Amtsblatt
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Saison: Amtliche Fremdenlistq.
Samstag, den 26. September 1914
I SO. Jahrgang.
KrieAsnachrichten.
Berlin, 23. Sept. (W. T.-B. Nichtamtlich.) lieber die Heldentat des II 9 erfährt die „Verl. Ztg. am Mittag" noch folgende Einzelheiten: klares Wetter herrschte nordwestlich von Holland, als II 9 unter Führung des Kapitänleutnants Otto Weddingen (er stammt aus Herford in Westfalen) in der Frühe des gestrigen Morgens auf seiner Patrouillenfahrt plötzlich die drei englischen Panzerkreuzer Aboukir, Hogue und Cressy vor sich auftauchen sah, die zu dem 7. engl. Kreuzergeschwader ^ gehören. Das ganze Geschwader besteht aus sechs Panzerkreuzern. Die Gelegenheit ist günstig, dem Feind, der anscheinend nichts ahnt, unbemerkt und kräftig auf den Leib zu rücken. Es ist etwa 6 Uhr morgens. Plötzlich erhält Aboukir einen gewaltigen Stoß und fünf Minuten später sinkt das Schiff, das über 12 000 Tonnen Wasserverdrängung und fast 800 Mann Besatzung hat, in die Tiefe. Ist es auf eine Mine gestoßen? Noch wissen es die Engländer nicht, aber sie fürchten es, denn gleich darauf ereilt den Kreuzer Hogue dasselbe Schicksal. Sofort werden Boote ausgesetzt und Cressy ist bemüht, die Ueberlebenden aufzufischen. 3 Stunden vergehen mit der Bergungsarbeit, da plötzlich er- hält auch Crefsh einen gewaltigen Stoß und versinkt gleichfalls alsbald in die Tiefe. Nun zweifeln die Engländer nicht mehr, daß ein deutsches Unterseeboot in der Nähe ist und daß die drei Panzer- kreuzer von Torpedos in den Grund gebohrt wurden. Nun beginnt die wilde Jagd auf II 9, aber es ist ihm gelungen, den Verfolgern zu entkommen. Inzwischen nahte der holländische Frachtdampfer Flora, der auf der Fahrt von Leith nach Rotterdam begriffen ist. Die Besatzung der Flora sieht einige ^ Schiffsboote auf dem Wasser treiben und erkennt beim Näherkommen, daß englische Offiziere und Matrosen darin sitzen, nur notdürftig bekleidet und im Zustand schwerer Erschöpfung. Sie werden an Bord der Flora geborgen und nach Umuiden gebracht.
Berlin, 23. Septbr. (W. T.-B.) Die amtliche deutsche Meldung lautet: Das deutsche Unterseeboot II 9 hat am Morgen des 22. Septbr. etwa
20 Seemeilen nordwestlich von Hoek van Holland die drei englischen Panzerkreuzer Aboukir, Hogue und Cressy zum Sinken gebracht. Der stellvertretende Chef des Admiralstabs: Vehncke.
Berlin, 23. Sept. (W. T.-B. Nicht amtlich.) Es wird uns mitgeteilt, daß das Unterseeboot II9 und seine Besatzung heute Mittwoch nachmittag unversehrt zurückgekehrt ist.
Berlin, 23. Sept. Die „Voss. Ztg." meldet aus dem Haag: Wie Ueberlebende der Besatzung der in den Grund gebohrten englischen Kreuzer erzählten. lagen die meisten Leute, während die Angriffe erfolgte», noch in de» Kojen. Daraus erklärt sich, daß die Geretteten meist nur mil einem Hemd bekleidet waren. Sie kämpften 3 Stunden mit den Wellen, ehe sie gerettet wurden. Die englischen Kreuzer gaben keinen Schuß ab. Wie der Kapitän der „Titania" erzählt, konnte er 114 Mann und 3 Offiziere aufnehmen, darunter den Kapitän des „Aboukir", der drei Stunden auf einem Wrackstück herumschwamm.
(Die Zahl der Ertrunkenen ist noch nicht genau festgestellt. Es dürfte sich um 1500 Mann handeln; gerettet sollen etwa 700 sein.)
Wien, 23. Sept. Zu dem Erfolg des deutschen Unterseebootes bei Hoek van Holland sagt die „Neue Freie Presse": Das deutsche Volk sei zu beglückwünschen, daß es auch zur See so ausgezeichnete, so tapfere und hingebungsvolle Männer besitze. Die österreichisch-ungarische Flotte, deren Schiff „Zenta" bei dem Zusammenstoß mit der französischen Uebermacht einen Heldenmut ohnegleichen gezeigt habe, werde mit großer Freude hören, was
ihre Schwesterflotte vollbringen konnte.
*
(W. Tel.-B.) Großes Hauptquartier, 25. Sept., 4.33 morgens. Auf dem westl. Kriegsschauplatz sind heute im allgemeinen keine wesentlichen Ereignisse eingetreten. Einzelne Teilkämpfe waren den deutschen Waffen günstig. — Aus Belgien und vom östlichen Kriegsschauplatz ist nichts Neues zu melden.
Ein bayerisches Bravourstück. Aus dem
Oberelsaß wird der „Franks. Ztg." geschrieben:
In den Gefechten, die seit Samstag in der Gegend Gebweiler-Tann sich abspielen, wurden an einem Morgen etwa 50 Bayern von den Franzosen abgeschnitten und gefangen genommen. Die Freude der Franzosen mar groß, denn die ebenso gehaßten wie gefürchteten Bayern gefangen genommen zu haben, war eine große Heldentat. Schon bei der Eiitwaffnung suchten die Franzosen ihr Mütchen an den Gefangenen zu kühlen, wobei sie wenig gentlemanlik vorgingen. Einige Fuß- ^ tritte mit grobgenagelten bayerischen Kommisstiefeln Zehrten die Franzosen jedoch bald höflicher sein, worauf unsere Bayern sich scheinbar in ihr Geschick ergaben. Der Abtransport nach Frankreich sollte stattfinden, und, der Gefährlichkeit der Bayern Rechnung tragend, waren den 50 unbewaffneten Gefangenen 80 schwerbewaffnete Begleitmannschaften mitgegeben worden. Durch einige Dörfer ging es und da die Gefangenen willig mitgingen, schwoll den Franzosen allmählich der Kamm, und >sie machten ihrem gepreßten Herzen in Flüchen über die verdammten Bayern und in fortwährendem Antreiben zu schnellerem Marschieren Lust. Die Bayern waren wütend, doch war es noch keine Zeit und Gelegenheit zum Raufen. Im Dorfe M..., unweit der Grenze, fühlten sich die Franzosen so sicher, daß sie beschlossen, im Dorfwirtshaus ihren Durst zu löschen. Sie ließen jedoch 'zehn Mann zur Bewachung der Gefangenen zurück. Jetzt war die Zeit für die Bayern gekommen. Sich auf die Bewachungsmannschaften stürzen und sie beim Halse fassen, war eins. Nachdem sie abgetan waren, bemächtigten sich die Bayern der in Pyramiden zusammengesetzten Gewehre, und jetzt hinein ins Wirtshaus. Von den Franzosen entkam keiner, die Bayern machten glatte Arbeit. Auch die französischen Kolben bewährten sich beim Dreinschlagen und standen in nervigen Bayernsäusten den deutschen Kolben wenig nach. Mit französischer Bewaffnung zogen die Bayern dann frohgemut wieder heimwärts und es gelang ihnen sogar, auf dem Rückwege noch eine französische Proviantkolonne von 4 Wagen mitgehen zu lassen. Wohlbehalten kamen sie bei ihrem Regiment an, jubelnd begrüßt.
Roman von Franz Wich mann.
2g (Nachdruck verboten.)
„Otto, um Gottes willen," schrie Frau Adelheid, «reize den Vater nicht! Seid still, es kommt jemand! Eine Schande wär's, wenn man das hörte!"
Sie ging auf die Tür zu, die von außen hastig geöffnet wurde. Klara, den Hut noch auf dein Kopfe, den Sonnenschirm in der Hand, trat aufgeregt herein. Da sie Vater und Bruder im hintersten Winkel nicht sogleich 'oemerken konnte, glaubte sie sich mit der »Mutter allein.
„Hast du ihn gesehen?"
«Rest,, w^. denn, Kind?"
„Aster soeben ist er ja dort zwischen den Häusern aus der Straße vorübcrgegaugeu, der Herr Hellhorn!"
Sie wollte ans Fenster eilen, als sie den Förster und Otto erblickte.
„Der Vater!" rief sie erschrocken, wie das böse Ge- unffen, zusammenfahrend, als fühle sie voraus, was der heutige Tag noch über sie bringen sollte.
Der Förster hatte sich jäh zu der Tochter umgewandt.
Blut und Hagel, hat das Frauenzimmer ihn schon gesehen !" rief er. „Natürlich, dafür ist sein Narrenkostüm gut, daß ihm alle Schürzen nachlaufen!"
Frau Adelheid machte ein bitterböses Gesicht.
„Interessierst du dich immer noch für den albernen Menschen? Hättest hier wahrhaftig andere Auswahl, stille man meinen!" rief sie hämisch.
„Wenn man hochmütig ist und über alles erhaben!" warf Otto ein.
„Mädel, ich will nicht hoffen, daß —"
„Nicht doch," unterbrach Klara den Vater, „ich weiß, was ich dir versprochen habe! Es wunderte mich nur, ihn hier zu sehen!"
Der Förster deutete mit bezeichnender Gebärde auf seine Stirn.
„So wie immer. Verrücktheit ist die Krankheit der Zeit und vergiftet die Jugend. Wo ist in den großen Städten noch ein junger Meusch mit gesundem Körper und gesundem Geist zu finden? Vergnügen, Vergnügen, das ist das einzige Ziel, nach dem alle jagen, und weil sie nicht mehr arbeiten wollen, haben sie das Lachen und die Freude verlernt, die sie suchen. Wie sagt die Schrift vom Leben? Und wo es köstlich ist, da ist es Mühe und Arbeit gewesen."
„Ach, Gott," meinte wegwerfend Otto, „den Unsinn haben die alten Inden ausgebracht!"
„Schäme dich, Bruder," verwies Klara ihn, „so von den heiligen Weisheitslchren zu sprechen!"
Der Förster zeigte auf die Bibel.
„Sie haben beute und immer recht!" sprach er. „Gib mir das Buch!"
Das Mädchen ergriff die noch offen daliegende heilige Schrift und wollte sie schließen, um sie dem Vater zu reichen.
„Laß es offen," gebot dieser, „jedes Wort, das darin steht, ist aut und heilsam!"
„Es ist die Geschichte vom verlorenen Sohn, Vater!" sagte Klara.
Während der Förster das Buch nahm, blickte er auf Otto.
„Vom verlorenen Sohn?" wiederholte er.
Und jedes Wort betonend, las er:
„Und nicht lauge danach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog fern über Land und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen."
Er schlug das Buch zu und schwieg einen Augenblick.
„Klara," sagte er plötzlich, „hole mir meinen Mantel!"
Das Mädchen, das gerade in die auf dem Tische liegende Zeitung blickte, nickte bejahend, ohne sogleich zu gehen.
„Ich habe heute abend mit dir allein zu sprechen, Otto, ein ernstes Wort," fuhr der Förster fort, „du kannst mich ins Wirtshaus begleiten!"
„Heute? Unmöglich, Papa, ich muß sogleich gehen, ich bin —"
„Er ist eingeladen bei Lerchenfclds zum Souper," fiel Frau Adelheid ein.
Der Förster fuhr zornig auf.
„Eingeladen und immer eiugeladen! Heute Mittag schon warst du fort. Und dann heißt es: der Junge muß darben!"