Nr. 167.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.

93. Jahrgang.

Grsch«tnun-»m»Is«! S mal wöchentlich. Anzelgeiwrel«! Im vberamtlbezirk

talw s8r dt« einspaltig« Zeile Pfg., außerhalb deSftiben IS Pfg., Reklamen so und Sk Psg. Schluß der Lnzelgenaunahm« » llhr vormittags. Fernsprecher s.

Montag de« 8. Juli 1L18.

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ej«gSpr«t1 im Ortl» und Rachdarortrpertehr Mk 1.8k, im Fernvcrkrh» Mk. I.SK, Bestellgeld in Württemberg M Psg.

Der deutsche Gesandte in Moskau ermordet.

Die Ermordung des Grafen Mirbach.

lWTB.) Berlin. S. Juli. Amtlich wird mitgeteilt: Beute vormittag ersuchten zwei Herren de« Kaiserlichen Gesandten in Moskau um «»»«Unterredung, dt« Graf Mirbach im Beisein de» Legatiousrats Niez- «r and eines deutsche» Offiziers bewilligte. Dieb «i» tzd« Unbekannt«« zogen Revolver, schos- fen auf den Kaiserliche« Gesandt?« uns «erletztenlhnleichtamKopfe. Ehe sie daran verhindert werden konnte«, warfen sie ein paar Handgranaten und rettete« sich durchs einen Sprung aus dem Fenster auf die Straße. Graf Mirbach, her schwer verletzt wurde, ist, ohne das Bewußtsein wie« Rer erlangt zu habe«, kurz darauf verschiede«. Di« bei­den anderen Herren blieben unverletzt. Sofort «ach Vekanntwerdeu der Untat trafen die Kommissare für auswärtige Angelegenheiten, Tschitscherin und Ka- rackau auf der Gesandtschaft ein «nd sprachen dem Le- aationsrat Niezler di« Empörung und das Bedauern der Sovjetregierung Aber de« erschütternden Vorfall aus. Leider ist es bis fetzt nicht gelungen, die Verbre­cher zu ermitteln und festzunehme«. Das bisherig« Er­gebnis der sofort eingeleiteten Untersuchung läßt die Vermutung zu. daß es sich um t« Dienste der E «- reute stehende Agenten handelt.

Die Vorgänge beim Attentat.

(WTB.) Moskau, 7. Juli. Vormittags wird ge­meldet: lleber die Ermordung des Grafen Mirbach er­fahren wir noch folgendes Nähere: Um sicher in die Gesandtschaft und zum Grafen Mirbach selbst zu gelan­gen ließen sich die beiden Mörder auf Grund eines gefälschten Ausweises, den sie sich zu verschaffen gewußt hatten, als Beauftragte der Kommission zum Kampf ge­gen die Gegenrevolution melde« und brachten den Pro- Mtz eines unaa». Offiziers dem Grafen Mirbach mir Sprache Gr ist ein dem ermordeten Gesandten persön- Kch unbekanntes Mitglied eine» entfernten ungarischen - Zweiges der Familie Sie hatten sogar di« Akten des Prozesses bei sich Erst nach einiger Zeit zogen beide die Revolver und schossen auf den Grafen Mirbach sowie auf den Legationrrat Niezler und den Leutnant Mül- mr Sofort nach Abgabe der Schüsse sprangen sie aus dem Fenster des zu ebener Erde liegenden Zimmers und warfen im Springen noch Handgranaten nach dem be­reits verwundeten Gesandten. Andere Mitglieder der Gesandtschaft wurden nicht verletzt. Di« Verbrecher eut- kamen kn einem bereit stehenden Automobil, auf das «e überraschten Wachen vergeblich feuerte«. Nachdem Tschitscherin und Ka«rchin gleich nach der Nachricht von dem Morde aus der Gesandtschaft ihr tiefstes Bedauern Über das Verbrechen, da« sich nicht so sehr gegen Deutsch­land. als gegen die Bolschewik» richte, ausgesprochen Hatten, sprachen zwei Stunden später Lenin und Swerd« low, der Präsident des ZentraleAkutivkomitees, vor. Sie gaben dieselbe Erklärung ab und »versicherten, daß für die Bestrafung der Verbrecher alles nur Menschen­möglich» getan werden sollte- Es ist bisher festgestellt worden, daß dis Mörder sich i« da» Quartier einer Gruppe der linken Scyialrevolutionäre geflüchtet ha­ben. Das Haus ist von Truppen umstellt worden. Di« Führer der linken Sozialrevolutionäre, Kamkow, Kar- fin und Eptridonowa, haben sich bisher im Großen Theater, wo alle Mitglieder des Sovielkongresses ver­sammelt sirü», nicht eingefunden. Es ist st» gut wie si­cher, daß der Mord das Signal zu einem Putsch gegen die Herrschaft der Bolschewik? sein sollte. An dieser «egenrevolutionäreu Bewegung scheint ein Teil der lin­ken Sozialrevolutionäre zusammen mit den rechten So­zialrevolutionären, Savinkow und seinen Ententeagen­ttu, beteiligt zu sein. Savinkow selbst ist Letter dirr Ententebestrebungen in Moskau und hat Verbin­dungen niit den Tschechoslowakei: und den Menschewiki. Er war früher Kriegsminister unter Kerenski. Die vor Mgsfähr vier Wochen in Moskau erfolgte Vehaftung einer erheblichen Anzahl seiner Anhänger und Agenten Hat offenbar seine Organisation noch nicht genügend geschwächt. Da Mitglieder der Partei der Limsrevolu- «iouäre auch der Kommission zur Bekämpfung der Ge-

Jnterveuiert Japan doch?

(WTB^i Berlin. 8. Juli. Laut »B. L.-A." wird der WienerN. Fr Presse^ aus Moskau berichtet, daß die Sovjetregierung wegen des Erscheinens japanischer Truppen bei Tschik eine außerordentliche Sitzung ab­gehalten habe. Falls die Japaner und Engländer eine Besetzung russische« Gebiet« beabsichtigen. «Erde die Sovjetregierung fick sofort an Deutschland ansthlietze«. (Tschik liegt in der Nähe der nordchtnefischen Grenze, südlich der an der sibirischen Bahn gelegenen Stadt Tschita. Wenn die Japaner von Nottxhina aus Vor­gehen, so dürfte es sich wohl um di« Besetzung der sibi­rischen Bahn handeln. Die Ähristl.).

Mnrevolution angehören, dürften zwei von ihnen als Mörder in Frage kommen. Di« hauptsächliche Verant­wortung für dis schändliche Tat trägt aber Savinkow, der sich zurzeit versteckt -alt, und feine Geldgeber. Die kaiserliche Regierung hat ihre Erwartung einer nach» drücklichste« Verfolgung und Bestrafung der Verbrecher und ihrer HintermSnner der Eoojetregiernng aufs bestimmteste zum Ausdruck gebracht.

Der Mord von de« Sozialrevolutionären prgestaude«.

(WTB.) Moskau, 7. Juli. Nachmittags wird ge­meldet: Die finken S^ialrevolutkouäre bekannte« sich znm Mord am Kaiserliche« Gesandte«. Ihre im Thea­ter eingeschlossenen Vertreter sind verhaftet. In der Stadt entbrannten Kämpfe zwischen Gegeurevolationii- ren und Bolschewik! an verschiedenen Stellen. Eie schei­nen bisher zu Gunsten der Bolschewik zu verlaufen. Alle Mitzgfiwer der deutschen Gesandtschaft, sowie die sonstigen Vertreter deutscher Behörden sind unversehrt. Die Mörder sind die Sozialrevolutionäre, die An­stifter aber stehen zweifellos tm Ententelager Der ssterreich. Thronfolger, Jaures. das stick» so charakte­ristische Merkmale für den kulturellen Hochstand der Ententepolitik.

Warum Graf Mirbach beseitigt «erde» mußte.

Berlin, 8. Juli. Wie demBert. Lokalanz." aus Genf berichtet wird, teilte Kerenski. bevor die Er­mordung des Grafen Mirbach bekannt wurde, dem ..Pe­tit Parisien" mit, was er über Mirbach» umfassende Tätigkeit ln Rußland erfahren habe. Der persSnfiche Einfluß des deutsche» Botschafter» sei in der jüngste« Zelt schrankenlos geworden; er plane durchgreifende Re­formen auf allen Gebieten. Die Entente habe das höch­ste Interesse daran, ihm rasch entgegen zu wirken. Hier­über wolle Kerensri der französischen Negierung genaue­res bekannt geben.

Die Vorgänge in Rußland.

Die Ermordung des Grafen Mirbach, des deutschen Vertreters in der Sovjetrepublik. durch-ungen« Sub­jekte der gegenrevolutionaren Elenrente in Rußland unter der Regie der Entente, bildet einen gewissen Höhepunkt in der Entwicklung der politischen Vor­gänge der letzten Monate. Seit langem waren von der Entente neu« Schritte^ unternommen worden, das russische Volk zu weiteren Blutopfern zu zwingen. Um di« Pläne ungestörter durchführen zu können, hatte man sich mit der Bolschewikiregierung noch nicht ganz überworfen, wodurch es möglich war, die diplomatischen Vertreter und politischen Agenten im Lande zu be­lassen. Diese haben dann mit den Gegenrevolutionä- ren Fühlung genommen, und ihnen auch die nötigen Geldmittel zur Propaganda zur Verfügung gestellt. Mit der Ermordung des deutschen Gesandten war zwei­erlei verfolgt worden. Erstens sollte das russische Volk damit daraus hingewiesen werden, daß man den deutschen Einfluß für schädlich halt«, und daß man sich seiner entledigen müsse. Der Mord sollte also gewisser­maßen das Signal zurMschüttelung der deutschen Gewaltherrschaft" sein. Zweitens wollte man Schwie­rigkeiten zwischen der Sovjetregierung und Deutschland schaffen. Die französische Presse kann auch ihre Freude über die Tat nicht verbergen. Kavas meldet, die

Blätter feien »instimmig der Ansicht, daß fte Verwick­lungen herbeizufiihren geeignet fei, deren Bedeutung niemand voraussehen könne. Der Meuchelmord wird als der erst« Ausbruch der Rache gegen die deutsche Tyrannei bezeichnet. Es gäbe noch Männer in Ruß­land, dis »m di« Würde ihres Landes besorgt und von Vaterlarck»sliebe erfüllt seien. Die Presseautzerungen zeigen den ganzen Tiefstand der politischen Moral in Frankreich Aber von einem Voll, dessen Regierung nicht davor zurückschreckt, unbequeme Männer, die sie von ihren Abenteuern zurückzuhalten versuchen, einfach über den Haufen schießen zu lassen, können wir wirNich nicht mehr Moralität verlangen. Wahrhaftig, wenn etwas die Skrupellosigkeit der Ententestaatsmännner kennzeichnet, so ist es die Art, wie sie den Kampf auf politischem Gebiet führen. Der österreichische Thron­folger war als Opfer dazu auserkoren, den Krieg zum Ausbruch zu bringen Jaures mußte beseitigt werden, weil man von ihm befürchtete, er könne dem franzö­sischen Volk di« Augen öffnen, bevor es in den Ab­grund hinabgeskürzt würde, urü» der freiheitsdurstigs Jrenführer Roger Tasement sollte in Schweden ja ebenfalls ermordet werden nach den Plänen der eng­lischen Regierung. I» Amerika werden ftiedens» freundliche Personen gelyncht. Und solche Lsieuchel- mördergesellschast will Deutschland mit Schmutz be­werfen. das Deutschland, kn dem die Kriegsgefangene» schon beinahe bis zur Grenze unserer Würde anständig behandelt werden, indem man di« Parteien bis an die Grenze des Möglichen ihre Anschauungen bekennen läßt. Während anderwärts schärfste Beaufsichtigung friedensfreundlicher Elemente stattfindet, darf hier dl« Friedensgesellschaft ihre ideologischen Experiment» machen, und ein Ledebour das Volk sogar zur Revo­lution ausrufen. Daß die Ente aber zum politischen Mord greifen muß, da» beweist, wie traurig es um ihr« Sache steht, und wie wenig Recht sie hat, den» moralisch disziplinierten deutschen Volk Vorlesungeck über seine Staatsmoral zu halten. Die deutsch« Staatsmoral ist bi» auf den heutigen Tag sauber ge­wesen. nur allzu sauber, möchte man angesichts der skrupellosen Machtpolittk der Alliierten sagen; denn unsere passive Politik hat es zweifellos mit sich ge­bracht, dcm dem Dreiverband die Etnkreisungspolitik ft! restlos gelungen war.

Welche Folgen nun der neuest« Anschlag der Entent» baden wird, kann heute «och nicht gesagt werden» Zwischen der deutschen «nd russischen Regierung dürft« es vorerst kaum zu einem Konflikt kommen. Die Sov­jetregierung hat sich durchaus korrekt verhalten. Unh man witt» ihr auch kein Verschulden an der Tat zu» schreiben können. Ls wird sich aber fragen, ob durch den Mott» nicht gewisse politische Parteien in Rußland wieder den Mut zur Gegenrevolution bekommen haben. Wenn Hand in Hand mit der Erregung der öffent­lichen Meinung ein« militärische Einmischung der En-- tente gehen würde, dann wäre allerdings ein neuer Bürgerkrieg tn greifbare Nähe gerückt. Es hat den! Anschein, als sei ei« solches Unternehmen geplant. Ob aber das Vorgehen der Engländer von der Murman» küste aus und das der Japaner von Rordchina gegeH die sibirische Bahn in ursächlichem Zusammenhang stehen, und ob beide im Einverständnis miteinander handeln, das müßte erst der weitere Verlauf der Ding« ergeben. Aber das kann heute schon festgestellt werden, das Problem des Ostens ist wieder aufgerollt, unL Deutsrblcnid wird bei seiner Lösung mitsprechen müssen«

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Die Kämpfe gegen die Tschechoslovaken im Svdosien der Sovjetrepn-lik.

(WTB.) Moskau. 7. Juli. (Pet- Tel.-Ag.) Die Tschechoslovaken haben di« Stadt Sysran besetzt und gehen in großer Zahl zusammen mit den Weißen Gar­den in der Richtung auf Kuzne^ und Pensa vor. Drei Nachricht von der Besetzung von Pensa durch drs Tschechoslovaken bestätigt sich nicht. In der Gegend det Station Ufa haben die Sovjetabteilungen mehrere Dörfer besetzt und dringen weiter vor. Zwischen dem