Warum geschah dies? und welcher Zweck sollte hierbei erreicht werden? Immer mächtiger wurde der Wunsch in mir rege, das Thun und Treiben des Oberschaffners einmal in nächster Nähe beobachten zu können. Hierin wurde ich nur zu sehr bestärkt durch das Benehmen des mit mir fahrenden Personales gegen mich. Bei aller Höflichkeit hielt man mich offenbar für einen unberufenen Eindringling; nur zu oft bemerkte ich, wie ich in anscheinend unbewachten Augenblicken mißtrauisch beobachtet wurde. Der Umgang war und blieb kalt, von Vertraulichkeit, so oft ich auch Annäherung suchte, war keine Rede. So standen die Sachen, und ich fing schon an, an dem Erfolge meines Planes zu zweifeln, da sollte mir ein Zufall zu Hilfe kommen.
Wir fuhren den Nachtschnellzug Nr. 6. Unterwegs wurde der die Bremse Nr. 2 bedienende Schaffner plötzlich krank und der anwesende Betriebs-Jnspector ordnete dessen Vertretung durch mich an. Es war eine stockfinstere Nacht, mit voller Geschwindigkeit raste der Zug in die Finsternis hinaus auf dem eisernen Schienenwege, dessen Richtung nur durch ein hie und da hervorleuchtendes Lämpchen angedeutet wurde. Jetzt oder nie, dachte ich. Jetzt ist cs Zeit, das verdächtige Bremshäuschen einmal einer genauen Besichtigung zu unterwerfen. In voller Fahrt kroch ich auf allen Vieren über das Verdeck meines eigenen Wagens hinweg, ließ mich mit kühnem Schwünge an der Pufferseite hinab und wiederholte dasselbe Manöver aufwärts an dem nächstfolgenden Wagen, in welchem der Oberschaffner saß. Behutsam rutschte ich auf dem Bauche bis dicht an das Bremshäuschen heran; beim Laternen- ffchein konnte ich genau erkennen, was darin vorging. Da saß er, die Beine weit auseinander gespreizt, mit dem dicken vollmondartig wiederleuchtenden Gesicht, und war mit Sortiren der Billete beschäftigt. Er war offenbar nicht recht mit sich im Reinen über dieses Geschäft, denn verschiedene Billete legte er beiscits; plötzlich packte er sämmtliche Häufchen zusammen, steckte sie in seine Tasche und beschäftigte sich nun angelegentlich mit den bei Seite gelegten, notirte ihre Zahl und ihre Nummern, besah sie wiederholt genau, indem er sie gegen das Licht hielt und legte sie schließlich auf einen Haufen wohlgeordnet zusammen. Dann öffnete er ein Wandschränkchen und zog daraus ein mit einer weißlichen Flüssigkeit gefülltes Gefäß hervor, tauchte jedes Billet eine Secunde lang hinein, ließ es wieder abtropfen und legte es sodann zum Trocknen auf eine Art Netz. Dieselbe Manipulation wiederholte er mit jedem einzelnen Billete; das Geschäft schien ihm besonders Vergnügen zu machen, denn seine Augen leuchteten förmlich vor Be-
(Schluß folgt.)
Allgemeiner Deutscher Versichern,rgs-Bereiu
in Stuttgart.
Monats- und Jahresbericht.
Der Verein hatte folgende Ergebnisse zu verzeichnen:
Monat
Zahl der neu beigetretenen Personen.
Zahl der beim Verein angemeldeten
Von den Mitgliedern der Sterbekasse starben:
Körper
verletz
ungen
Krank
heiten
Todes
fälle
Januar
3128
251
36
3
34
Februar
2087
228
36
1
18
März
2235
285
50
4
23
April
2929
292
36
3
20
Mai
2771
341
37
5
24
Juni
2504
321
44
5
15
Juli
1838
321
54
5
20
August
3338
396
43
6
21
September
3326
377
37
7
16
Oktober
3619
411
83
4
14
November
3459
319
86
4
19
Dezember
5877
348
118
5
32
1 37,111
> 3,890
660
52
256
Es wurden somit im Jahre 1884 in den Verein 37111 Personen ausgenommen und 4858 Schadenfälle, worunter 256 Todesfälle der Sterbekaffe, erledigt. Beim Verein waren am Schluß des Jahres 1884 104 873 Personen versichert.
Gemeinnütziges.
(Wasserdichtes Schuhwerk.) Eines der besten Schmiermittel, um Stiefel re. wasserdicht zu machen, kann man Herstellen, wenn man gleiche Gewichtsteile Leinöl und Klauenfett mit einander kochen läßt und mit dem Gemisch das trockene Leder öfters einschmiert. Dadurch wird nicht nur das Durchschlagen des Wassers verhindert, sondern auch das Schuhwerk besser als mit anderen 'Mitteln conservirt.
(Toiletten schwämme zu reinigen.) Die Toiletten
schwämme welche man zum Waschen benutzt, werden durch die Seife nach einiger Zeit eigentümlich schmierig, fettig und fast unbrauchbar, indem sie ihre Fähigkeit, Wasser aufzusaugen, sowie ihrer Elastizität verloren haben. Das bloße Auswaschen wirkt nicht mehr. Man drückt in diesem Fall den zu reinigenden Schwamm so gut wie möglich aus, legt ihn auf einen Teller, bestreut ihn mit etwas zu Pulver zerstoßenem, geschmolzenem Chlorcalicum und läßt dieses auf dem Schwamm zerfließen. Nach ungefähr einer halben Stunde kann man den Schwamm in Wasser auswaschen und trocknen, wobei er wieder wie neu wird.
Verschiedenes.
— Damit kein Tropfen von ihrem Münchener Bier umkomme, sammelten mehrere Wirte in Bamberg die Reste, die von den Gästen stehen gelassen wurden, schütteten sie zusammen und setzten sie andern Gästen als frisches Bier vor. Diese Wirte haben sich nächste Woche vor Gericht zu verantworten.
— Ueberraschend ist die statistische Erfahrung, daß unrer 100 Bierbrauern 26, unter 100 Bäckern 23 an der Auszehrung sterben. Große Brauer und Bäcker Helsen sich damit, daß sie nicht selber brauen und backen und so leicht 99er werden.
— Als Curiosum verdient aus Stettin erwähnt zu werden, daß die einzige Verhaftung, welche in der Sylvesternacht dort vorkam, die eines .... Nachtwächters war, den drei seiner Kollegen gebunden wegen — ruhestörenden Lärms und Auflehnung gegen die collegialische Amtsgewalt auf die Wache brachten.
— Als die kleinste Uhr der Welt kündigt sich eine goldene Zwerg-Taschenuhr im Schaufenster des Hof-Uhrmachers Hartmann Unter den Linden in Berlin an. Ein daneben liegendes Zwanzig- und ein Einpfennigstück sind gegen die Uhr wahre Riesen. Wer 15000 Mk. übrig hat, kann das Wunderwerk erwerben.
(Verfänglich.) Weinreisender: „Viel Gasthäuser sind hier — lauter schöne Namen: zum Ochsen — zum Affen — zum Lamm; fehlt blos noch ein's zum Esel." Wirt: „So etabliren Sie sich doch hier."
— Der zerstreute Pianist. Dame: „Aber mein Herr, Sie treten mich ja fortwährend auf den Fuß!" Pianist (verlegen): „Ah — bitte tausendmal um Entschuldigung — ich dachte es wär' ein Pedal."
Der neuüte Band der 13. vollständig umgearbeiteten, mit Abbildungen und Karten reich illustrirten Auflage von Brockhaus' „Con- versations-Lexikon", der mit dem 135. Heft vor kurzem beendet wurde, geht bis zum Stichwort Kades, und enthält im ganzen 6486 Artikel, über 4000 mehr als derselbe Band in der vorigen Auflage. Allen Fächern und Wissensgebieten ist diese bedeutende Vermehrung zu gute gekommen, vornehmlich aber den Naturwissenschaften der Medizin, der Technologie und Mechanik, denjenigen Gebieten also, auf welchem unsere Zeit die gewaltigsten Fortschritte zu verzeichnen hat; auch die Darstellung des modernen.Heerwesens ward durch zusammenhängende Artikel und tabellarische Übersichten vorzugsweise bereichert. Stoffe aus dem Leben der Gegenwart behandeln die Artikel über: Heimatsrecht, Hilfskassen, Hypnotismus, Impfung, Internationale, Jrredenta, wogegen Abhandlungen wie die über Indien, Irland, Italien, Japan, den Islam, die Juden abgerundete Historisch-geographische Gemälde entrollen. Zur Erläuterung und Jllustrirung des Textes dienen 152 Figuren in Holzschnitt, 17 separate Bildertafeln, unter welchen die Tafel „Das Herz des Menschen" vermöge ihrer Feinheit und Accurateffe einen besonders gewinnenden Eindruck macht, und 8 in Farbendruck ausgeführte Karten. Sehr beachtenswert erscheinen auch die Tafeln mit Abbildungen aus den Gebieten der Zologie und Botanik, die in der naturgetreuen Wiedergabe die Hand "bewährter Fachmaler und in der Ausführung eine vollendete künstlerische Technik bekunden. Eine der größten und angesehendsten anglo-amerikanischen Zeitungen, „New Aork-Herald", beginnt ihre Besprechung des Werks mitfolaendem schwungvollen Lobe: „Die 13. Auflage von Brockhaus'Couversations- Lexikon ist, soweit sie bis jetzt vorliegt, ein bewunderungswürdiges Werk, eine der umfassendsten Encqklopädien. ein schönes Zeugnis von dem ausdauernden Forschungseifer des deutschen Geistes". Unter Hinweis auf dieses Urteil von der anderen Hemisphäre, das übrigens mit dem allgemeinen Urteil der heimische» Presse durchaus im Einklang steht, darf Brockhaus' Conversatwns-Lexikon" in der vorliegenden 13- Auflage gewiß namentlich auch als nützlichstes und wertvollstes literarisches Geichink empfohlen werden.
Wotksöibkiothek des Lakrcr Kinkenden rüsten Nr.
44 bis 48 — Verlag von Moritz Schauenburg in Lahr — Preis jeder Nummer 5 Pfennig. — Selten haben wir so viel und so herzlich gelacht als bei der Lektüre der von Albert Bürklin verfaßten, in der That „merkwürdigen" Geschichte: „Das Konzert im Rübenthall", in welcher das Lebe» und Treiben eines spießbürgerliche» Kunstinäcens in einer kleinen Stadt, des Ratsherrn Kunst, eines ebenso ignoranten wie arroganten Patrons, sowie seine Dupierung durch einen ebenso Dummen als er selbst ist, in liebenswürdigster und witzigster Weise mit wahrhaft köstlichem Humor geschildert wird. Alle» Freunden der Heiterkeit sei dieses, überdies mit allerliebsten Holzschnitten ausgestattete prächtige Büchlein aufs wärmste empfohlen.