Amtsblatts

für die Stadt Witdüad.

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Hiezu: Illustriertes Sonntagsblatt und

Anzeiger

für Wit'dva d u. Wrngevung.

Diej Eiurücknngsgebkhr

beträgt für die einspaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg., auswärts 10 Pfg., Reklamezelle 20 Pfg. Anzeigen müssen den Tag zuvor aufgegeben werden; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

während der Saison: Amtliche Fremdenlisttz.

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Samstag, den 10 . Januar 1914

50. Jahrgang.

Aus Württemberg.

Stuttgart, 9. Jan. Gestern abend fand im Weißen Saal und den anstoßenden Räumen des Residenzschlosses großer Hofball statt, an dem Ihre Königlichen Majestäten und die Mitglieder der Königlichen Familie teilnahmen und wozu gegen 700 Personen geladen waren. Um 9 Uhr erschienen Ihre Königlichen Majestäten und begrüßten zunächst dl« Mitglieder der Kömglichen Familie, die Standes­herren, das diplomatische Korps und die Angehörigen der 1. Rangstufe. Sodann begann der Tanz, während dessen Ihre Majestäten eine Anzahl Vor­stellungen in der Spiegelgalerie entgegennahmen. Um 11 Uhr fand Abendtafel statt, worauf der Gotillon folgte.

An Stelle der in das Eigentum des Ver­bandes württ. Gewerbevereine übergegangenen Deutschen Gewerbe- und Handwerker-Zeitung" hat der Württ. Handwerker-LandeSverband die in Stuttgarl erscheinendeGeschäftswehr", die vom Württ. Bunde für Handel und Gewerbe herausgegeben wird, zum Nervandsorgan bestimmt. An der Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Handwerker-Landesverbandes soll dadurch nichts geändert werden. Der Verband gliedert sich auch dem Bunde für Handel und Gewerbe nicht an -und identifiziert sich nicht mit dessen Programm und Tätigkeit. Auch der Bund Württ. Handwerks­meisterinnen hat die Geschäsiswehr zu seinem Verbandsorgan bestimmt.

In Stuttgart gerieten zweiFreunde", nach­dem sie mehrere Wirtschaften absolviert hatten, miteinander m Streit, wobei der eine, ein Friseur, S Revolverschüsse abseuerte, von denen einer den Gegner, einen Hilfsarbeiter, in die Brust und einer in den Rücken tras. Lebensgefahr besteht jedoch nicht. Der Täter ist verhastet. Andere Stutt­garterFrüchtchen" verübten, wie sie angeben, aus Purem Uebermut, in den oberen Anlagen einen Raubanfall, indem sie einem dort spazierenden Herrn Rock und Ueberzieher, sowie sein Geld ab­nehmen wollten. Zwei der Kerle sitzen bereits hinter Schloß und Riegel. Der Vorfall verursachte natür­lich große Aufregung in der Stadt.

Stuttgart, 9. Januar. Bei der Klär­anlage bei Münster hat sich ein neuer Unfall er­eignet: Heute vormittag sind dort zwei Arbeiter ertrunken. Eine Gerichlskommission befand sich an Ort und Stelle.

Stuttgart, 9. Januar. In den Geschäfts­räumen der Weißwaren- und Damenartikvlhand- lung von M. Dreisus im Hause Friedrichstr. 60

,Die tchöne Amerikanerin.

Roman von Erich Ebenstem.

15) (Nachdruck verboten.)

Habe ich mit Herrn Melzer die Ehre?" fragte der Detektiv den Hotelier.

Melzer verbeugte sich leicht.

Ja. Sie wünschen?"

Nur eine Auskunft. Stieg nicht vor einigen Tagen hier ein Fremder bei Ihnen ab, etwa 35 Jahre alt, gelblich bleiches Gesicht, schwarzes Haar, eben- ^ solcher Spitzbart, der gebrochen Deutsch sprach und --wahrscheinlich ein Italiener war?"

Ntelzers Gesicht war sehr erstaunt, dann ärger­lich- zuletzt höhnisch geworden. Er musterte den Herrn", und da er ihn nicht sehr imponierend fand, sagte er mit kühler Herablassung:Sie scheinen - etwas sonderbare Begriffe von der Diskretion eines Wirtes seinen Gästen gegenüber zu haben, mein Lieber, wenn Sie meinen, daß da nur so ein Un­bekannter kommen und fragen kann..."

Niein Name ist Elias Abram und ich bin"

Danke. Ich bin gar nicht neugierig. Und

brach heute morgen um 8 Uhr aus noch nicht ge­klärter Uisache Feuer aus. Um 8.30 Uhr rückte die Feuerwehr wieder ab. Der Schaden ist groß.

Tuttlingen, S. Jan. Gestern wurden einem schulpflichtigenMädchen beideBeine abgefahren.

Friedrichshafen, 8. Januar. Das neue Zeppelinluftschiff L.Z. 22, der künstigeMilitärkreuzer Z. das heute vorm. 9 Uhr 45 Min. zu seiner ersten Werkstättefahrt aufgestiegen ist, landete nach fast 4stündiger Fahrt um 1 Uhr 30 Min. glatt in der Halle.

Aus dem Weiche.

In Frankfurt erschoß der 28jährige Rudolf Kleinschrot aus Neckarsulm seine Logissrau, mit der er ein Liebesverhältnis angeknüpst halte. So­dann verletzte er sich selbst tödlich durch einen Schuß in die Schläfe.

Barmen, 9. Januar. Gestern fand unter großer Beteiligung der Bürgerschaft die Beerdigung der bei dem Eisenbahnunglück zu Woippy bei Metz ums Leben gekommenen drei Musketiere aus Barmen statt. Unter den Kränzen befanden sich auch solche, die vom Kaiser, vom Kronprinzen und vom Prinzen Joachim gestiftet waren.

Der Eisenbahnschlosser Körver war auf dem Bahnhofe Herzogenrathe mit dem Anziehen von Gleisschrauben, die sich gelockert hatten, be­schäftigt. In einer der Welchen klemmte sich der Schraubenschlüssel gerade in dem Augenblicke fest, als ein Güterzug heranbrauste. Körver erkannte sofort, daß eine Entgleisung des Zuges unver­meidlich sei, wenn der Schraubenschlüssel in der Weiche stecken bliebe. Sein Pflichtgefühl siegte über den Selbsterhaltungstrieb. Der Gefahr nicht achtend, suchte er mit aller Kraft den Schlüssel aus der Weiche zu entfernen. Im letzten Augen­blick gelang ihm dies; ungefährdet passierte der Zug die Weiche. Körver selbst aber mußte seine Pflichttreue mit dem Leben bezahlen, denn er ver­mochte nicht mehr zur Seite zu springen, der Zug erfaßte ihn und tötete ihn auf der Stelle. Ehre sei dem braven Eisenbahner, der auf dem Felde der Pflicht mutig und treu gefallen ist, wie der Soldat in der Schlacht!

Straßburg, 8. Jan. Der Anklagevertreter beantragte im Reuterprozeß die Freisprechung des Obersten hinsichtlich des Punktes der Anklage, daß er sich die Exekutivgewalt angeelgnet habe; er habe nicht das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehabt. Wegen der Freiheitsberaubung (Einsperrung im Pandurenkeller) beantragte der Anklagevertreter

ein Auskunftsbüro ist hier auch nicht. Guten Morgen!"

Er steckte die Hände in die Hosentaschen und wandte sich nach seinem Kontor zurück.

Aber erlauben Sie," protestierte Abram.Sie werden mir doch wenigstens sagen ... die Sache ist nämlich wichtig. . ."

Mir gar nicht."

Damit verschwand Herr Melzer. Abram wollte sich nun an den Portier wenden, aber dieser hatte sich in seine Loge zurückgezogen und verhielt sich, wenn auch in diplomatischer Höflichkeit, im Grunde genau so zugeknöpft, wie sein Herr.

Ich weiß nicht, wen Sie meinen. Italiener? Es kehren viele-Ausländer bei uns ein, da der Gasthof so nahe am Bahnhof liegt. Ich kann mir wirklich nicht alle Gäste merken." Das waren die Antworten auf Abrams Fragen.

Der Detektiv, der seit zwei Tagen im Dienst der schönen Amerikanerin arbeitete und so selbst­bewußt hergekommen war, mußte schließlich ärger­lich und resultatlos abziehen.

Ich bin zu sehr mit der Tür ins Haus gefallen," dachte er,ich hätte die Geschichte diplomatischer

sieben Tage Gefängnis. Der Anklagevertreter beantragte weiter gegen Leutnant Schad orei Tage Gefängnis wegen Körperverletzung undFreffprechung von der Anklage des Hausfriedensbruchs. Der Verteidiger suchte in längeren Rechtsausführungen darzulegen, daß beide Angeklagte vollständig'frei­zusprechen seien. Zur Lösung der schwierigen Rechtsfrage wurde die Urteilsverkündung "auf Samstag 10 Uhr vorm, angesetzt.

Straßburg, 9. Jan. In der 3. Plenar­sitzung der Zweiten Kammer des elsaß-lothringi­schen Landtags richtete gestern der" Abgeordnete Böhle (Soz.) vor Eintritt in die Tagesordnung an die Regierung die Anfrage, ob es wahr sei, daß gestern eine Schwadron Husaren zum ^ even­tuellen Eingreifen bereit gestanden habe. "Unter­staatssekretär Mandel erwiderte, während der kriegs­gerichtlichen Verhandlungen sei - im Einvernehmen zwischen Zivil- und Militärverwaltung «ine--Es­kadron Husaren bereit gehalten worden, um bei einem Ersuchen der Zivilverwaltung unverzüglich einzugreifen. Die Regierung erhoffte aber von dem gesunden Sinn der Bevölkerung, daß ei« Ein­schreiten nicht nötig sein werde.

Im Oftseegrbiet herrschen neuerlich wieder schwere Stürme. Im Belgischen find gewaltige Schneemassen niedergegangen.

Aus öern Ausland.

Wien, 8. Januar. In den Räumen der Filmfabrik Goumont in der Mariahilferftraße sind heute vormittag infolge der Unvorsichtigkeit einer Arbeiterin, die Films mit Benzin reinigte, eine Anzahl Films explodiert. Die Flammen ver­breiteten sich mit rasender Schnelligkeit. Zwei Be­amtinnen verbrannten, 2 Personen wurden schwer verletzt. Eine Person wird vermißt. Nach zwei­stündigen Löscharbeiten war das Feuer auf seinen Herd beschränkt.

Linz, 9. Jan. An der bayrischen Grenze im Mühlviertel kam es zu einem blutigen Kampfe mit einer achtköpfigen Schmugglerbande. Auf beiden Seiten wurde scharf geschossen. Zwei Finanzwachaufseher wurden schwer verletzt, ein Schmuggler gelötet und drei kampfunfähig gemacht. Die Schmugglerbande wollte Sacharin und Tabak über die Grenze schwärzen.

Wie man aus Marienbad meldet, geriet der Fuhrwerksbesitzer Wenzel Reicher auS Seiten­berg beim Holzfahren vom Waldwege ab, wobei das ganze Gefährt in eine Mulde stürzte. Reicher versuchte vergebens, das Fuhrwerk wieder flott zu machen. Ermattet setzte er sich schließlich auf de^

machen sollen. Leider reißt mich mein lebhaftes Temperament immer fort."

Planlos schleuderte er die Straße ein Stück weit entlang. Dann kehrte er um und postierte sich in dem Hausflur eines gegenüberliegenden Gebäudes.

Metzers Benehmen schien ihm verdächtig. Warum war der Kerl so unerwartet diskret? Sollte der geheimnisvolle Fremde sich am Ende noch im Hause befinden?

Keinesfalls konnte es schaden, auf diese Möglich­keit hin ein wenig den Beobachter des ,,Blauen Lammes" zu spielen.

Je länger Abram nachdachte, desto wahrschein­licher wurde ihm die Sache. Wäre^der Fremde überhaupt nicht hier abgestiegen, so hätte der Wirt dies ja ohne Umstand sagen können. Ebenso, wenn er bereits wieder fort wäre.

Zwar war es sonderbar, daß ein nach Frau Wendels Beschreibung so vornehm gekleideter Herr diesen schäbigen Gasthof als Absteigequartier gewählt hatte, aber der Grund hierfür lag sicher in dem Umstand, daß er eben völlig im Dunkel bleiben wollte.