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Hirju: Illustriertes Svnntagsblatt und während der Saison: Amtliche Fremden list

Nr. 3V l Donnerstag, de» 12. März 1911 s 50. Iahrgaiig^

Wehr Schlitz dm Wlimem I

Die Arbeitslosenheere in den Großstädten sind in ständiger Zunahme begriffen und reden eine eindringliche und ernste Sprache. Während das weibliche Element in den Büros und Fabriken als billigere Arbeitskraft immer mehr anwächst, wird das männliche in gleichem Maße zurückge­drängt. Wen fein Beruf ab und zu in die Kon­tore ber Zeitungen, Rechtsanwälte, Fabriken usw. führt, der muß dies bedauernd bestätigen.

Bedauernd, sage ich, denn es liegt längst auf der Hand, daß das nervöse Hetzen und Jagen des Erwerbslebens sehr oft auf einen Platz, wo ein Mann hingehört, diebilligere" Arbeitskraft fetzt, gleichviel, ob dadurch ein Familienvater fein Brot verliert. Und es ist überdies oft noch sehr frag­lich, ob tatsächlich eine Verbilligung des Betriebs dadurch erreicht wird. Der von der Picke auf in der betr. Branche tätige Manu wird in mancher Beziehung feinem Ehes mehr nützen als das auf irgend einer Schnellbleiche ausgebildete Fräulein.

Der allgemeine Aufbau des Familienlebens er­leidet durch die Frauenverwendung in männlichen Berufen bekanntermaßen die schwersten Schädig­ungen, denn der richtige Wirkungskreis der Frau ist und bleibt eben das Haus, der Haushalt, dem sie erhalten bleiben, auf den sie beschränkt bleiben sollte; es giebt kein richtiges Familienleben ohne das Schalten und Walten der Frau in ihrem Haushalt. Dort findet die Frau auch viel mehr Schutz, als in den nervenzerrültenden Betrieben des Erwerbslebens.

Die männliche Freiheit wird unterdrückt durch die Frauenarbeit, und es sollte kein Reichstags­abgeordneter mehr gewählt werden, der nicht mit Energie für die Hebung der männlichen Rechte und Freiheit eintritt. Das weibliche Geschlecht findet in fernem natürlichen Beruf, und das ist der Haus­halt, jederzeit sein Auskommen und sollte in staat­lichen, kommunalen und privaten Stellungen nicht verwendet werden dürfen. Dann werden wir vor amerikanischen Zuständen bewahrt bleiben und das alte, schöne deutsche Familienleben wird wieder zu Ehren kommen zum Segen des gesamten deutschen Vaterlandes.

Darum, deutsche Männer, kämpfet für euere Freiheit l 0. Leb. in W.

Aus Württemberg.

Stuttgart, 11. März. Die Zweite Kammer hat gestern in zweiter Beratung das Gesetz betr. den Zuschlag zur Reichserbschaftssteuer an­genommen. Darauf gelangte man zur Beratung der Frage über die Vergebung öffentlicher Arbeiten und Lieferungen. Berichterstatter Liesching (Vp.) gab zunächst eine allgemeine Ein­leitung über die ganze Frage des Submissions- wesens und ihre seitherige Behandlung im Land­tag, sowie im Gesamtkollegium der Zentralstelle für Gewerbe und Handel. Das Verlangen des Schutzes der wirtschaftlich Schwachen müsse auf alle in Frage kommenden Stände ausgedehnt werden; dazu ge­höre mit in erster Linie der Handwerkerstand. Der Staat dürfe diesen Stand nicht noch weiter schä­digen, sondern müsse ihn unterstützen. Die schwierige Frage, wo der handwerksmäßige Betrieb aufhöre und der Fabrikbelrieb anfange, sei im Ausschuß nicht erörtert worden. Es werde Sache der Re­gierung sein, über die hier notwendige Abgrenzung Vorschläge zu machen. Die strittigsten Fragen wurden im Ausschuß eingehend behandelt, beson­ders die Frage der Zuschlagserteilung. Dem früher allgemein üblichen Mindestpreisverfahren folgten Versuche mit dem Mittelpreisverfahren, die sich nicht ganz bewährten. Die Bestrebungen des Hand­werks auf eine noch weitere Begrenzung des Mindest­preises ruhten nicht. Der Begriff des Mindest­preises wurde dann geändert in einenannehm­baren" Preis, doch konnte auch dies das Handwerk nicht befriedigen. So kam man zumangemessenen Preis"; auf diesen Standpunkt stellte sich auch der Ausschuß. Man könne nicht vondem", sondern nur voneinem" angemessenen Preis reden, denn die Generalunkosten des einzelnen Handwerkers seien verschieden, auch werden sie verschieden be­rechnet. Die Großindustrie schlage für sie im all­gemeinen 25 Prozent zu den Arbeitslöhnen auf. Bei allem, was auf Schätzung beruhe, erhalte man eben nur einen ungefähren Preis. Der Zuschlag solle nun nur dann erteilt werden, wenn nach Ab­zug auch der Generalunkosten noch ein Unternehmer­gewinn bleibe. Derangemessene Preis" solle erst dann festgestellt werden, wenn die Angebote vorliegen, entgegengesetzt der Ansicht des Hand­werkertages, der die Festsetzung vor dem Aus­schreiben der Arbeit verlangte. Bis zu 7 Prozent

dürfe der Zuschlag unter dem angemessenen Preis bleiben. Der Minister des Innern wie der Vor­stand der Zentralstelle haben sich im Ausschuß für den objektiv angemessenen, also ohne Kenntnis der Angebote festgesetzten Preis ausgesprochen; aller­dings wollten auch sie hierbei einen gewissen Spiel­raum lassen und zwar von 10 Prozent. Der Finanz-Minister und der Präsident der General­direktion konnten sich für diesen objektiv ange­messenen Preis im Ausschuß nicht sehr begeistern, wollten aber den Prozentsatz, mit dem unter den angemessenen Preis herunlergegangen werden könne, noch erhöhen. Das dürfe man nicht, solle noch ein entsprechender Unternehmergewinn möglich sein. Die vom Ausschuß vorgejchlagenen 7 Prozent seien das Richtige. Bei 10 oder gar Prozent habe eine Regelung keinen Zweck, dann könne man es ruhig bei dem jetzigen Stand belassen. Bei der Festsetzung des angemessenen Preises müßten auch Sachverständige aus Handwerkerkrelsen gutachtlich Mitwirken, die natürlich vom Milbewerb auszu­schließen seien. Zum Schluß empfiehlt der Be­richterstatter den folgenden, zur Frage desange- mesfenen Preises" gestellten Ausschutzantrag:Bei handwerksmäßigen Arbeiten ist der Zuschlag nur zu einem angemessenen Preis zu erteilen. Dieser ist von den Behörden, in der Regel nach Anhörung von Sachverständigen aus dem Hand­werk, vor Erlassung des Ausschrribens der Arbeit festzusetzen. Kür den Zuschlag kommen diejenigen Bewerber in Betracht, deren Angebote tüchtige und rechtzeitige Ausführung gewährleisten und nicht mehr als 7 Prozent unter dem festgesetzten ange­messenen Preis bleiben. Die zugezogenen Sach­verständigen sind bei allen Verdingungen, bei denen sie anläßlich der Festsetzung des angemessenen Preises gehört wurden, von der Bewerbung aus­geschlossen."

Tübingen, 11. März. Zum Rektor der Landesuniverfität wurde an Stelle des seitherigen Rektors, Prof. Dr. Koch, Dr. Karl Fuchs von der staatswissenschaftlichen Fakultät berufen.

Kirchheim u. T., 10. März. Seil Anfang März ist in dem neugebauten Kaufhaus der Bahn- hvfftraße das Cafö Eentral eingerichtet und ver­mietet worden. In verflossener Nacht wurde nun der Mieter durch Gas vergiftet tot in der Küche aufgefunden.

Die jchöne Amerikanerin.

Roman von Erich Ebenstem.

36) (Nachdruck verboten.)

Nun wäre die Aussage der Mulattin und das Zeugnis Beppos allerdings auch in anderer Rich­tung von höchster Bedeutung gewesen, aber die Beiden waren spurlos verschwuuoen.

Scheidewein konnte nur ermitteln, daß es un­mittelbar nach den ersten Zeitungsnachrichten über Baron Götz' Verhaftung einen heftigen Streit zwischen Frau Henberson und der Mulattin ge­geben hatte.

Das Stubenmädchen der Jschler Pension, in der die schöne Amerikanerin mit ihrem Gefolge abgestiegen war, hatte die Beiden streiten hören. Eine Stunde später reiste Frau Henderson mit ihrer Zofe nach Wien zurück, während Fräulein Lucy und Beppo in Ischl blieben.

Als dann am nächsten Tage die Zeitungen weitere Nachrichten brachten, verlangte die Atu lattin die Rechnung und verließ mit Beppo eben falls die Pension. Beide lösten Billette nach Wien, doch waren sie dort nicht angekommen, sondern jedenfalls irgendwo unterwegs ausgestiegen.

Wie es die Mulattin fertig gebracht batte, jede Spur hinter sich zu verwischen, war dem Unter

ssuchungsrichter ein Rätsel. Talsächlich verliefen alle angewandten Nachforschungen ergebnislos.

So viel war klar: Hätten die Beiden ent­lastend für ihre Herrin aussagen können, so hätten sie sich jetzt nicht so große Mühe gegeben, zu ver­schwinden.

All dies verwirrte die Sache noch mehr, und da es Scheidewein nicht gelang, neue Zeugen auf­zufinden, sah er sich endlich gezwungen, die Vor­untersuchung einzustellen und die Akten der Staats­anwaltschaft zu übergeben.

Fast zu gleicher Zeit kam Kommissär Lang­mann um seine Pensionierung ein. Er hatte sich durch seine allzu offen zur Schau getragene Be­werbung um Mabel Hendersons Hand zu sehr kompromittiert, um weiter dienen zu können.

Im stillen dachte er nun voll wehmütigen Neides an den Russen, den er einst gefürchtet hatte, und welcher nun so hübsch ohne Eklat da- vongekowmen, während er zum Gegenstand spöt­tischer Neugier avanciert war.

Silas Hempel aber, der sich bis vor kurzem noch so lebhaft für den Fall Witt interessiert hatte, ließ sich bei Scheidewein gar nicht mehr blicken, und der Untersuchungsrichter konnte sich diese plötzliche Gleichgültigkeit nur auf eine Art erklären: Die Eitelkeit des ehrgeizigen Detektivs war lies verwundet worden durch Klingers Erfolg.

Eigentlich ärgerte sich auch Scheidewein im stillen darüber, daß es diesem bloß pfiffigen und zähen Detektiv gerade gelungen war, die wirklich Schuldige rm Fall Witt zu finden. Er hätte diesen Erfolg dem feingebildeten, immer vornehm nnd diskret arbeitenden Hempel viel lieber gegönnt.

Noch jemand wunderte sich über Silas Hem- pels veränderte Haltung: Herbert Fernkorn.

Hermine Florus war infolge der furchtbaren, seelischen Erschütterung an jenem Morgen, als man die Leiche Witts fand, schwer erkrankt, und Her­bert hatte den Detektiv, welcher anscheinend so freundschaftlichen Anteil an dem unglücklichen, jungen Mädchen nahm, davon schriftlich in Keunt- nis gesetzt.

Nun war allerdings zwei Tage später ein struppiges Weib in der Villa Florus erschienen, hatte nach Herrn Fernkorn gefragt und diesem dann in wunderlichem Deutsch mitgeteilt, ihr Herr Herr Silas Hempel wünsche zu wissen, was dem Fräulein fehle und was der Arzt ge­sagt habe.

Herbert gab kurze Auskunft. Fräulein Florus liege an einer schweren Nervenalteration darnieder, die zwar nicht lebensgefährlich, aber deren Heilung ganz unbestimmt sei.

Darauf entfernte sich das mürrisch drein­blickende Weib und das war aber auch alles,