MaderMoillk
Amtsblatt
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Nr. 81 s
Donnerstag, den 9, Juli 1914
50. Jahrgang.
Du dmtslhe EinhkitsstkiMaphie.
Unter den Anhängern der Kurzschrift hat es immer zwei Parteien gegeben. Die einen wollten mit ihrem System, das sie unbedingt für das beste erklärten, siegen oder sterben. Die anderen hielten es für besser, die widerstrebenden Schulen zu verschmelzen und so zu einer Einheitsstenographie, zu gelangen. Sie haben recht behalten, denn am' 20. und 21. Juni hat ein Ausschuß, in dem neun Systeme vertreten waren, sich einstimmig auf ein neues, ein Einheitssystem, geeinigt, das alle vorhandenen ablösen und ersetzen soll. ^
Daß in der Uebergangszeit bis zur allgemeinen Einführung der Einheitsschrift alle Schulen noch' eifrig ihre Werbe- und Unterrichtstätigkeit fortsetzen, ist selbstverständlich, weil das Wirtschaftsleben ständig neuen Nachschub verlangt. Und es ist durchaus nicht nötig, daß jeder Stenograph umsattelt und sich die Einheitsschrift aneignet. Er kann ruhig das System, in dem er sich eine genügende Fertigkeit angeeignet hat, weiter anwenden. Wer jedoch umlernen will, hat bereits eine Grundlage, die ihm die Erlernung des neuen Systems wesentlich erleichtert.
Man kann wohl annehmen, daß sich der Ueber- gang ohne große Schwierigkeiten vollziehen wird, wenn die Vereine in ihrer Arbeit nicht erlahmen. Das ist schon deshalb notwendig, damit nicht die großen Bestände an Druckschriften, die jede Schule an Lehr- und Unterhaltungsbüchern besitzt, mit einem Schlage völlig entwertet werden.
Auch für den theroetischen und praktischen Ausbau der Stenographie war die Vielheit der Systeme kein Hindernis, sondern das beste, was uns widerfahren konnte. Wohl kaum eine andere Kunst ist in allen ihren Einzelheiten, wissenschaftlich wie praktisch auf alle Möglichkeiten hin so durchgearbeitet und erprobt worden wie die Stenographie. Wer die stenographische Literatur nicht verfolgt hat, macht sich kaum einen Begriff davon, mit welcher Gründlichkeit jede einzelne Frage erörtert worden ist. Die geeignetste Form eines jeden Buchstabens, die Bezeichnung der Vokale, die Verbindung der Vor-, Haupt- und Nebensilben waren der Gegenstand gründlicher Erörterungen, die auf den Erfahrungen der Praktiker fußten.
Man kann wohl sagen, daß die Macht der
Tatsachen sich stärker erwiesen hat, als alle sachlichen und persönlichen Bedenken! Die Sachen waren so weit gediehen, daß, als am 19. Juni der Ausschuß zusammentrat, keine Schule mehr die Schuld an dem Scheitern des großen Kulturwerkes auf sich laden wollte. Dabei gibt es weder Sieger noch Besiegtet Und auch über das Maß von Opfern soll man nicht rechten I Das sind jetzt Kleinigkeiten gegenüber der großen Tatsache, daß nunmehr der Einführung d»r Kurzschrift in die Schulen kein Hindernis mehr im Wege steht.
Flrrs Württemberg.
Stuttgart, 8. Juli. Der Empfang der Rennfahrer der Daimler Motoren- Gesellschaft gestaltete sich gestern nachmittag zu einer großen Kundgebung für die heimkehrenden Grand Prix-Sieger. Ganz Untertürkheim trug reichen Flaggenschmuck. Die Straßen im Industriegebiet waren von einer nach vielen Tausenden zählenden Menge umsäumt. Gegen V-5 Uhr erfolgte die Ankunft der Rennfahrer, die mit brausenden Hochrufen und Hüteschwenken begrüßt wurden. Die Mercedesrennwagen fuhren in einer Reihe die breite Fabrikstraße herunter unter Vorantritt einer Musikkapelle. Die begeisterten Hochrufe pflanzten sich durch die ganze Fabrikstraße fort bis zum oberen Hauptportal der Daimlerwerke, wo eine Rednertribüne errichtet war. Hier begrüßte zunächst Direktor Berge die heimkehrenden Sieger mit einer warmen Ansprache, die in stürmisch aufgenommenen Hochrufen ausklang. Sodann hielt Direktor Paul Daimler eine Ansprache und den Siegern wurden von einem Knaben Daimlers Lorbeerkränze überreicht. Von Direktor Daimler wurden auch die Glückwunschtelegramme verlesen, die der Kaiser und König aus Anlaß der großen Erfolge der Firma übermittelt hat.
Stuttgart, 8. Juli. (Von den Kaisermanövern 1914.) Im bevorstehenden Kaisermanöver werden für die Verpflegung Verhältnisse geschaffen werden, die denen des Krieges möglichst nahe kommen. Die Verpflegung wird sich wie folgt gestalten: Die Fußtruppen entnehmen ihren Bedarf den unmittelbar bei ihnen befindlichen Feldküchen. Diese ergänzen sich aus den Lebensmittelwagen, die sich bei der großen Bagage befinden. Die berittenen Truppen, die nicht über
Feldküchen verfügen, verpflegen sich unmittelbar aus den Lebensmittel- und Futterwagen. Die Wieder- ! füllung dieser geschieht aus den Kolonnen, die den .Armeekorps oder Divisionen mit kriegsmäßigen ^ Abständen folgen. Auch von freihändigem Ankauf der Verpflegungsvorräte zur Wiederfüllung der Lebensmittel- und Futterwagen wird weitgehender Gebrauch gemacht werden, wie es auch im Krieg, soweit es die im Lande Vorgefundenen Vorräte erlauben, der Fall sein wird. Die Verpflegungskolonnen ergänzen ihren Bestand aus Verpflegungszügen der Eisenbahn, die von der Intendantur nach Bedarf vorgezogen werden. In diesem Nahmen finden die Verpflegungsoffizisre bei den Truppen und im Rücken der Truppen die Intendantur durch den sich entwickelnden Pendelverkehr der Verpflegungskolonnen und -Fahrzeuge, sowie den freihändigen Ankauf von Lebensmitteln und Futter reichlich Gelegenheit, für ihre Aufgaben im Krieg zu lernen. Es erhellt hieraus aber auch die dringende Notwendigkeit, auf den Straßen des gesamten Manövergeländes, auch im Rücken der Armeen, strenge Ordnung zu halten und die Manöverleitung in der Durchführung ihrer Absichten zu unterstützen. Die den Armeen vorausgehende Heereskavallerie kauft ihren Haferbedarf im allgemeinen freihändig auf; für den Notfall werden ihr Lastkraftwagenkolonnen für den Haferersatz zur Verfügung stehen, während sämtliche Truppen, wie im Krieg, für den Notfall sogen, eiserne Portionen mit sich führen.
> — (Von den Herb st Übungen des württ.
j Armeekorps.) Die heurigen Brigademanöver .finden vom 8. bis 11. September in den Gegenden ' von Hochmössingen-Freudenstadt, zwischen Tübingen und Nagold und bei Trochtelfingen statt. — Die Divisionsmanöver: 26. Div. vom 11. bis 14 Sept. um Rottweil, am 15. September gegen Flaggenfeind. 27. Div. vom 12. bis 15. Septbr. zwischen Tübingen-Hechingen, am 17. Sept. gegen Flaggenfeind. — K orps Manöver: am 18. und 19. Sept. zwischen Tübingen und Rottweil, am 21. und 22. Sept. manövriert das 13. gegen das 14. Armeekorps. — An Verkehrsformationen nehmen an den Divistons- und Korpsmanövern teil: je I Zug der Fernsprechabt. von Karlsruhe bei jeder Division, 1 Fliegerabt. zu 4 Flugzeugen aus Freiburg i. B., 1 Luftschiff (Z. 7) aus Baden-Oos am 21. und 22. Sept. — Die Rückkehr der Stäbe und Fnßtruppen in die Garnison erfolgt am 22. und 23. Sept. mit der Eisenbahn
Die TestamentsklauseL.
Roman von H. Courths-Mahler.
^Nachdruck verboten.)
»Nun, sei doch nicht verzagt, mein Alter. So spurlos verschwindet in unserem deutschen Vaterlande kein Mensch, daß er nicht aufzufinden wäre. Echliinlnstenfalls nimmt man die Polizei zu Hilfe. Fetzt wollen mir aber erst zur Stadt fahren und dort nachforschen, wohin sie sich gewandt hat. Ich °>n schuld, daß sie vor dir floh, ich helfe dir auch, ße wiederzufinden. Komm, wir wollen sofort aufbrechen, ehe ihre Spur noch mehr verwischt wird." — _ _ —
. Eva Marie kam furchtbar abgespannt und elend w Berlin an. Sie ging zuerst ins Wartezimmer, um eine Tasse Kaffee zu sich zu nehmen. Der unfreundliche Raum, in dem ein schwerer, beklommener Dunst lag, war nur von wenigen Reisenden frequentiert. Alle waren sehr eilig zur Abreise bereit. Eva Marie hatte Zeit, sie konnte so früh ooch nicht ihre künftige Gebieterin aufsuchen.
Nachdem sie sich gezwungen, ein Brötchen zu Mn, suchte sie einen Wafchraum auf, um sich Mus zu erfrischen. Als sie vor dem Spiegel M Haar in Ordnung brachte, erschrack sie vor sich
selbst. Dieser Eindruck wurde noch durch das schwarze Kleid erhöht.
Und nun fiel es ihr auf die Seele, daß es vielleicht Frau von Soltenau unangenehm berühren würve, wenn sie in Trauerkletdern in ihr Haus kam. Sie beschloß, jetzt einige Zeit durch die Straßen zu wandern, bis die Läden geöffnet wurden. Dann konnte sie einen weißen Kragen kaufen und damit ihrer Toilette den allzu düsteren Anstrich nehmen.
Berlin war ihr nicht ganz unbekannt. Sie^ war in früheren, besseren Zeiten mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter immer einige Tage auf der Durchreise hier gewesen, wenn sie nach der Ostsee reisten. Damals hatte es ihr Freude gemacht, die ^ Riesenstadt am Arme ihres Vaters zu durchwan- , dern oder im Wagen durch die drängende, schiebende Menschenmenge zu fahren. j
Heute ging sie allein, mit zerrissenem Gemüt, - mit traurigem Herzen. Es war schon viel Leben auf den Straßen; um diese Zeit sah man das arbeitende Berlin auf den Beinen! Männer im Arbeitsanzug, junge Kaufleute, Verkäuferinnen, Putzmacherinnen und Schneiderinnen, halbwüchsige Burschen und Mädchen, Zeitungsträger usw., alle ^ strebten eilig ihrem Ziele zu. Viele sahen noch müde und verschlafen aus, andere lachten und
scherzten leichtmütig dem kommenden Arbeitstag entgegen. Aber alle waren durch einen unerbittlichen Zwang, durch ein hartes Muß in Bewegung gesetzt.
Und Eva Marie fühlte sich zu ihnen gehörig, ein Glied dieser großen Gemeinde. Wie sie würden viele ein tiefes Leid mit sich herumtragen, würden auf sich allein angewiesen sein und freudlos ihre Straße ziehen.
Aber es lag kein Trost für sie in dieser Erkenntnis, heute noch nicht. Zu neu war noch, was sie aus sonnigen Höhen auf die Schattenseite des Lebens gestoßen hatte. Sie fühlte sich toteinsam und verlassen, und schwere, unselige Gedanken wollten Macht über sie gewinnen.
Wozu sollte sie dies Leben weiter tragen, warum sich quälen mit Schmerz und Jammer? Gab es nicht ein Mittel, sich frei zu machen von allem? Ihr Leben war sie niemandem schuldig — niemandem. Aber Arnim? Wenn er erfuhr, daß sie in der Verzweiflung Hand an sich gelegt — würde das nicht auch sein Leben zerstören? Nein — sie durfte ihm das nicht antun. seinetwillen mußte sie weiterleben, ihr Schicksal tragen.
Auch andere, lockende Gedanken stiegen in ihr auf. „Kehr um, gehe dahin zurück, woher du kamst! Versuch es, dir seine Liebe zu erringen, kämpfe