Revers unterschreiben, wonach der unsittliche Verkehr mit Zustimmung und auf Anregung der Mädchen zustande gekommen sei. Die Oeffentlichkeit war bei den Verhandlungen von Anfang an ausgeschlossen, auch die Verlesung des Eröffnungs-Beschlusses erfolgte nicht öffentlich. Das Gerichtsgebäude war durch Gendarmen abgesperrt. Die als Zeugen geladenen verführten Mädchen und jungen Damen waren in einem Zeugenzimmer untergebracht, dem sich die männlichen Zeugen nicht nähern dursten. Bade war zu 5 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Kuppenheim, 1. Okt. Gestern abend tz'n8 Uhr ereignete sich auf der Straße zwischen hier und Rastatt beim sog. Vogelbau ein schweres Automobilunglück. Es stießen 2 Automobile, von denen das eine unbeleuchtet war, zusammen. Ein Chauffeur ist tot und die von ihm geführte Dame schwer verletzt, sie erlitt einen Beckenbruch und mehrere andere Verletzungen. Der Chauffeur des andern Fahrzeugs wurde ebenfalls schwer verletzt, er brach die Wirbelsäule. Die Verletzten sind in das Spital nach Rastatt verbracht worden.
Bielefeld, 30. Septbr. In der gegenwärtig hier tagenden Generalversammlung des Gustav-Adolf-Vereins wurde die große Liebesgabe im Betrage von 22 835 Mk. der Gemeinde Putschen in Pommern zugewiesen. Auch eine Reihe von andern Gemeinden erhielten erhebliche Beträge.
Breslau, 29. Sept. Der zu Anfang September verstorbene Schachtmeister Schottländer hat der Stadt Breslau 300 000 Mk. vermacht und seinem Bruder Hermann das Bestimmungsrecht für den Verwendungszweck dieser Stiftung überlassen für den Fall, daß er die Summe aus eigenen Mitteln auf eine halbe Million Mark erhöhte. Hermann Schottländer hat diese Erhöhung zugesagt.
Potsdam, 30. Sept. Die Kronprinzessin ist heute abend 11 Uhr 45 Min. glücklich von einem Prinzen entbunden worden.
— Der junge Hohenzollernsproß ist der dritte Sohn des seit 6. Juni 1905 vermählten kronprinzlichen Paares. Das älteste Söhnchen, Wilhelm, ist 4. Juli 1906 geboren, das zweite, Louis Ferdinand, am 9. Nov. 1907.
Berlin, 29. Sept. Der Rechnungsrat Hauschild, der in seiner Wohnung starken Gasgeruch bemerkte, stieg auf eine Leiter und leuchtete mit einer Kerze die Gasrohre ab. Da erfolgte eine schwere Explosion, Hauschild wurde von der Leiter herabgeschleudert und durch Stichflammen chwer am ganzen Körper verbrannt, sodaß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Seine Frau wurde an den «Händen und im Gesicht leichter verletzt. Die Explosion war so stark, daß fast alle Fenster in dem Hause zertrümmert und 2 Wände eingedrückt wurden.
— Zwischen dem Hauptverband der deutschen Malermeister, der sich auf rund tausend Städte verteilt, und seinen über 40000 Gehilfen droht zum ersten Januar ein Tarifkrieg. Die Gehilfen fordern beträchtliche Lohnerhöhungen, die von den Meistern rundweg abgewiesen sink.
Belgrad, 28. Sept. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß es tatsächlich gelungen ist, den Prinzen Georg mit Geld abzufinden und ihn zu veranlassen, seine Rehabilitierungsversuche wenigstens vorläufig aufzugeben. Er soll 500000 Franken sofort und eine jährliche Apanage von 120000 Franken erhalten nnd hat unter dieser Bedingung auch bereits das Hofstatut unterzeichnet. Es muß jedoch abgewartet werden, wie sich das Parlament zu dieser Frage verhalten wird. Schon die im Vorjahre von Paschitsch angeregte Apanage für den damaligen Kronprinzen Georg wurde von allen Parteien heftig bekämpt. Um wieviel stärker wird also der Kampf gegen die jetzt dem Prinzen Georg zu gewährenden Summen sein! Tatsächlich hat auch bereits eine Agitation gegen die Bewilligung einer Abfertigung und Apanage an den Prinzen Georg eingesetzt.
Paris, 29. Sept. Ein 30jähriger Handwerker aus der Rheinprovinz beteiligte sich in einer Jahrmarktsbude in einem Vorort an einem Ringen und stürzte tod nieder mit eingedrückter
Wirbelsäule. Gegen den schuldigen Berufsathleten Rey wurde eine Untersuchung eingeleitet.
London, 29. Sept. Ein inoffiziöses Dementi betrifft die Heirat des Königs Manuel mit der Prinzessin Alexandra. Eine Depesche des Privat- «sekretärs des König? Eduard lautet kurz und bündig: „Kein Wort von Wahrheit an dem Gerücht."
KlnterHcllstenöes.
Iserrlor.
Erzählung von S. CH. von Sell.
(Fortsetzung!. (Nachdruck verboten.!
„Wie viel habe ich aber noch zu lernen I" seufzte sie.
„Nun, Sie haben ja Zeit vor sich; Sie sind noch jung."
„Oh, und ich möchte — ich will! Ich könnte auch, denke ich. Mein Kopf ist, glaub' ich, ganz in Ordnung."
Sie sagte dies mit einem so seltsam ernsten Nachdruck, daß er — ihre Gedanken erratend — lächelnd fragte: „Ist denn sonst etwas nicht in Ordnung?"
Kitty sah errötend zu Boden.
„Nun?"
„Sie sagen, ich habe kein Herz". — Sie mußte es sagen; es war, als ob ein mächtigerer Wille, als der ihre, sie dazu zwänge — so schwer es ihr wurde.
„Wer — sie?"
„Zu Hause — Alle."
„Dann beweisen Sie ihnen das Gegenteil, Fräulein Kitty."
Mansuetos setzte die Unterhaltung nicht fort, da die Dienerin soeben den Braten zum Vorschneiden vor ihn hinsetzte.
„Sie vernachlässigen mich heute ganz um meiner Nichte willen," wandte sich Fräulein Ulrike zu ihm.
„Du weißt doch, welch' ein Kindernarr er ist", sagte Frau Mansuetos lächelnd. !
„Das Kind ist zwar ziemlich groß", ver-' setzte er gut gelaunt, „allein ich gestehe —"
„Daß die Jugend anziehender ist, als das Alter", fiel ihm das ältere Fräulein von Thingen ins Wort.
„Das kommt darauf an. Man lernt von Beiden. Das Alter kredenzt uns den alten/ starken und milden Wein der Erfahrung und ^ Lebensweisheit, die Jugend sitzt am frischen,! Quell der Ursprünglichkeit. Wir mittelalterlichen Leute können beides brauchen. Wir sind! noch nicht abgeklärt wie Jene, und doch ging uns ein gut Teil der Unbefangenheit und Ursprünglichkeit dieser verloren. Mitten im Straßenlärm, in der Werkstatt, auf dem Kampfplatz, verwirrt sich leicht der Blick in Enge, Hast und Staub. Richtig sehen wir erst, wenn wir den Maßstab jener beiden Altersstufen vergleichend anlegen."
„Wirklich so hübsch gesagt, daß ich fast versöhnt bin."
„Sie haben mich aber nur belehrt", sagte Kitty mit der ihr eigenen Ehrlichkeit. Sie hatte ein dunkles Gefühl, als sei sie nicht einmal so recht jugendlich unbefangen mit ihrem scharfen, kühnen Denken. Aber sie wagte nicht, dem Worte zu geben.
Er sah sie lächelnd an. „Ich spiele gern den Schulmeister I Und wir mußten doch auch ein wenig Fühlung miteinander gewinnen, bevor wir uns hernach zusammen auf den Weg machen."
„Also zu Schack", sagte Frau Mansuetos. „Gewiß, es ist viel Schönes dort. Ich persönlich habe es dem Grafen nie verzeihen können, daß er kein Bild meines lieben Mannes für seine Sammlung erwarb, obwohl es ihm oftmals nahe gelegt wurde. Und mein armer Egon wünschte es so sehr."
Um die Lippen ihres Sohnes irrte ein Lächeln, halb mitleidsvoll, halb wehmütig. Kitty dachte, daß es mehr sage, als Worte.
Als sie später mit ihrem Begleiter die Brennerstraße hinunterschritt, gab es zweimaligen Aufenthalt.
Zuerst war ein kleines Mädchen, das über den Fahrdamm lief, hingefallen und schrie jämmerlich. Joachim war sogleich neben ihr.
hob es auf, klopfte ihr den Staub von dem Kleide und beruhigte es mit ermunternden Worten.
Als er dann aus der Tasche seines Rockes eine kleine Büchse hervorholte und das Kind ihr einige Bonbon entnehmen durfte, war der Schreck vergessen und es lächelte mit nassen Aeuglein. Es lag etwas so rührendes in der Art und Weise, wie der stattliche Mann mit der Kleinen umging, daß Kitty ihre sonst allzeit bereite Kritik vergaß.
Weiterhin am Königsplatze stand ein Sa- voyardenknabe mit einem Aeffchen. Wiederum hemmte Mansuetos den Schritt und redete den Jungen — er sah nicht älter aus als zehn oder elf Jahre — in seiner Muttersprache an. Wie die großen schwarzen Augen leuchteten beim Klange der weichen, italienischen Laute! Kitty verstand kein Wort von der ziemlich langen Unterhaltung. Aber sie betrachtete die ausdrucksvollen Mienen des Knaben, sah, wie sein blasses Gesichtchen sich förmlich verklärte, wie er sich straffer aufrichtete. Joachim beschenkte den Italiener, schrieb nach dessen Am gaben etwas in sein Notizbuch und setzte mit freundlichen „A rivederci" seinen Weg fort. Die lebhaftesten Dankesworte tönten ihm nach.
„Verzeihen Sie! Nicht wahr. Sie denken, meine Mutter habe Recht mit ihrer Bemerkung, ich sei ein wahrer Kindernarr? Bin ich auch! In diesem Falle war es mir sehr lieb, daß ich den Burschen traf. Ich sah ihn vor Wochen im Atelier eines mir befreundeten Malers, dem er saß. Nachdem er etwa viermal dort gewesen war, bewog er meinen Freund, ihm die Sitzungen für eine Woche vorauszubezahlen. Er gab vor, einen kranken Freund unterstützen zu müssen. Wer sich dann aber nicht wieder sehen ließ, war er. Da die Frau meines Freundes den halb verhungerten Buben auch noch täglich gespeist hatte, war die Entrüstung doppelt groß. Wenn sich die Sache so verhält, wie er mir eben sagte, so ist er unschuldig. Auch er war vier Wochen krank und ist erst vor wenigen Tagen aus dem Hospital entlassen worden Er behauptet, er habe sich sofort nach dem Atelier meines Freundes begeben, dort aber niemanden angetroffrn. In der Wohnung habe ihm eine alte Frau geöffnet und ihn mit zornigen Worten weggescheucht.
Forts, folgt.
Obstpreiszeltel.
Eßlingen, 1. Okt. Am Güterbahnhof stehen heute an Mostobt 10 Wagen aus Italien und 1 aus Oestreich. Preis 4.80 bis 5.30 Mk. per Zentner.
Ulm, 1. Okt. (Mostobstmarkt.) Auf dem Güterbahnhof standen gestern 4 Wagen italien. Mostäpfel zum Verkauf. Im Kleinverkaus kostete der Zentner bei flauem Absatz 4 . 50 -^ 5 Mk.
SlarrHesbuch-GHronik der Stadt Wildbad
vom 25. September bis 2. Oktober 1909
Geburten:
22. Sept. Schwerdtle, Karl, Schlossermeister hier, I Tochter.
26. „ Rapp, Heinrich, Maurer hier, 1 Tochter.
28. „ Kuch, Friedrich jr. Zimmermeister hier, t
Tochter.
28. „ Vollmer. Georg Gottlob, Fabrikarb. hier,
1 Sohn.
Aufgebote:
25. „ Haag, Karl Ulrich, Fuhrmann in Sprollen
haus und Gauß, Johanna Luise in Sprollenhaus. ,. .
29. „ Buck, Karl Friedrich, Schreiner hier uno
Rapp, Luise Sofie hier. »
1. Okt. Keck, Karl Maler hier und Schmid, Sope
Wilhelmine hier.
Eheschließungen:
25. Sept. Vollmer, Georg Gottlob, Fabrikarb. h>« und Rayher, Marie Christiane hier.
2. Okt. Mollberg, Peter Josef, Hausdiener hier uno
Schmid, Wilhelmine Luise hier.
2. Okt. Wagner, Karl Hugo, Sergeant und HUP- Hoboist in Offenburg und Wendel, Eim» Rosine hier.
Sterbefälle:
25. Sept. Bott, Theodore Katharine, Witwe des Holzhauers Johann Gottlieb Bott, 82 ^ahre - 25. „ Dietz, Elsa Marie, Tochter des Schreiners
Karl Gottlob Dietz hier 2 Monate all.
28. „ Hammer, Luise Katharine, Witwe des Sch
ders Christian Wilh. Hammer, 61 Jahre «u.
29. „ Kuch, Alme, Tochter des Zimmermchter-