Amtsblatt

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Anzeiger

für Wil'dvad rr. Umgebung.

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Rr. 83 I

Dienstag, den 11. Juli 1911

SO. Jahrgang.

Sttl'ieii MN Okßttich.

Wien, 12. Juli. Wenn der serbischen Re­gierung wirklich darum zu tun gewesen ist, mäßi­gend auf die Kundgebungen der Blätter einzuwirken, so hat sich nun gezeigt, daß sie diesen Hetzorganen durchaus machtlos gegenübersteht und daß sie über keine Mittel verfügt, diesen Ausschreitungen mit Erfolg entgegen zu treten. Daraus ergibt sich aber wieder, daß der Haß, der in Serbien gegen Oest- reich-Ungarn besteht, weit über die Grenzen der Erwartungen hinausgeht und daß die Presse so schreiben muß, um ihrem Publikum zu Gefallen zu sein. Ist dem so, so billigt also nicht nur die serbische Presse, sondern auch mindestens der größte Teil der serb. Bevölkerung die Bluttat von Sera- jewo und identifiziert sich mit den Anstiftern und Vollendern des Attentats. Dadurch allein schon wird ein innerer Zusammenhang zwischen dem Mord und jenen großserbischen Kreisen, welche seit Jahren rüchsichts- und wahllos in Bezug auf die Mittel die Propaganda der Tat betreiben, nachgewiesen. Es ist wichtig, dies sestzustellen, und zwar des­wegen, weil dadurch die Antwort auf die Frage, wer die eigentlichen Anstifter des Mordes gewesen sind, leichter gefunden werden kann. Man steht bezüglich des Attentats von Serajewo vor zwei Möglichkeiten: Die eine geht dahin, daß das Atten­tat direkt und unmittelbar in Belgrad angestistet worden ist und daß die Hände der Mörder von Belgrad aus ziel- und zweckbewußt geleitet worden sind. Den gerichtsordnungsmäßigen Beweis dafür zu erbringen, muß der Untersuchung in Serajewo Vorbehalten bleiben, und eine endgültige Beantwort­ung dieser Frage wird erst nach dem Abschluß des Verfahrens in Serajewo zu geben sein. Die andere Möglichkeit aber besteht darin, daß durch die jahrelang fortgesetzten geheimen Agitationen der großserbischen Propaganda in Bosnien und der Herzegowina der Boden derartig unierwühlt und vorbereitet worden ist, wie sich nun in dem Atten­tat gezeigt hat. Die Saat, die von Belgrad aus gesät worden ist, ist blutig aufgegangen. Aber nicht nur derjenige ist ein Mörder, der direkt oder unmittelbar einem Attentäter, den er gemietet, den Revolver oder die Bombe in die Hand drückt, sondern auch derjenige, der durch fortgesetzte Auf­reizung und bewußte Irreführung die Leute so weit bringt, daß sie im Rausche des Fanatismus selbst nach der Mordwaffe zu greifen beschließen.

Hört man kie Aeußerungen der serbischen Presse, so wird man nicht im Zweifel darüber bleiben können, daß sich die großserbische Propaganda dieser indirekten Art der Aufreizung zum Attentate, welches nur das Vorspiel einer Revolution bilden sollte, schuldig gemacht hat. Es ist wichtig, dies festzu­stellen, und die serbische Presse hat allen jenen, denen daran gelegen sein muß, die eigentliche Quelle des Attentats bloßzulegen, einen wesentlichen Dienst erwiesen, indem sie durch ihre unverhüllte Ver­herrlichung der Mordtat mit aller wünschenswerten Deutlichkeit den Fingerzeig nach der Richtung gab, in der die geistigen Urheber zu suchen sind. Die Folgerungen, die sich darauf für Oestreich und seine zukünftige Politikergeben, sind klar: es ist undenk­bar, daß man in Oestreich-Ungarn noch weiterhin mit verschränkten Armen diesem Treiben zusieht. Darüber ist man sich in der ganzen Monarchie klar.

BIribk der Fürst von Albanien?

Das albanestsche Gänseblümchenspiel wird im­mer noch fortgesetzt. Die schwarzen Botschaften kommen über Italien, die rosigen über Oestreich. So weiß jetzt der Corners della Serra in Mailand zu melden, daß sich der Fürst Wilhelm von Albanien nun doch mit der Absicht trage, seine Stellung in Albanien aufzugeben. Der Fürst sei zur Erkenntnis gelangt, daß er, wenn er selbst auch geneigt wäre, persönlich auszuharren und sich weiter den Gefahren und Schwierigkeiten auszusetzen, doch nicht über die nötigen Mittel verfügen würde, um des Auf­standes Herr zu werden. Er glaube unter diesen Umständen nicht in der Lage zu sein, dem Lande einen Dienst zu leisten, ohne daß seiner Würde Abbruch geschehe. Der Fürst habe infolgedessen die sämtlichen Gesandten der fremden Mächte und den englischen Admiral Troubridge zu einer Kon­ferenz in das Palais einberufen und ihnen den Stand der Angelegenheit klargelegt. Er habe hier­auf an die Vertreter der Großmächte den dringen­den Apell gerichtet, ihm bezw. dem albanischen Staate die nötigen Mittel und bewaffnete Kontin­gente zur Verfügung zu stellen, um die Epiroten zu verjagen und andererseits den albanischen Auf­stand niederzuwerfen. Von der Annahme oder Ablehnung dieses Ansuchens werde sein weiteres Verbleiben in Durazzo abhängen. Die Gesandten seien nicht in der Lage gewesen, eine definitive Ant­wort zu geben und hätten sich darauf beschränkt.

mitzuteilsn, daß sie ihre Regierungen unterrichten werden. Es würde sich also fragen: Geht Europa auf dieses Ultimatum des Fürsten ein oder nicht? Wenn ja, so bleibt, wenn nein, dann geht er.

Aus Württemberg.

Stuttgart, 13. Juli. Die große dämpfige Hitze des gestrigen Tages führte schon gegen Abend zu einigen elektrischen Entladungen. Heute früh in der ersten Dämmerung zwischen halb 4 bis nach 5 Uhr entlud sich dann ein schweres Gewitter über der Stadt, dessen grelle Blitze und knatternde Donnerschläge in dem fahlen Morgen­licht etwas Beängstigendes hatten, zumal erst im Verlauf des Gewitters ein Regen einsetzte, der einige Abkühlung brachte. Der Blitz schlug zwei­mal ein: in ein Gebäude in der Metzstraße und in die öffentliche Bedürfnisanstalt am Marienplatz. Im elfteren Fall zündete er, das Feuer wurde aber von Hausbewohnern gelöscht. In der Be­dürfnisanstalt wurde die elektrische Lichtleitung beschädigt. Personen kamen nicht zu Schaden. Ueber dem Vorortsgebiet entlud sich von halb 3 Uhr früh das Gewitter mit außerordentlicher Heftigkeit. In Wangen schlug der Blitz in das Haus der Gemüsehändlerin Fröschte, das stark beschädigt wurde. Personen wurden nicht verletzt. Der Neckar ist infolge der anhaltenden Regen­massen stark gestiegen. Er überflutet zwischen Untertürkheim und Cannstatt bereits die niederen Uferstellen. In der Göppinger Gegend haben Wolkenbrüche Ueberschwemmungen verursacht.

Auf der Hoch wiese bei Urach hat am Sonntag der Schwäbische Albverein ein Denkmal für Gustav Schwab, den Albforscher, enthüllt.

Aus ösm Weiche.

Berlin, 13. Juli. Auf der Grunewaldrenn- bahn hatten sich gestern zum Großen Preis von Berlin gewaltige Menschenmassen eingefunden. Das Pferd Dolomit aus dem Stall des Freiherrn v. Oppenheim, das das Derby gewonnen hat und als sicherer Sieger galt, wurde vonOrelio" aus dem Stalle der Herren v. Weinberg geschlagen. Ueber Berlin und seinen Ausflugsorten an den Seen lagerte gestern eine tropische Hitze. Gegen l 2 Uhr nachm, wurden 29,3 Grad Celsius gemessen. In die Freibäder ergoß sich bereits am frühen E Morgen ein gewaltiger Menschenstrom, sodaß die Verkehrsmittel bis an die Grenze ihrer Leistungs-

Dje Testamentslüausel.

Roman von H. Courths-Mahler.

(36) (Nachdruck verboten.)

Herr von Soltenau erhob sich sofort artig und begrüßte Eva Marie mit einer Verbeugung. Wie Eva Marie später erfuhr, war er ein hoher Staatsbeamter mit mäßigem Vermögen. Gezwungen, ein großes Haus zu machen, seiner Stellung entsprechend, galt es im Haus, zu sparen, damit bei den offiziellen Festlichkeiten der nötige Glanz entfaltet werden konnte. Gleich seiner Frau etwas nervös und von geselligen Verpflichtungen sehr in Anspruch ge­nommen, konnte er sich seinen Kindern wenig widmen, obgleich er ein sehr liebevoller Vater war. Auf Eva Marie machte er sofort einen günstigen Eindruck, ebenso wie seine Gattin.

Und die älteste Tochter Dora, eine graziöse, schlanke Blondine, das verjüngte und verschönte Äbild der Mutter, welche mit einer Stickerei be­schäftigt war, sah mit freundlichen Augen auf die neue Hausgenvssin und sprach einige artige Worte der Begrüßung.

Die beiden Jüngsten aber hockten dicht zusam­mengedrängt in einem Sessel und stießen sich etwas verlegen kichernd, an. Beide hatten die dunklen Augen ihres Vaters, und das fast schwarze Haar

fiel in schweren Ringeln auf die Schultern. Es waren ein paar bildhübsche Mädchen mit runden, rosigen Gesichtern. Die diesem Alter sonst eigene Eckigkeit und Magerkeit war bei ihnen nicht zu spüren. Die hübschgewachjenenBeine, die in schwarzen Strümpfen und festen Stiefelchen unter den weißen Matrosenkleidern hervorsahen, waren rund und drall, ebenso die bis zum Ellenbogen unbekleideten Arme.

Frau von Soltenau rief sie herbei.

Nun Margarete, Elfriede, wollt ihr nicht Fräulein Delius guten Tag sagen?"

Zögernd und verlegen lachend erhoben sie sich und gingen auf Eva Marie zu. Diese wandte sich mit dem ihr eigenen, freundlichen Ausdruck in den Augen an die beiden Kinder und bot ihnen die Hand. Sie sprach kein Wort dabei, aber in ihrem Blick lag eine herzliche Bitte um Vertrauen. Und diese stumme Sprache wirkte mehr als viele Worte. Die Kinder schüttelten ihr fast herzlich die Hand.

Fräulein Delius gefällt mir, Mama", sagte Elfriede, die Jüngste, und lachte zu Eva Marie empor.

Und Margarete nickte bestätigend mit dem Kopf.

Sie hat nicht so'ne spitze Nase wie Fräulein Hellbrand und ist auch viel jünger und hübscher,"

erllärte sie mit einer Energie, die entschieden ein Erbteil ihrer Mutter war.

Frau von Soltenau lachte ein bischen geniert.

Die Kinder sind noch sehr naturwüchsig, Fräulein Delius, sie schwatzen alles heraus, was sie empfinden, gleichviel, ob es den Hörern ange­nehm ist oder nicht." Sie seufzte und fuhr fort: Ich kann mich nicht genug mit ihnen beschäftigen, und zu sehr gedrillt sollen sie nicht werden, das will mein Mann nicht."

Herr von Soltenau wandte sich an Eva Marie.

Die Kinder sollen wahr bleiben, solange es irgend geht. Lügen müssen sie später noch genug. Ich hoffe. Sie verstehen mich, Fräulein Delius."

Vollkommen, Herr von Soltenau. Es wird mir eine Freude sein, Ihren Intentionen zu ent­sprechen."

Dann habe ich nichts mehr zu bemerken. Alles andere überlasse ich meiner Frau."

Diese wandte sich freundlich an Eva Marie.

Sie sind wahrscheinlich müde von der Reise und verlangen nach Ruhe?"

Ich bin allerdings die Nacht über gefahren und würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mich ein paar Stunden beurlauben wollten."