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schweigend und regungslos im Sattel saß und ihn nur von Zeit zu Zeit in einer beständigen Unruhe mit der Gerte zu schnellerem Laufe antrieb.
Jetzt tauchten die schneebeladenen Fichten des Waldes vor ihnen auf, und gleichzeitig zügelte Nikolaja ein wenig ihr Roß. Ihre Rechte fuhr an der Satteltasche hin. „Ich denke, Romald, Feodorowitsch, Sie sehen sich den Wolfskessel an, Kola wird Sie "dahin führen. Die Schlucht ist einigermaßen malerisch. Wir Frauen warten inzwischen am Forstensaume."
Helena erblaßte unwillkürlich bei dem Gedanken, mit diesem Weibe allein zu bleiben.
„Ist nicht gefährlich für meinen Gatten?" fragte sie zögernd.
„Gar nicht!" lachte Nikolaja scharf auf. „Nun! worauf wartest Du noch, Kola? Voran!"
„Herrin, könnte es nicht sein, daß wirklich Wölfe?-"
meinte der Knecht schüchtern.
„Thorheit!" spottete Frau Zucharskoi. „Hierher wagen sie sich schon lange nicht mehr!" Sie zuckte ungeduldig an der Reitpeitsche, und Kola spornte eilig sein Pferd. Bald war er mit Romald zwischen den Stämmen verschwunden.
„Ist der Ort weit?" forschte Helena ängstlich.
„Nicht sehr. Doch hoffe ich, weit genug," murmelte Nikolaja mit zusammengepreßten Lippen. Sie ritt langsam ein Stück seitwärts und setzte über eine kleine Vertiefung; dahinter streckte sich ein niedriger Hügelkamm.
„Folgen Sie, wenn Sie können!" rief sie zurück. Die Ironie des Tones reizte Frau Waruschkev, und sie ahmte der Spötterin hurtig nach.
Ein wilder, triumphirender Schein flog über Nikolajas Gesicht, sie richtete sich hoch auf.
„Ich sehe. Sie wissen zu reiten, Romaldowna," sprach sie schneidend und das letzte Wort betonend." Es ist nun Zeit für Sie, zu zeigen, ob Sie sich auch auf ernstere Dinge verstehen." Sie griff in die Satteltasche und zog zwei Pistolen hervor, von denen sie eine der tätlich bestürzten Helena überreichte. „Nehmen Sie!" rief sie heiser und drohend, indem ihre Züge sich unheimlich veränderten. „Es bleibt Ihnen nur dies, um Ihr Leben zu schützen; denn es geht um das Leben, Romaldowna? Sie nahmen nicht nur Romalds Freiheit, Sie nahmen mir auch sein Herz! und ich schwöre Ihnen bei meiner Liebe zu ihm, daß ich Ihnen sein Herz nicht lasse! Sie oder ich: eine von uns stirbt? Zaudern Sie nicht!" endete sie knirschend, da Helena die Waffe schaudernd zurückwies, „wenn Sie sich nicht verteidigen — ich halte meinen Schwur — und ich warne Sie, wehrlos —"
Jndeß hatte sie der halb ohnmächtigen jungen Frau die Pistole in die Hand gedrängt und wandte den Rappen zehn Schritte rückwärts.
„Es ist ehrliches Spiel!" rief sie höhnisch. „Sehen Sie sich nicht um, der teure Gemahl ist fern, und Sie entkommen nicht! Ich zähle bis fünf — dann schießen Sie zuerst — oder ich schieße!"
„Bei Gott! halten Sie ein! Sie sind rasend!" schluchzte Helena entsetzt. „Ich that Ihnen nichts zu Leid, bin ich denn schuld an Romalds Liebe?"
„Still!" herrschte Nikolaja ihr zu. „Eins — zwei — schießen Sie, oder — drei — ich halte Wort — vier —"
Frau Waruschkev warf die gespannte Waffe zur Erde und kreuzte die Arme. „Schießen Sie dann! Ich hindere Sie nicht."
Die Andere stieß einen Wutschrei aus. Es galt aber nicht dem Wegwerfen der Pistole oder den Worten Helenas.
„Zu spät!" schrie sie. „Zu spät!"
Helena peitschte ihr Tier, daß es mit weitem Sprunge über den Graben schoß, gleich darauf hielt sie neben ihrem Gatten.
„Wir kamen nicht durch! Schneewehen — aber was ist hier geschehen?" unterbrach sich Romald betroffen. „Du weinst — die Wladimirowna — mein Gott sage mir —"
„Ich will Dir's selbst sagen, Romald Feodorowitsch!" rief die inzwischen herangekommene Nikolaja mit mißtönendem Lachen. „Es ist kein Raum auf der Welt für mich und die, die Dein Herz hat! Um das Leben! Ich hab's geschworen: Sie oder ich!"
Ehe einer es wehren konnte, hob sie die Mündung der Pistole wieder sich selbst, und der Schuß knallte.
„Heiliger Andrej!" floh es von Romalds Munde. Er fing die Niedersinkende auf und suchte das Blut zu stillen, das der Brustwunde entströmte und auf den sonnig glitzernden Schnee rieselte. Ein müdes, finsteres Lächeln stahl sich auf Nikolajas Antlitz. „Unglückliche!" klagte Helena und neigte sich über sie.
„Wenn ich Dir Leid anthat, so vergieb es mir; bleibe nicht unversöhnt!"
Nikolaja wandte sich ab. Da ich sterbe, mag er thun, was ihm gefällt," murmelte sie mit schwerem Athem. „Nur denke zuweilen an mich, Romald; denn es wird Dich niemand mehr so lieben, wie Nikolaja!"
Als Kola nachträglich erschien, wußte er sich gar nicht zu fassen vor Schrecken. Romald sagte ihm, daß die Waffe sich unversehens entladen habe. Sie brachten dann die tote Herrin nach Haus; und schon eine halbe Stunde später klingelte die Troika der Waruschkevs auf Kiew zu.
Auf Zucharskoje-Kreslo lag Nikolaja Wladimirowna in ihrem Zimmer, in kostbare Decken gehüllt; der Himmel umzog sich mit silbergrauen Wollen, Krähen strichen vom Walde, die Mjatjola) (Schneesturm) tanzte um das Herrenhaus ihren kalten Reigen und es war noch viel frostiger, drinnen und draußen.
Verschiedenes.
— Das Journal für Buchdruckerkunft bringt folgende interessante Entscheidung der Post: Die Hinstorff'sche Buchdruckerci in Wismar wollte einen Korrekturbogen und Manuskript zu ermäßigtem Porto versenden und hatte auf den Abzug die Bemerkung gemacht: „Rücksendung erbitte möglichst noch heute Abend, damit der Druck noch Donnerstag erfolgen kann." Das Postamt in Wismar wies diese Sendung zurück, weil eine solche Bemerkung zu den schriftlichen Mitteilungen zu rechnen sei, für welche ein höheres Porto bezahlt werden müsse. Die Oberpostdirektion in Schwerin entschied jedoch, daß eine solche Bemerkung, als zum Druck gehörig erlaubt und die Sendung gegen ermäßigtes Porto zu befördern sei.
(Lederüberzüge zu reinigen.) MitLeder überzogenen Sofas, Stühlen rc. kann man ein neues Aussehen geben, wenn man sie mit gut geschlagenem Eiweiß abreibt. Ebenso werden Ledereinbände von Büchern behandelt.
— Es kann Jemand leicht ein reicher Mann geworden sein, ohne es zu wissen; denn auf das Loos Nr. 51442 der Donau- Dampfschiffahrt in Wim ist am 2. Januar d. I. der Haupttreffer von 52 500 Gulden gefallen, aber noch nicht erhoben worden.
— (Impertinent.) Jägerianer (zu einem Schustersbuben): „Was guckst Du mich denn so frech an?" — Schusterbube: „Ich wollt blos sehen, ob ich ein Kameel in Schafskleidern, oder ein Schaf in Kameelskleidern vor mir habe."
Amtliche und Privat-Anzeigen.
K <r k nr b a ch.
Sonntag den 1. Februar
gegeben von dem Zither- und Piston-Virtuosen
H KrniL Hlinrnenhofer. K
^ »s- Anfang 3 Uhr. ^
HolzVerkauf.
Am Montag den 2. Februar d. vormittags 11 Uhr
verkauft die Ge- tmeinde auf hiesigem iRathause: 29 Rm. sbuchen Abholz, 11 «.Rm. birken Abholz, ^ 80 Rm. tannen Ab- 'holz, 15 Rm. tannen Anbruchholz, 82 Rm. buchene Reisprügel, 70 Rm. tannene Reisprügel.
Höfen, 28. Jan. 1885.
Schultheißenamt.
Rehfuetz.