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btt. 43 j
Dienstag, den 9. April 1912
> 48. Jahrgang.
UoMifche Wenigkeiten.
Blicken wir uns um in der politischen Arena, so ist unsere Lage vergleichsweise doch fast beneidenswert. England hat seine das Wirtschaftsleben erschütternde Kohlenkrisis, deren Ende noch immer nicht ganz abzusehen ist. Unsere Volkswirtschaft und unser sozialer Friede steht auf solideren Beinen; das hat die rasche Beendigung des Bergarbeiter- streiks im Ruhrrevier gezeigt. — Paris und Fra n k- reich kann nicht leben ohne seine Skandalaffäre; jetzt sind es die Autobanditen, deren annarchiftischer Terrorismus darauf hinweist, daß „etwas .faul ist im Staate Dänemark". — Der Tripoliskrieg ist seiner Entscheidung noch immer nicht näher gerückt. Italien hat sich damit eine Rute gebunden, die von Tag zu Tag schmerzlicher empfunden wird. Bisher ist ja der Rationalgeist des italienischen Mies, wie er sich besonders nach dem Attentat auf den König bekundet hat, wahrhaft bewundernswert. Aber wird er nicht schließlich doch erlahmen, angesichts der Tatsache, daß alle Opfer auf die Türken und Araber bisher gar keinen Eindruck gemacht haben? Die Türkei will von Aufgabe der Souveränität über Tripolis weniger als je etwas wissen; Italien kann ohne Demütigung das Annexionsdekret nicht mehr zurückziehen. Erzwingen kann es seine Herrschaft nicht, denn bisher ist es über die Küste nicht hinausgekommen, und die Flottenaktion ist, bisher wenigstens, erfolglos geblieben. Ein Krieg ms Unendliche aber ist eine trübe Aussicht für das italienische Bolk. — Leider hat auch unser nächster Verbündeter unter einer schweren Regierungs- und Verfassungskrisis in Ungarn zu leiden, und aller Augen sind teilnehmend auf den greisen Kaiser Franz Josef gerichtet, der mit Entschiedenheit und Tatkraft den Kampf für die ungeminderte Stellung der Monarchie in Ungarn ausgenommen hat.
klilitlscvsii.
Stuttgarts. April. Die Zweite Kammer, die am Dienstag 16. April nachm, wieder zusammen- tritt, behandelt in ihrer ersten Sitzung Anträge des Finanzausschusses zu verschiedenen Eingaben. Wie man aus parlamentarischen Kreisen hört, wird von den größeren Gegenständen zuerst der Entwurf betr. die Oberamtsärzle zur Beratung kommen.
Stuttgart, 8. April. Vor etwa 3 Wochen ging die Meldung durch die Blätter, daß Herzog Ätbrecht von Württemberg das Kommando des Ull. ^Kgl. Württ.) Armeekorps abgeben und daß an seine Stellung General v. Linstngen, bis jetzt
Kommandeur des II. Armeekorps, treten werde. Damals wurde die Nachricht dementiert, und zwar mit der kategorischen Bemerkung, sie sei „aus der Luft gegriffen". Heute wird sie aus stets gut unterrichteten Kreisen in ganz einwandfreier Werse bestätigt. Im Zusammenhang steht die Aenderung im Kommando des Xlll. Armeekorps mit der Absicht des Großherzogs von Baden, die Stellung als Generalinspekteur der V. Armeeinspektion fernes Augenleidens wegen aufzugeben. Sein Nachfolger in dieser Stellung wird Herzog Albrecht von Württemberg. Zur V. Armeeinspektion gehört das badische, das elsässijche und das lothringische Armeekorps (XIV., XV. und XVI.). Künftig soll auch das XIII. (Württ.) Armeekorps, das bis jetzt der III. Armeeinspeklion (Generalfeldmarschall v. Bock und Pollach) unterstand, der V. Armeeinspektion zugeteilt werden, die dadurch von Karlsruhe nach Stuttgart kommt. Die ganze Angelegenheit zeigt wieder einmal, welchen Wert man solchen Dementis, und wenn sie in noch so apodiktischer Form auftreten, beizulegen hat, und wir nehmen gar keinen Anstand, anzunehmen, daß der damals schon genannte General v. Linstngen tatsächlich an die Spitze des Württ. Armeekorps treten wird. — Herzog Albrecht von Württemberg steht als Nachfolger des nur ganz kurze Zeit die Stuttgarter Generalkommandostelle bekleidetenGeneralv.Fallois seit 1908 an der Spitze des württ. Korps, nachdem er zuvor das 11. Armeekorps in Kassel kommandiert hatte. Der Rücktritt des Herzogs wird noch einen weiteren Wechsel in den hohen Kommnndostellen des württ. Armeekorps im Gefolge haben, da mit der Uebernahme des Generalkommandos durch einen preußischen General den Abmachungen zufolge württembergische Offiziere an die Spitze der beiden Divisionen kommen müssen. Der künftige kommandierende General des württ. Korps, General v. Linstngen, ist in Württemberg wohl bekannt; er hat bereits die 27. Division kommandiert.
Stuttgart, 8. April. Der Landesverband der Wirte Württembergs hält am Dienstag den 16. April im Bürgermuseum eine Landesausschußsitzung ab. In derselben soll m a. das neue Eichgesetz und die Aenderung der Schankgefäßordnung zur Sprache kommen; außerdem erfolgt die Berichterstattung über das Ergebnis der Interpellation der Abgeordneten. Die Tübinger Wirte wollen in der Sitzung ihre Klagen über die Konkurrenz Vorbringen, die ihnen die Studentenhäuser machen, von denen es in Tübingen jetzt 32 gibt. Die Tübinger Wirte beklagen sich besonders darüber, dag in den Verbindungshäusern, ohne daß sie von den Steuer- und Sportelgesetzen betroffen werden, neben
Festlichkeiten aller Art auch Hochzeiten abgehalten werden.
Stuttgart, 6. April. Am Gründonnerstag abend traf bei dem Vorstand der Sektion Schwaben des B. und Oe. Alpvereins von Landeck in Tirol die Nachricht ein, daß Referendar Fritz Sailer, aus Stuttgart unweit der Ascherhütte abgestürzt und auf dem Transporte seinen Verletzungen erlegen sei.
Stuttgart, 8. April. Staatssekretär v. Ki- derlen-Wächier weilte hier zum Ofterbesuch seiner Verwandten.
Stuttgart, 8. April. Der etwa 260000 Mitglieder zählende Deutsche Bauarbeiterverkand ist gegenwärtig bemüht, den annähernd 60 000 Mann starken Verband der Zimmerlsute in sich aus- zunehmen. Der Zimmererverband hatte eine Jahres» Annahme von 1 222 576,26 Mk. und verfügt, über einen Kassenbestand von 2^/. Millionen. -Anlaß zn der Bewegung ist die Absicht, einen > besseren Zusammenhalt der Bauarbeiter zu erzielen und .für eine etwaige größereArbeitsrbewegung un kommenden Jahre gerüstet zu sein.
Ludwigsburg, 8. April. Musikdirektor Pantleon beim Feldart.Reg. Nr. 29 feierte-dieser Tage sein 25jähriges Jubiläum als Slabstrompeler und wurde aus diesem Anlaß in mannigfacher Weise geehrt.
Der 66jährige Taglöhner August Fritz von Mitte lenzt al, ein stark kurzsichtiger Mann, ist beim nächtlichen Heimweg von seiner Arbeitsstelle aus offenbar von der Straße abgekommen und über eine steile Mauerböschung kopfüber in einen Wassergraben gestürzt. Dabei erhielt er eine starke Verletzung der Hirnschale, die wahrscheinlich seinen augenblicklichen Tod zur Folge hatte. Heute Mittag ffvurde sein Leichnam entdeckt; der Kopf war im Wasser, während die Füße an der Mauer auswärts gerichtet waren.
Walddorf, 6. April. Eine hiesige Familie trug sich schon längst mit dem Gedanken,- nach Stuttgart überzusiedeln. Infolgedessen wurden in den letzten Tagen die Vorbereitungen zum Wegzug getroffen, denn am Gründonnerstag sollte die Abreise statlfinden. Die Eltern waren auch- wirklich, aber bei Nacht, heimlich abgereist und an dem betreffenden Morgen schrieen 3 zurückgelassene Kinder im Alter von ca. 4—11 Jahren zum Fenster hinaus nach den verschwundenen Ellern. Die Nachbarn nahmen sich der „Waisen" an; die Kinder müssen nun von der Gemeinde unterhalten werden. Es ist begreiflich, daß die hiesige Bürgerschaft über die Herzlosigkeit der Betreffenden sehr erbittert ist.
Gompelscheuer. 8. April. Freitag nachmittag
Aus Eifersucht.
Roman von MaxHoffmann.
32) (Nachdr. verb')
„Das bloße Erscheinen der FrauMarlebengenügte also, Sie bereit zu machen", fuhr Herr von Scharffen- steinsort. „Hm, sehen Sie, Herr Doktor, ich wußte das bereits schon alles und wollte nur sehen, ob sich -ckhre Aussage mit den Ergebnissen unserer Nachforschungen decken würde."
„Sie mißtrauen mir?" fragte Doktor Waldow erreg:.
„Das gerade nicht — aber Ihre bisherige -Zurückhaltung wird mein Verfahren rechtfertigen. Ich sehe nun zu meiner Freude, daß Sie heute viel offener sind als vor einigen Wochen, wo Sie ^rr schroff jede Aussage verweigerten. Und so bvffe ich, daß Sie sich auch zur Antwort auf die Kardinalfrage entschlossen haben, und diese lautet
uns noch immer: Wie kam jenes Geld in Ihre Hände?«
»Sie sind im Irrtum, Herr Untersuchungs- Achter, wenn Sie vermuten, daß ich in den ver
gangenen Wochen meine Ansicht über diesen Punkt geändert habe. Es muß Ihnen genügen, wenn ich die Versicherung abgebe, darüber zu schweigen."
„War Ihnen die Frau Regierungsrat nicht schon von früher bekannte"
„Allerdings. Aus ihrer Mädchenzeit."
„Wie war nun ihr Verhalten zu Ihnen bei den Krankenbesuchen?"
„Auch darüber möchte ich die Auskunft verweigern."
„Dieses Recht steht Ihnen selbstverständlich zu. Daß Ihr Schweigen vorteilhaft für Sie sein wird, werden Sie selbst kaum glauben."
Doktor Waldow zuckte mit den Achseln und machte eine Miene, als wenn er sagen wolle, daß er auf alle Folgen seines Verhaltens gefaßt sei.
„Warum haben Sie denn nun eigentlich am Tage nach der Entdeckung der Tat so plötzlich Ihr Heim verlassen und sind plan- und ziellos umhrr- geirrt?"
„Ich hatte tatsächlich den Kopf verloren. Als ich nach einer äußerst unruhigen Nacht am Morgen in der Zeitung las, daß die Nummern jener Scheine bekannt wären, da sagte ich mir sogleich.
daß sie in kürzester Zeit gefunden werden würden -"
„Seit welcher Zeit waren sie in Ihrem Besitz?"
Doktor Waldow achtete nicht im geringsten auf diese plötzlich dazwischen geworfene Frage des Untersuchungsrichters. Er tat, als wenn er sie gar nicht gehört hätte, und fuhr, starr zu Boden sehend, fort: „Ich wurde immer erregter — geradezu verrückt — ein momentaner Wahnsinn muß mich gepackt haben — kurz, ich stürzte fort. 'Wohin? Das wußte ich selbst nicht. Nur-fort I Forti rief es in mir."
„Sie fühlten sich also schuldig?"
„Das kann ich nicht gerade sagen. Aber mich beherrschte das unklare Gefühl, daß man mich für schuldig halten müsse."
„Sehr richtig! Denn wenn Sie etwas von dem Gelde hatten, konnten Sie ja auch noch mehr davon haben. Sie konnten also mit der Tat überhaupt in Verbindung gebracht werden. In Bezug auf Ihr Alibi für jene Nacht ist zwar nachgewiesen, daß Ihre Wirtschafterin Sie -gleich am Abend nach dem letzten Krankenbesuch hat zurück-