Wader Chronik
Amtsblatt
für die Stadt Witövad.
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Hirzu: Illustriertes Sonntagsblstt und während der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.
Nr. 82
Samstag, den 11. Juli 1914
j 50. Jahrgang.
Sonnlagsgedanken.
Erholung.
Ohne Einsamkeit und Stille gibt es keine tiefe, dauernde Erholung unserer Seele von der Zerstreuung des Alltags. Wir brauchen stets neue Kraft, neue Liebe, neue Freude — und wenn wir die gewonnen haben, dann haben wir uns erholt!
Wir brauchen Zeiten, in denen wir mit uns selbst allein sind. Eine Woche oder zwei tun oft geradezu Wunder. Aber auch die einfache Gewohnheit, jeden Tag eine ganze oder nur eine halbe Stunde unsere tägliche Arbeit zu verlassen und allem „in die Stille zu gehen", was wahrhaftig eine einfache Sache ist, wäre für ungezählte Menschen eine Quelle unschätzbaren Gewinns.
Ein in sich beruhigter Mensch — wie einfach klingt das! Aber es ist Kraft, es ist Errungenschaft. Das Mittelalter hatte seine Klöster, eine ideal gedachte Möglichkeit zur Sammlung und Einkehr. Die Klassiker empfehlen die Einkehr in das innere Kloster: in das „stillere Selbst". — Das Mittel ist nebensächlich, das Ziel ist die Hauptsache: der gefestigte innere Zustand.
Jeder suche zum Kranze bescheiden, was von Blumen er finden mag.
Jugend verblühet,
Freude entfliehet;
Lebe! Halte! — Doch lauf nicht nach!
Gute Sommerfrische.
Wohl dem, der in diesen Wochen von aufreibender Arbeit ausspannen darf und in stiller, tiefer Freude Waldeinsamkeit und Höhenluft suchen kann. Die aber, die nicht so glücklich sind, sich losreißen zu können, und jene andern, die meinen, es müsse gereist sein um jeden Preis, weil's nur in der Weite „schön" ist, wird eine Unterhaltung interessieren, die irgendwo einer belauscht hat:
A. fragt: „Haben Sie Ihren Urlaub angenehm verlebt?"
„Ja", antwortet B., „sieht man es mir nicht an?"
„Allerdings, Sie sahen nie besser aus; nicht jeder erholt sich so gut auf seiner Sommerreise."
„Reim Doch ich war auch besonders glücklich in der Wahl meines Aufenthaltes. Es gefiel mir ja so gut da, daß ich sicher auch meine nächsten Ferien dort verleben werde."
„Guter Tisch?" „Vorzüglich. Ich konnte alles bekommen, was ich wünschte."
„Angenehme Leute?" „Reizende Leute. Und das beste war, daß es gar nicht förmlich zuging, wir konnten tun und lassen, was uns gefiel!"
„Ruhig?" „Das wollte ich meinen. Ich war nie an einem ruhigeren Orte."
„Gute Betten?" „Ausgezeichnete Betten. Auch ein Badezimmer."
„Es war sehr teuer?" „Im Gegenteil. Es waren die billigsten Ferien, die ich jemals verlebt habe!"
„Aber, Mensch, verraten Sie mir doch, wo das war!"
„Zu Hause!"
Die Mimst Allmmms.
Am 6. Juli abends ist die Stadt Ko ritza in die Hände der nunmehr offenbar vereinigten Epiroten und Aufständischen gefallen — ein neuer Schlag für den Fürsten. Dennoch finden die Gerüchte, als ob der Fürst und die Fürstin von Albanien ihre Sache verloren gegeben hätten oder im Begriffe stünden, sie verloren zu geben, in Berliner amtlichen Kreisen keinen Glauben. Man hält es zwar für möglich, daß die Fürstin Durazzo vorübergehend verlassen wird, um ihre Kinder nach dem rumänischen Königsschloß Sinaja zu bringen, wo sie in Sicherheit sind. Jedenfalls aber würde die Fürstin zu ihrem Gemahl zurückkehren und mit ihm ausharren bis zum Ende. Daß der Fürst selber Durazzo verlassen könnte, bezeichnet man in Berliner unterrichteten Kreisen als absolut ausgeschlossen. Ursprünglich hatte er ja Sommerreisepläne gefaßt, sie sind aber natürlich durch die Aufstände gestört worden. Schon Mitte Mai wollte er sich über Balona nach Skutari begeben und von dort aus Aeisen in das Innere des Landes antreten. Von der Ausführung aller dieser Pläne kann angesichts der von den Aufständischen besetzten Höhenzüge hinter Durazzo jetzt gar keine Rede sein. Wollte der Fürst sich jetzt nach Skutari begeben, so würde das wie «ine Flucht vor den Aufständischen aus-
seheu, und diesen Eindruck wird der Fürst unter allen Umständen zu vermeiden wünschen, indem er unerschütterlich und furchtlos auf seinem schwierigen Posten ausharrt.
Der „Friede" in Mexiko.
Nach den neuesten Telegrammen wäre dem neugewählten Parlament in Mexiko eine Denkschrift der Regierung zugegangen, die sich auf den Boden einer loyalen Ausführung des Friedens von Niagara-Falls stellt: Einsetzung einer provisorischen Regierung zur friedlichen Beilegung der Revolution und Bereitwilligkeitserklärung Huertas, im Interesse der Ruhe des Landes zurückzutreten. Es läßt sich hier nicht seststellen, ob das ernst gemeint ist, oder ob es dem ganz Huerta ergebenen Parlament gegenüber nur eine Komödie ist, ein Vorschlag, der auf Bestellung mit Entrüstung Ablehnung finden soll. Ja es ist wahrscheinlich, daß das nicht einmal nötig ist; auch das Huerta- Parlament mag sich ruhig solcher Biederkeit anschließen; denn es weiß genau, daß nicht damil zu rechnen ist, daß auch der Gegenpart die Voraussetzungen annimmt, den Streit anders als mit den Waffen zu entscheiden. Von Caranza wird die Ablehnung bereits gemeldet, bei den andern wird sie ni^ht lange auf sich warten lassen. So muß man die Bedeutung dieses parlamentarischen Zwischenfalls so gering als möglich ansehen. Die revolutionären Führer müssen sich offenbar eben gegenseitig aufgefreffen haben, ehe das unglückliche Land wieder Ruhe findet. Nach einer privaten Meldung der B. Z- wäre der schlimmste von ihnen, General Villa, der einstige Fleischergeselle, der mit Caranza zusammen de» ganzen Nordosten des Landes aufs grauenvollste terrorisiert, beseitigt: in einer Grenzstadt gegen die Vereinigten Staaten habe ihn eine empörte Frau erschossen. Bestätigt ist die Meldung noch nicht, aber sie klingt recht wahrscheinlich.
Aus Wüvtte»nberg.
Stuttgart, 10. Juli. Zum Zweck der Beschaffung weiterer Unterrichtsräume ist dem Schwäb. Frauenverein in Stuttgart die Genehmigung zur Veranstaltung einer Lotterie mit Ausgabe von 100000 Losen zu 1 Mk. erteilt worden.
Stuttgart, 10. Juli. Die Schlußabrechnung im Konkurs Fritsch hat ergeben, daß die Gläubiger für ihr Guthaben eine Quote von 4,65 Prozent erhalten.
— Gerichtsferten. Am 16. Juli beginnen die Gerichtsferien, sie endigen am 15. September. Während der Ferien werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. Auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsversahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht hat das Gericht auf Antrag jede Sache als Feriensache zu bezeichnen; hierdurch wird erreicht, daß Klagen in sog. einfachen Betreibungssachen auch während der Ferien erledigt werden. Der erforderliche Antrag wird kurz dadurch gestellt, daß der Klage oder dem Gesuch der Zusatz beigefügt wird: „Ich bitte, diese Sache als Feriensache zu erklären." Auf Vormunds- und Nachlaßsachen haben die Ferien keinen Einfluß, deren Bearbeitung kann während der Ferien unterbleiben, soweit das Bedürfnis einer Beschleunigung nicht vorhanden ist.
— Vom 15. Juli 1914 ab ist dem Auflieferer telegraphischer Postanweisungen für denselben Empfänger im "inneren deutschen Verkehr gestattet, über Beträge bis zu 3000 Mk. eine einzige Postanweisung auszufertigen. Für jede Postanweisung über 3000 Mk. oder einen Teil davon ist ein besonderes Ueberweisungstelegramm abzusenden. Die Gebühren für die Postanweisung und die Eilbestellung werden nach wie vor so berechnet, als handle es sich um eine Zahl von Einzelpostanweisungen bis zu je 800 Mk-
Brühl bei Eßlingen, 10. Juli. Gestern
abend wurde in der Nähe des Gasthauses das 5jährige Söhnchen des Schlossers Rayer in der Pliensauvorstadt in Eßlingen tot aus dem Neckar gezogen. Es war beim Spielen in den Fluß gestürzt, ohne daß seine Spielgefährten etwas davon bemerkten.
Maulbronn, 10. Juli. Das am Sonntag und Montag zu Gunsten des Roten Kreuzes veranstaltete Klosterfest erzielte mit 7270 Alk. Einnahmen, abzüglich 4200 Mk. Ausgaben, einen Reinertrag von rund 3000 Alk., das dem Roten Kreuz zugut kommt.
, Bückingen, 10. Juli. Auf dem hiesigen Rangierbahnhof kam der verheiratete Wagenmeister Rück auf den Schienen zu Fall und wurde im Augenblick überfahren und so schwer verletzt, daß er wenige Minuten später starb. Außer der Frau trauern 6 unmündige Kinder dem Ernährer nach.
Künzelsau, 10. Juli. Die hiesigen Metzger- Jnnungsmeister haben nach langem Zögern die Fleischpreise mit den derzeitigen Viehpreisen in Einklang gebracht. Rindfleisch und Kalbfleisch kostet jetzt 80, Schweinefleisch 75 und 65 Pfg. pro Pfund.
Wiesen steig, 10. Juli. In die Transmission der Nägelschen Mühle geriet ein 15jähriger Müllerbursche. Er konnte erst aus seiner schrecklichen Lage befreit werden, nachdem das Wasserrad abgestellt und der Riemen abgeschnitten war. In schwerverletztem Zustand wurde er in das Bezirkskrankenhaus nach Geislingen verbracht.
Friedrichshafen, 10. Juli. Die Abnahmekommission für den neuen Militärluftkreuzer Z 9, der bekanntlich als LZ 25 ein Jubiläumsschiff darstellt, ist hier eingetroffen. Die Probefahrten des Luftschiffes, das nunmehr seine Gasfüllung erhält, werden voraussichtlich anfangs nächster Woche beginnen.
Aus Zern Weiche.
Nach einem abenteuerlichen Leben ist inKarls - ruhe eine Hochstaplerin verhaftet worden, die Jahre hindurch viele Badeorts Deutschlands und des Auslandes unsicher gemacht hat. Ihr eigentlicher Name ist Gertrud Kampmann, Tochter eines Schneiders aus Berlin. Nach Entlassung ans der Fürsorge kehrte das junge Mädchen ihrer Geburtsstadt den Rücken und zog in die weite Welt. In Montreux, Monte Carlo, Baden-Baden, überall tauchte sie auf. Bald nannte sie sich Gräfin Zichy, bald Gräfin Odescalchi, hin und wieder war sie eine einfache Ellen Terry, die indessen als Gattin eines reichen Plantagenbesitzers aus Buenos- Aires angeblich über Millionen zu verfügen hatte. Ueberall suchte und fand sie ihre Opfer, meist Aristokraten, die verheiratet waren und ihre Verirrung teuer bezahlen mußten.
Berlin, 10. Juli. Dem Kaiser Wilhelm hat der ermordete Erzherzog Franz Ferdinand, der bei all seiner herben Verschlossenheit nicht ohne Sinn für Humor war, bei einem seiner jüngsten Besuche ein hübsches, witziges Scherzrätsel aufgegeben, das dieser nicht zu lösen vermochte. Dieses Rätsel hat folgenden Wortlaut: „Wer ist das? Er hat keine Ohren, keine Aase, keinen Mund, ja sogar keinen Kopf, keine Hände und Füße, und ist doch ein Mensch." Der Kaiser vermochte des Rätsels Lösung nicht zu finden. Lachend erklärte ihm der Erzherzog, daß das Rätsel gar nicht so schwer sei, wie es den Anschein habe. Man müsse zu diesem Zweck nur den österreichischen Dialekt gut kennen, dann werde man finden, daß diese merkwürdige Person ohne Augen, Nase, Mund und Kopf ein richtiger, gesunder und sehr vernünftiger Oesterreicher sein könne, denn ein solcher habe nach dortigem Sprachgebrauch keine Augen, sondern Guckerln, keine Ohren, sondern Wascheln, keine Nase, sondern einen Schmecker, keinen Mund,