Lokales.

Aus der Sitzung der Gemeindekollegien

vom 13. Marz 1909.

Die hiesige Stadtpflege hat alljährlich auf 1. Oktober an die Kirchl. Besoldungskasse bei dem Kgl. Evang. Konsistorium in Stuttgart an Pfarrbesoldungsleistungen den Betrag von 2 Mk. 57 Psg. abzuliefern. Nach Mitteilung dieser Kasse ist die Ablösung dieser alljährlich wieder­kehrenden Leistung durch einmalige Bezahlung von 65 Mk. auf 1. April ds. Js. gestattet. Vom Gemeinderat wird mit Zustimmung des Bürgerausschusses beschlossen, sich mit der vor­geschlagenen Ablösung einverstanden zu erklären und die Stadtpslege anzuweisen, 65 Mk. an die Kirchl. Besoldungskasse einzusenden.

Der Bericht des praktischen Dentisten E. Zittel hier über die durch ihn erfolgte unent­geltliche zahnärztliche Behandlung von 104 be­dürftigen Schulkindern wird zur Kenntnis der Gemeindekollegien gebracht. Es wird beschlossen, dem Zittel den Dank der Gemeindekollegien für seine uneigennützige Tätigkeit auszusprechen, die zur Behandlung der Schüler erforderlichen Materialien, wie Füllungen, Bohrer etc. mit einem Aufwand von ca. 25 Mk. aus der Stadt­kasse zu beschaffen und dem Krankenwärter Rath für Reinigung und Heizung des zu den Zahnoperationen benützten Zimmers mit Wirkung vom 1. April 1908 an und bis auf Weiteres eine jährliche Belohnung von 10 Mk. aus der Stadtkasse auszusetzen.

Vom 23. März 1909.

Die Beratung über die Erweiterung des städtischen Elektrizitätswerks wird heute fortge­setzt. Die zur Besichtigung verschiedener Anlagen von Oeleinspritzmotoren ausgestellte Commission berichtet über das Ergebnis ihrer Besichtigungen und empfiehlt die Anschaffung eines 100 P.S. stehenden Dieselmotors von der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg A. G., da sich diese Art von Motoren überall bewährt hätten. Nach der Offerte dieser Firma vom 20. März 1909 beträgt der Preis für den betriebsfertig aufge­stellten Motor 30620 Mk. zahlbar am 1. Mai 1910, bei Ljähriger Garantiezeit. Ueber die Einrichtung des elektrischen Teiles der Er­weiterung Einstellung einer 100 P.S. Dyna­momaschine etc. liegen 3 Offerten der Firmen Wilh. Reiser, Wild u. Co. in Stuttgart und der Maschinenfabrik Eßlingen vor. Die Kosten des elektrischen Teiles belaufen sich hienach auf ca. 7000 Mk. und die Kosten der baulichen Veränderungen im städtischen Elektrizitätswerk nach dem Voranschlag des Stadtbauamts auf ca. 2400 Mk., sodaß der Gesamtaufwand für die Erweiterung ca. 40000 Mk. betragen wird. Nach eingehender Beratung und nach Anhörung der Vertreter der oben genannten Firmen wird von den Gemeindekollegien einstimmig beschlossen, 1. die Erweiterung des städtischen Elektrizitäts­werks mittelst Einstellung eines 100 P.S. stehenden Dieselmotors zu bewerkstelligen und diesen Motor auf Grund der Offerte vom 20. Mürz ds. Js. bei der Maschinenfabrik Augs­burg-Nürnberg zum Preise von 30620 Mk., zahlbar auf 1. Mai 1910 zu bestellen, 2. das Anerbieten der hiesigen Bergbahngesellschaft, an Stelle der Einstellung eines 50 P.S. Saug­gasmotors eine einmalige Vergütung von 10000 Mark, zahlbar auf 1. JunZl909 an die Stadt­kasse zu leisten, zu acceptieren, 3. mit der Ueber- nahme und Prüfung des Dieselmotors, der Prüfung der vorliegenden 3 Offerten über die elektrische Einrichtung und mit der späteren Prüfung und Uebernahme der letzteren gemäß Par. 172 Z. 4 der Vollz. Vers. z. Gde. O. den Sachverständigen Ingenieur Wahlström in Stuttgart zu beauftragen und 4. die Vergebung des elektrischen Teils der Erweiterung erst auf Grund eines Gutachtens des Ingenieurs Wahl­ström erfolgen zu lassen; den Voranschlag des Stadtbauamts über die baulichen Veränderungen im städt. Elektrizitätswerk mit 2400 Mk. dagegen zur sofortigen Ausführung zu genehmigen.

Das Gesuch des Schmiedmeisters Faas hier um tauschweise Ueberlassung eines städtischen Platzes zwischen seinem Anwesen an der Löwen­bergstraße und der Engenstraße gegen eine Fläche vor seinem Anwesen, die seither schon als Trottoir und Straße benützt wurde, wurde heute wiederholt behandelt. Da zu befürchten ist, daß durch eine Abtretung des städtischen

Platzes der Verkehr für Langholzfuhrwerke bei der Einmündung in die Löwenbergstraße er­schwert wird, wurde vom Gemeinderat mit Zu­stimmung des Bürgerausschusses beschlossen, das Gesuch des Faas abzulehnen.

Vom 8. April 1909.

In Anwesenheit des Sachverständigen In­genieur Wahlström von Stuttgart wurden heute die vorliegenden Offerten über Lieferung einer 100 P.S. Dynamomaschine samt Zubehör für das städtische Elektrizitätswerk geprüft. Herr Wahlström schlägt vor, die Lieferung der Ma­schinenfabrik Eßlingen zu übertragen, da sie mit ihrer Forderung von 6955 Mk. das billigste Offert gemacht und überdies für den Fall der Ueberjragung der Lieferung sich verpflichtet habe, den an der Dynamomaschine im Elektrizi­tätswerk II entstandenen Defekt unentgeltlich zu reparieren.

Die von der Maschinenfabrik Eßlingen über­nommene Garantiezeit beträgt bei Zugrundlegung von 120 Betriebstagen pro Jahr für ^die Dynamomaschine samt Schaltanlage 5 Jahre und für einen etwa vorkommenden Bandagen­bruch an der Dynamomaschine 10 Jahre. Es wurde hienach vom Gemeinderat mit allen gegen eine Stimme und vom Bürgerausschuß mit 6 gegen 3 Stimmen beschlossen, die Lieferung der Dynamomaschine samt Schaltanlage und Zubehör der Maschinenfabrik Eßlingen um die Summe von 6955 Mk. und gegen Erlaß der obengenannten Reparaturkosten zu übertragen und 'den Ingenieur Wahlström mit dem Ab­schluß des Lieferungsvertrags zu beauftragen.

Schmiedmeister Faas hier reicht sein Gesuch um tauschweise Ueberlassung eines städtischen Platzes bei seinem Anwesen an der Löwenberg­straße wiederholt ein. Die Gemeindekollegien beharren auf ihrem Beschlüsse vom 23. März ds. Js. und lehnen auch heute das Gesuch des Faas ab.

Das Stadtbauamt erhält den Auftrag, die Bauarbeiten in der Rennbachstraße und am Rodelweg im Sommerberg in möglichster Bälde zu beendigen und die Reparaturen an den Asphalt­trottoirs noch vor Beginn der Badesaison fertig zu stellen. Vom 17. April 1909.

Zufolge Erlasses des Kgl. Gewerbe-Ober- schulrats vom 28. Januar 1909 Nro. 164 und gemäß Gesetzes vom 22. Juli 1906 be­treffend die Gewerbe- und Handelsschulen wird heute über die Neuorganisation der gewerb­lichen Fortbildungsschule beraten. Es wird beschlossen, das Kgl. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens gemäß Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes um Befreiung von der Verpflichtung zur Durchführung der neuen Vorschriften bis 1. April 1912 zu bitten und die Errichtung einer Gewerbeschule nach Maßgabe des Ge­setzes vom 22. Juli 1906 unter Einführung der Gewerbeschulpflicht für die gelernten Ar­beiter sämtlicher gewerblichen und kaufmän­nischen Betriebe, aber mit Ausschluß der un­gelernten Arbeiter, für 1912 in Aussicht zu neh­men, die ungelernten Arbeiter über einer bis da­hin hier zu errichtenden allgemeinen Fortbil­dungsschule zu überweisen.

Gemäß Par. 24 der Verfügung des Kgl. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, betreffend den Vollzug der Art. 13 und t4 des Gewerbe- und Handelsschulgesetzes vom 20. Dezember 1906 hat die Neuwahl des Ge­werbeschulrats, sowie der Vorschlag eines Schul­vorstandes der gewerblichen Fortbildungsschule auf 1. April 1909 zu erfolgen. Die Gemeinde­kollegien beschließen gemäß Par. 8 genannter Verfügung die Zahl der vom Gemeinderat in den Gewerbeschulrat zu wählenden Mitglieder auf 4 sestzusetzen und es nimmt hierauf der Gemeinoerat in geheimer Abstimmung die Wahl dieser Mitglieder auf die Zeit vom 1. April 1909/12 vor. Es wurden gewählt: 1. Karl Aberle, Kaufmann, 2. Gustav Riexinger, Buchbinder, 3. Karl Güthler, Flaschner und 4. Karl Schwerdtle, Schlosser. Zum Vor­sitzenden des Gewerbeschulrats wurde vom Ge­meinderat auf die Zeit vom 1. April 1909/12 Stadtschultheiß C. Bätzner und als dessen Stellvertreter Oberreallehrer vr. Pfeffer ge­wählt. Gemäß Par. 7 der obigen Verfügung wird vom Gemeinderat für das Amt des Schul­vorstandes der seitherige Vorstand der gewerb­lichen Fortbildungsschule Oberreallehrer I)r. Pfeffer hier vorgeschlagen.

Der Firma Max Wild u. Co. elektrotech­nisches Bureau für Beleuchtungs- und Kraftan­lagen in Stuttgart wird gemäß Par. 6 der Stromlieferungsbedingungen / des Elektrizitäts­werks die Erlaubnis zur Ausführung von Haus­installationen in der hiesigen Stadt hiemit auf Ansuchen erteilt.

Die Besitzer des Sommerberghotels Ba etzner und Wenz bitten um die Erlaubnis zum Anschluß an das städt. Elektrizitätswerk be­hufs Versorgung ihres Hotels mit Licht- und Kraftstrom. Die Zuleitung vom Werke soll entweder mittelst einer eigenen neuherzustellen- den Leitung direkt vom Werke zum Hotel oder unter Benützung der Starkstromleitung der Bergbahngesellschast mit Aufstellung einer Akkumulatorenbatterie erfolgen. Die Gesuchsteller bitten nun, daß die direkte Speiseleitung vom Werke zum Hotel auf Kosten der Stadtgemeinde hergestellt werde, in wel­chem Falle sie sich bereit erklären, die allge­mein festgesetzten Strompreise von 10 Psg. für eine Hektowattstunde im Sommer und 6 Psg. im Winter für Lichtstrom und 2 Psg. pro Hektowattstunde für Kraftstrom an die Stadtgemeinde zu vergüten; oder aber, daß ihnen die Stadt bei Aufstellung einer Akkumu­latorenbatterie und Benützung der Bergbahn­leitung den Strom für Licht und Krastzwecke zum Einheitspreise von 20 Psg. pro Kilowatt­stunde abgebe. Die letztere Bitte begründen sie damit, daß die Ladung der Batterie zu Tageszeiten erfolgen könne, in welchen das Werk am wenigsten in Anspruch genommen sei, sodaß keine Belastung des Werks bei höchster Stromentnahme am Abend erfolgen werde, wodurch für die Stadt die Möglichkeit einer vorteilhafteren Ausnützung des Werks erwachse; auch entstehe für sie selbst durch die Ladung der Batterie ein bedeutender Strom­verlust. Nach Par. 4 der Stromlieferungs­bedingungen erfolgt die Herstellung der An­schlüsse von der nächsten Hauptleitung ein­schließlich der Hauptsicherung und des Elektri­zitätszählers auf Kosten der Konsumenten; auch haben sich die Gesuchsteller nach Par. 4 des mit ihnen abgeschlossenen Erbbaurechts­vertrags vom 19. August 1908 ausdrücklich verpflichtet, die Zuleitung des elektrischen Stromes aus den Hauptleitungen in der Stadt aus ihre Kosten herzustellen. Auf eine Ab­weichung von diesen Bestimmungen glauben die bürgerl. Kollegien der Consequenzen halber nicht eingehen zu können. Hiegegen dürfte es der Billigkeit entsprechen, den bei Verwendung einer Akkumulatorenbatterie für die Gesuch­steller entstehenden Stromverlust zu vergüten, da aus der Ladung der Batterie am Tage für die Stadtgemeinde tatsächlich Vorteile erwachsen. Es wird deshalb von den Gemeindekollegien beschlossen, den Gesuchstellern den Anschluß an das städtische Elektrizitätswerk unter den allgemeinen Stromlieferungsbedingungen und unter der Bedingung zu gestatten, daß sie die Stromzuleitung aus eigene Kosten Herstellen und ihnen den bei etwaiger Verwendung einer Akkumulatorenbatterie entstehenden Ladeverlust, der durch Einsetzung von 2 Messern vor und nach der Batterie festzustellen wäre, allmonat­lich zurückzuvergüten.

Die Kgl. Eisenbahnverwaltung beabsich­tigt, auf dem hiesigen Bahnhof elekrische Be­leuchtung einzurichten und bittet zu diesem Zwecke um Anschluß an das städtische Elek­trizitätswerk; zugleich bittet sie, ihr den er­forderlichen Strom zu ermäßigtem Preise zu liefern. Die Gemeindekollegien beschließen, den Anschluß an das Elektrizitätswerk unter den allgemeinen Stromlieferungsbedingungen zu gestatten, von einer Ermäßigung der Strompreise der Consequenzen halber aber ab­zusehen.

Die Herstellung eines Verbindungsweges vom Schneusenw?g und neuen Rodelweg bis zum Heermannsweg nach dem vom Stadtbau­amt gefertigten Kostenvoranschlag mit einem Aufwand von 700 Mk. wird von den Ge­meindekollegien unter der Bedingung zur Aus­führung genehmigt, daß die Hälfte des Auf­wandes von der Bergbahngesellschast und der Firma Baetzner und Wenz gemeinschaftlich getragen resp. an die Stadtgemeinde ersetzt wird. Es folgen Bausachen, Dekreturen und verschiedene kleinere Gegenstände.