iNader Chronik

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Hirzu: Illustrie rtes Sountagsblakt und während der Saison: Amtliche Fremdentrstq. Nr. 100

Donnerstag, den 13. August 1914

50. Jahrgang.

Mc Ächmmg dn WksenHmig.

Die vom Bundesrat beschlossene Zollfreiheit für Getreide aller Art und gewisse Futtermittel, für Rindvieh, Schafe, Schweine, Federvieh, Fleisch, Würste, Schmalz, Butter, Käse, Eier, Mehl usw. und die gleichzeitig vom Bundesrat beschlossenen Abänderungen der Einfuhrverbote und Einfuhr­beschränkungen für Fleisch werden dem deutschen Volke zweifellos zu statten kommen, soweit es noch Länder gibt, die von ihrem Ueberfluß etwas ab­geben können und an der Einfuhr nach Deutsch­land oder den mit uns verbündeten Staaten Oesterreich-Ungarn und Italien nicht behindert sind.

Es werden wohl nur europäische Staaten für die Vieheinfuhr nach Deutschland in Betracht kommen, und gegen diese bestehen teilweise Einfuhrverbote weiter, die zum Schutze unserer Landwirtschaft vor Seuchen-Einschleppung nicht aufgehoben werden konnten. Dir Maul- und Klauenseuche ist ohne­hin in Deutschland noch nicht erloschen. Manche Vieheinfuhr-Verbote, wie die gegen Frankreich, Belgien, Rumänien, Serbien, Bulgarien sind im Augenblick gegenstandslos wegen des Krieges oder wegen befürchteter Kriegsverwickelungen, aber auch die Einfuhr von Rindvieh und Schafen aus Italien und Holland ist noch verboten, und auch gegen eine Anzahl von Kantonen der Schweiz ist die Sperre noch verhängt. Rußlands Schweineaus­fuhr nach Oberschlesien ruht begreiflicherweise jetzt vollständig. Bleibt für uns also nur die Ein­fuhrmöglichkeit aus Oesterreich-Ungarn und aus den skandinavischen Staaten.

Die Einfuhr von Rindern und Schafen aus Oesterreich-Ungarn ist noch 116 deutschen Schlacht­häusern gestattet, die Einfuhr von Schweinen nur nach Bayern und Sachsen (50 000 und 30 000 Stück), nach den Berichten aber, die im preußischen Landwirtschaftsministerium vorliegen, kann Oester­reich-Ungarn an uns nichts mehr abgeben, man nimmt eher an, daß Oesterreich-Ungarn selbst Vieh wird beziehen müssen aus Bayern oder anders­woher. Vieh und Fleisch wird also wohl nur aus Dänemark und Schweden zu uns kommen, soweit der Handel über See überhaupt aufrecht erhalten werden kann. Um diese Fleisch- und Vieheinfuhr zu erleichtern, ist nicht nur das Gesetz über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau in sehr wesent­lichen Punkten geändert worden, sondern der Reichskanzler hat auch, wie mitgeteilt wird, Ms den Antrag des preußischen landwirtschaftlichen Ministeriums die Quarantänezeit für lebendes Vieh von 4 Wochen auf 10 Tage herabgesetzt und außer­dem die Untersuchungen auf Tuberkulose einstellen lassen, wofür übrigens auch nicht mehr Tierärzte genug vorhanden sein würden.

Glücklicherweise verfügen wir über einen so großen Nationalreichtum an gesunden Viehbestän­den, daß wir über die Kriegszeit auch ohne fremde Zufuhr hinwegkommen werden, zumal auch eine gute Ernte zu erwarten ist.

Die Haltung Italiens.

Von mancher Seite wird den Italienern sehr verübelt, daß sie sich bis jetzt an dem Krieg nicht deleüigen. Das wird als Bündnisbruch bezeichnet. D>k>e Auffassung ist allem nach falsch, sie ist Wnbar auch nickt die Auffassung der deutschen Regierung. Die deutsche Regierung scheint viel­mehr mit der italienischen Haltung ganz einver- uanden zu sein. Tatsächlich genügt die von Italien 'b jetzt uns gegenüber beobachtete Haltung der vhlwollenden Neutralität vollständig, um einen M der französischen Streitkräfte im Süden fest- zmegen und dem Kampf gegen uns zu entziehen, n märe auch, wenn es den Krieg an Frank- Rußland und England erklären würde, kaum

in der Lage, Streitkräfte zur Unterstützung! unseres Heeres abzugeben. Einen erheblichen Teil seiner Streitkräfte hat Italien noch in Tripolis stehen. Dabei hätte Italien eine so ausgedehnte Küste gegen die franz. und einen Teil der engl. Flotte (Malta!) zu schützen, daß es jedenfalls keine Streitkräfte entbehre» könnte. Selbstverständlich kann Italien jederzeit später eingreifen. Mit dieser Möglichkeit müssen die Gegner rechnen, sie können deshalb über die gegen Italien bestimmten Streit­kräfte auch nicht anderweitig verfügen.

Kriegsnachrichten.

Die Schlacht bei Mülhausen.

Ueber den Sieg von Mülhausen meldet der Lokal-Anzeiger" aus guter Quelle:

Der Kampf war weit bedeutender, als die Schlacht bei Weißenburg im Jahre 1870. Auf französischer Seite waren an dem Kampf drei Divisionen, ungefähr 55000 Mann, beteiligt, von denen zwei Divisionen nach bisheriger Annahme diejenigen des französischen 7. Armeekorps waren. ^ Diese beiden Divisionen sind die 4. und die 41.

Das 7. Korps, welches geschlagen nach Süden zurückging, gilt als das Elitekorps in der franzö­sischen Armee. Die 41. Division führt den tollen Namen einer Vogesen-Division und die Franzosen sind auf sie so stolz, wie die Tiroler auf ihre Jäger. Von anderen Truppen können die Fran-s zosen noch die Regimenter 171 und 72 hinzu-^ gezogen haben.

Die Franzosen, die bereits 1870 in Spaten-s arbeit etwas leisteten, hatten natürlich ihre Stellung Mülhausen-Sennheim durch Erdwälle verstärkt. Aber eine Armee, die, wie die deutsche, moderne Festungen stürmender Hand nimmt, läßt sich durch derartige Hindernisse kaum aufhallen. Daß der geworfene Feind auf Süden zurückging, läßt bei­nahe vermuten, daß man ihm eine andere Rück­zugsstraße nicht erlaubte. Eine natürliche Richtungs­linie wäre diejenige nach Belfort gewesen."

Eingreifen vcr Wiirttembergcr bei Mülhausen.

Stuttgart, 11. Aug. Nach bei S. M. dem König eingegangener Meldung hat das 8. Württ. Inf.-Reg. Nr. 126 bei Mülhausen 2 Feldgeschütze des 4. französischen Art.-Reg. er­obert. Ferner hat bei den Grenzschutzkämpfen das 2. Bat. des 10. Württ. Jnf.-Regts. Nr. 180 an entscheidender Stelle mit hervorragender Ent­schlossenheit und Tapferkeit eingegriffen und den Gegner zurückgeworfen.

Der moralische Erfolg dieses ersten glücklichen Waffengangs ist von großer Bedeutung. Er wird die Siegeszuversicht unserer Truppen, die ja an sich schon kaum mehr zu übertreffen ist, noch weiter steigern; er wird aber auch im Reichsland nicht nur, sondern im ganzen Reich ein Gefühl der Beruhigung verbreiten. Denn aus dem bei Mülhausen errungenen großen Erfolg dürfen wir die Zuversicht schöpfen, daß die Franzosen end­gültig die Hoffnung aufgegeben haben, unter dem Schutz der starken Festung Belfort in das Ober­elsaß einzudringen. Ob die französische Bevöl­kerung, ob Paris die Nachricht in ihrer richtigen Form erhalten wird, ist mehr als zweifelhaft. Wir haben von der ersten Stunde an gewußt, daß das Geschick des deutschen Vaterlandes den besten Händen anvertraut war. Der Sieg bei Mülhausen hat es nun glänzend bestätigt.

Abbruch der österr.-franz. Beziehungen.

Paris, 12. Aug. Infolge des insbesondere innerhalb der letzten 3 Tage zwischen Paris und Wien gepflogenen Meinungsaustausches hat die französische Regierung aus Grund der internationalen Lage und mit Rücksicht auf die ungenügenden

Erklärungen, welche die österreichisch-ungarische Regierung wegen der Entsendung österr.-ungarischer Truppen nach Deutschland gegeben hatte, dem österreichisch-ungarischen Botschafter mitgeteilt, daß sie sich genötigt sehe, den französischen Botschafter in Wien abzurufen. Der österreichisch-ungarische Botschafter bat darauf den Minister des Aus­wärtigen, ihm seine Pässe zukommen zu lassen. Der Botschafter verließ Paris in einem nach Italien abgehenden Sonderzug. Beim Abschied wurde die Form der internationalen Höflichkeit gewahrt. Die Botschaften der Vereinigten Staaten in Paris und Wien haben den Schutz der öster­reichisch-ungarischen Untertanen bezw. der franz. Untertanen übernommen.

Weitere Meldungen besagen:

Berlin, 11. Aug. Zu der Zerstörung des finnischen Hafens Hangö durch die Russen erhält dasBert. Tagebl." folg. Mitteilung:Am Freitag ist der russische DreadnoughtSt. Andreas" vor Hangö bis zur halben Länge auf Grund gefahren, ohne daß es bislang gelungen wäre, ihn wieder flott zu machen. Seit dieses russische Kriegsschiff, mit einem russischen Lotsen an Bord, auf Grund geraten war, fühlten sich die Russen außerordentlich unsicher. Die Seeuntüchtigkeit der Russen liegt für jeden offen zutage, der einmal Gelegenheit hatte, die Manöver der russischen Flotte zu beobachten." Die Russen scheinen dies selbst einzusehen. Wenigstens spricht die Tatsache, daß sie schon jetzt ihre eigenen Häfen zerstören" für ein sehr geringes Vertrauen auf ihre Marine".

Berlin, 11. Aug. Zwei zum Grenzschutz bei Eydtkuhnen stehende Kompagnien, unterstützt durch herbeieilende Feldartillerie, haben die über Romaiken auf Schlauben vorrückende 3. russische Kavalleriedivision über die Grenze zurückgeworfen.

Berlin, 12. Aug. Die Strecke Sosnowice- Czenstochau ist wiederhergestellt. Es wurden zahl­reiches rollendes Material und große Kohlen­vorräte erbeutet. Die Brücke bei Granica (Bahn­linie Krakau-Warschau) wurde wiederhergestellt.

Berlin, 12. Aug. Ueber die Tätigkeit unserer Flotte im bisherigen Kriegsabschnitt ist bekannt geworden, daß auf den drei Kriegsschauplätzen in der Nordsee, Ostsee und im Mittelmeer Teile der Flotte ihre Tätigkeit bis an die feindliche Küste vorschoben. Die Unternehmungen zeigen den an­griffslustigen Geist, der unsere ganze Flotte beseelt. Die Beschießung des Kriegshafens von Libau und seine Sperrung, wobei von unseren Streitkräften außer dem kleinen KreuzerAugsburg" auch die Magdeburg,, beteiligt war, ist von Erfolg be­gleitet gewesen.

Berlin, 11. Aug. In derAllensteiner Zeitung" berichtet ein Augenzeuge von einem Gefecht", das drei deutsche Infanteristen mit fünfzig russischen Kavalleristen gehabt haben. Es heißt dort: Vormittags um 8°/« Uhr erscholl in Prostken plötzlich der Ruf:Alles flüchten, der Feind kommt I" Eine Panik bemächtigte sich der Bevölkerung. Unser Gewährsmann hielt es jedoch für richtig, sich zunächst den Feind mal anzusehen. Er ging zur Grenze und sah auch tatsächlich, wie eine Abteilung von etwa 50 Kavalleristen wie rasend heranstürmten; sie waren noch etwa 600 Meter entfernt. Da krachte plötzlich ein Schuß, gleich darauf ein zweiter, dritter und vierter. Beim vierten Schuß fiel der russische Offizier, der die Patrouille führte, tot vom Pferde. Der nächste Schuß warf einen russischen Gefreiten tot in den Sand. Als der siebente Schuß fiel, machte die ganzeHeldenschar" kehrt, und flüchtete eiligst. Und wer waren die Sieger? Drei deutsche In­fanteristen, die in einem Kartoffelfelds lagen, und deren Feuer ausgereicht hatte, um 50 russische Kavalleristen wie die Hasen vor sich herzujagen.