanwaltschaft Tübingen 49, von der Staatsanwaltschaft Stuttgart 43 Militärpflichtige wieder ausgeschrieben worden.
Leonöcrg, 5. Aug. In nächster Zeit wird hier ein Fest von seltener Art abgehalten. Es ist dies die 50jährige Jahresfeier der Gründung der bekannten und weltberühmten Essig'schen Musterzüchterei von Leonberger Hunden. Welch' anerkannter Beliebtheit sich diese Thiere erfreuen, geht daraus hervor, daß dieselben so ziemlich über alle Länder der Erde verbreitet sind. Auch wurde ja schon in verschiedenen Tagesblättern und den ersten deutschen illustrirten Zeitschriften viel über diese Hunde geschrieben, so daß es kaum nötig ist, hier noch Näheres zu erwähnen. Das Etablissement selbst besteht aus 2 im Schweizcr- stpl eebauten Wohnungen nebst den für die Hunde bestimmten Nebengebäuden. Dazu gehören noch 3 Morgen Feld und ein 3 Morgen großer, hübsch romantisch angelegter Garten, von welchem aus man seiner hohen Lage wegen eine schöne Fernsicht in das Glemsthal genießt. Auf den Tag dieser Feier wird ein besonderes Gedenkblatt angefertigt, welches 3 prächtige Exemplare von Leonberger Hunden darstellt und wovon jeder Festteilnehmer zur Erinnerung an diese Feier gratis eines erhält. Da ein Besuch dort nicht nur für Hunde-, sondern auch Naturfreunde sich der Mühe lohnt, so dürfte diese Festfeier hauptsächlich von auswärts sich einer zahlreichen Beteiligung erfreuen. Der Tag, an dem die Feier stattfindet, ist bis jetzt noch nicht festgesetzt.
Am 5. August ist nachts 10 Uhr in Sulzbach, O A. Backnang, ein Brand ausgebrochen, infolge dessen ein Wohnhaus und 3 Scheuern fast ganz zerstört, 2 weitere Wohnhäuser und 1 Scheuer mehr oder weniger beschädigt wurden. Es wird Brandstiftung vermutet. Der Brandschaden wird zu 12845 geschätzt.
Motflenöuch, 27. Juli. Unser bekannter Nimrod, Herr Förster Völker, hatte heute Abend ein hübsches Intermezzo mit einem Hirsche. Als Herr Völker nämlich auf dem Anstande saß, kam ein feister Achtender gemütlich daher und wurde glücklich auf's Blatt getroffen. Doch als ob er sich besinnen wollte, was jetzt anzufangen sei, blieb er ruhig stehen. Der Förster war ebenso erstaunt, wie es der Hirsch schien, schrie aber nun denselben mit lauter Stimme an: „Was willst Du denn noch, leg Dich oder geh zum ....!" Der Hirsch vermuthlich erschrocken über den starken Klang der Stimme, fing zu wanken an und lag in der nächsten Sekunde im Gras, mausetot. (!?)
Rundschau.
— Die „Tägl. Rundschau" (Berlin) schreibt: Daß im Ministerium der öffentl. Arbeiten die Bemühungen zur Reinigung unserer Muttersprache von überflüssigen Fremdwörtern eine kräftige Unterstützung erfahren, wurde bereits mehrfach hervorgehoben. Gegenwärtig ist der dem gen. Ministerium als Hilfsarbeiter an- gehörige Regierungs-Rat Sarrazin mit der Abfassung eines Verdeutschungswörterbuchs beschäftigt, das einerseits die zahllosen landläufigen Fremdwörter enthalten wird, welche auch die amtlichen Berichte und Kundgebungen aller Art überwuchern, dann aber namentlich die ausländischen Kanzlei- und sog. technischen Ausdrücke berücksichtigen soll, die sich wie in der Amtssprache, so im gesamten Verkehrswesen, im Bau-, Eisenbahn-, Maschinenwesen und allen Zweigen der Jngenieurkunst über Gebühr breit machen. Zur Förderung des Werkes hat der Arbeitsminister,
der diese Bestrebungen mit ganz besonderem Interesse pflegt, dem Verfasser einen mehrmonatlichen Urlaub erteilt.
Aarmstadt, 5. Aug. Auf eine originelle Weise gefaßt wurde gestern hier ein Taschendieb. Schon seit mehreren Wochen wurden regelmäßig auf dem Wochenmarkte Taschendiebstähle verübt, ohne daß es der Polizei trotz aller Bemühungen gelungen wäre, des Diebes habhaft zu werden. Gestern sollte er jedoch seinem Schicksale nicht entgehen. Der Marktplatz wurde vom dritten Stockwerke mehrerer Häuser durch mit — Operngläsern bewaffnete Schutzleute beobachtet, und in der That gelang es einem derselben, auf diese Weise wahrzunehmen, wie ein schon früher wegen Diebstahls bestrafter 14jähriger Bursche einer Dame das Portemonnaie aus der Tasche eskamotirte.
Gestern fand in Hastein die Zusammenkunft unseres Kaisers mit Oesterreichs Herrscher statt. Die Begrüßung war recht herzlich.
Wie die „Presse" meldet, wird die Zusammenkunft des Kaisers von Hesterreich und des Kaisers von Mußland in der zweiten Hälfte des Monats September stattfinden; der Ort der Zusammenkunft sei noch nicht festgestellt.
Aus Mom lassen sich Berliner Blätter melden: In hics. klerikalen Kreisen erzählt man sich, der Papst habe in der letzten Sitzung der apostolischen Kongregation für außerordentliche Kirchen- angelegheiten den versammelten Kardinälen und Prälaten mit klaren und bestimmten Worten erklärt, daß er es an der Zeit finde, die italienischen Katholiken an dem öffentlichen Leben der Nation teilnehmen zu lassen und den Nachteilen ihrer Ausschließung von demselben ein Ende zu machen. Die Frage werde täglich dringlicher, und er habe beschlossen, sie so bald als möglich der Kongregation zu reiflicher und gewissenhafter Prüfung vorzulegen.
Die Enthüllungen der „Pall Mall Gazette" über das nach außen hin frömmelnde, nach innen aber den größten Sumpf des Lasters und des Verderbens aufweisende London führen bereits zu — Personalveränderungen in hohen und höchsten Kreisen.
— Das auch von uns erwähnte Extrablatt der „Pall Mall Gazette," „Mädchen-Tribut" überschrieben, hat dem Lordmajor von London im Uuterbaus Anlaß zu der Frage gegeben, ob die „Pall Mall Gazette" wegen Veröffentlichung unsittlicher Artikel gerichtlich verfolgt; werden würde, was von dem Minister des Innern verneint wurde. Gleichzeitig tadelte der Minister das jüngste Einschreiten gegen eine Anzahl Jungen, welche die Pall Mall Gazetle in den Staßen verkauften. Uebrigens hat der Herausgeber der Pall Mall Gazette gedroht, er würde, falls er wegen der Veröffentlichung der drastischen Einhüllungen gerichtlich belangt werden sollte, die Namen aller der hochgestellten Persönlichkeiten veröffentlichen, welche, wie die geheime Commission ermittelt hat, zu den modernen „Minotauren" zählen. Der Herausgeber der Pall Mall Gazette erhält täglich Massen von Dankes- und Anerkennniigsbriefen von Prälaten, Parlamentsmitgliedern, anderen Persönlichkeiten und zablreichen Vereinen und Instituten, welche sich die Unterdrückung des Lasters zur Aufgabe gestellt haben. Das berüchtigte Extrablatt, läßt an Genauigkeit der Schilderung der schmutzigen Vorkommnisse in der That nichts zu wünschen übrig.
Maris, 5. August. Die meisten hiesigen Blätter drücken ihr Bedauern und Befremden über den Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." gegen die französischen Rachegelüste aus Man wisse in Deutschland zu gut, daß Frankreich keine Revanchegelüste mehr habe und gegen seinen Nachbar vollkommen friedlich gesinnt sei. In amtlichen politischen Kreisen herrscht große Auflegung und man will der fast drohenden Sprache der „Nordd. Allg. Ztg."