„Wie ihn eben die Laune anwandelt. So viel ich weiß, studiert er Medizin oder tut wenigstens dergleichen — hm, hm — und Bücher hat er genug in seinem Zimmer."
„Konnte er denn so nach Belieben hier aus und ein gehen, Frau Jessop?"
„Freilich, Herr Polizeirat, und, fast schäme ich michZes zu sagen, ich habe dem Fräulein Raynell -den Hauptschlüssel gegeben. Niemals vorher hatte ich das getan und werde es auch gewiß nicht wieder tun, aber, wenn die etwas will — hm, hm — ist es nicht leicht, nein zu sagen, und dann bezahlt sie auch extra dafür."
„Und darf ich fragen, wie teuer sie dieses Vorrecht bezahlte, Frau Jessop?"
„Fünf Schilling die Woche, und ich fürchte sehr,"lsie gab den Schlüssel manchmal ihrem Neffen."
„Würde ihr das ähnlich sehen?"
„Das ist schwer zu sagen — hm, hm — sie ist auf der einen Seite sehr streng und dann wieder sehr nachsichtig."
Ich habe dies Gespräch so kurz als möglich wiedergegeben, und Frau Jessops Abschweifungen unterdrückt, wo es tunlich war. Es war ein schweres Stück Arbeit gewesen, diese Unterhaltung zu führen, denn die alte Dame war wirklich sehr taub u. schwachn Geistes, und es gelang mir fast nie, mich aufs erste Mal verständlich zu machen, schließlich ging es aber doch, und der Inhalt ihrer Mitteilungen war wohl einiger Mühsal wert, hatte ich jetzt doch die ganze Jnscenierung des Mordes in Händen.
Nun rief ich das Dienstmädchen herbei und stellte auch mit ihr ein Verhör an, das aber zu keinem Ergebnis führte. Polch, so hieß der dienende Geist, hatte am Sonntag das Haus verlassen, ehe Philipp gekommen war, und als sie sich am Montag früh wieder eingefunden, war Fräulein Raynell schon ver- chwunden gewesen. Das einzige, was ich er- ühr, war, daß der schwarze Koffer furchbar chwer gewesen sei, der Kutscher habe darüber geflucht, als er ihn auf den Bock heben mußte, worauf Herr Philipp gesagt habe: „Ja, er ist schwer; es sind lauter Bücher darin."
Um halb acht Uhr, nachdem Herr Philipp geklingelt, habe sie ihm das Frühstück hineingetragen, nachdem sie schon eine halbe Stunde vorher Herrn Austin, der zu seinem Bruder wollte, ins Haus gelassen. Als sie mit dem Frühstück eintrat, war Herr Philipp schon auf und angekleidet. Auf Herr Austins Frage nach seiner Tante hatte sie erwidert, Fräulein Raynell sei schon vor einer Stunde nach London abgereist. „Dein Koffer ist also gepackt," hatte Austin seinen Bruder gefragt, während sie im Zimmer war, und Herr Philipp hatte geantwortet: Natürlich; nicht ein Buch habe ich zurückgelassen. Ich bin so froh, daß du den Schlüssel gesunde» hast, was hätte ich ohne den ansangen sollen?" Eine Halbs Stunde darauf hatten sie das Mädchen nach
einer Droschke geschickt, und die beiden Herrn selbst hatten den Koffer aus dem Zimmer geschafft und dem Kutscher beim Aufladen geholfen. „Zum Bahnhof", hatte Herr Philipp ihm beim Einsteigen zugerufen.
Seit jenem Tag hatte niemand im Hause von Tante oder Neffen etwas gehört oder gesehen.
Ich wünschte nun auch die Schlafzimmer zu besichtigen. Das des Fräulein Raynell war sehr ordentlich, machte aber doch den Eindruck, daß die Bewohnerin es unvorbereitet verlassen habe, u. sämtliche Toilettegegenstände lagen auf dem Tisch oder in den Schubladen.
„Wissen Sie vielleicht, ob ein Hut oder Shawl fehlt?" fragte ich die Vermieterin.
Frau Jessop wußte das nicht, „weil sie sich nicht mit Auspassen abgab," Polly versicherte aber, Fräulein Raynell habe nur einen Kapotehut und einen großen, schwarzen Strandhut im Besitz. Den Strandhut fanden wir in einem Wandschrank, den Kapotehut in einer Schachtel.
„Heidenkuckuck!" rief Polly, „die muh ohne Hut nach London gefahren sein."
„Unsinn!" versetzte ich scharf. „Sie haben sich I einfach geirrt, die Dame hatte natürlich einen dritten Hut.
Das Zimmer des jungen Mannes enthielt nichts von Bedeutung, da er all seine Sachen mitgenommen hatte. Ich ging nun wieder in Fräulein Raynells Schlafgemach zurück, bemerkte dort einen zweiten Wandschrank und öffnete ihn. Sämtliche Fächer waren vollgepfropft mit Büchern, fast lauter medizinischen, wie ich auf den ersten Blick sah.
„Heidenkuckuck?" ries Polly wieder. „Und da sagt der Mensch, er habe nicht ein Buch zurückgelassen. Aber wie sie nur da hineiuge- kommen sind?"
„Frau Jessop," sagte, nein schrie ich, so nachdrücklich als möglich, „und Sie Polly Hopkins, wie ich Ihnen sagte, ist Fräulein Raynell nach London gereist, ohne irgend jemand ihre Adresse zu hinterlassen. Darin liegt an und für sich nichts Bedenkliches, und doch finde ich es begreiflich, daß ihre Neffen in Sorge sind. In ihrer Wohnung ist sie nicht, wir müssen also herausbringen, wo sie ist. Die nötigen Anhaltspunkte habe ich jetzt, aber, merken Sie sich wohl, von meinen Nachforschungen darf auch nicht das geringste verlauten." Ich setzte eine möglichst würdevolle Amtsmine auf. „Im Namen der Königin verpflichte ich Sie beide zum Schweigen. Sollten noch von andrer Seite Nachforschungen angestellt werden, so ist es am besten, wenn Sie so wenig als möglich aussagen. Bedenken Sie wohl — wenn von alle diesem ein Wort in die Oeffentlichkeit dränge, so könnte es nur durch Ihre Schuld sein, denn außer Herrn Harvey und mir weiß niemand darum, und wir werden Sie sofort dafür zur Verant- wortung ziehen. Geloben Sie mir mit einem
Eid, Schweigen zu bewahren I Eine Uebertretung würde als Meineid gerichtlich bestraft. Im Namen der Königin — schwören Sie!"
„O Gott, ja, ja!" stammelte Frau Jessop schlotternd.
(Fortsetzung folgt.)
Werrnifchtes.
— WildenbruchS Hausspruch. Als Wildenbruchs Sommersitz am Horn in Weimar, ein froh in Hellen Farben leuchtendes Haus, inmitten herrlicher Gartenanlagen, der Vollendung nahe war und der sogenannte Richtschmaus begangen wurde, schrieb der Dichter folgende Verse:
„Gott lasse dieses Haus bestehn Und lass' es Glück und Freude seh'n Solange Deutschland steht und hält.
Wenn Deutschland aber sinkt und fällt.
Am selben Tag, zur selben Stund'
Schlag' Gott dies Haus in Grab und Grund."
öSZSL LLltS Mä LL83S 2Ü83S
2u billigstan krsissa cki'o boston VVursn ru liotsrn, ist scbon ssit -ladron unssr (ckrunä- satri. — ll'g.usauckö von Luncksn rvorävn äie» Zorns destütigon.
2visr'° 2ekukns.rsLk3.u8. sss
Ueber ein neues Verfahren, Kartoffeln bis in den Juli aufzubewahren, ohne daß sie keimen, bringt der praktische Ratgeber eine Mitteilung: Das Verfahren besteht im wesentlichen darin, daß die Kartoffeln auf eine Unterlage von Koks geschichtet werden. Or. Schiller- Braunschweig der die Sache veröffentlicht, ist der Ansicht, daß die bessere Durchlüftung durch den Koks diese Konservierung allein nicht herbeiführt. Er glaubt vielmehr, daß der Grund in einer, wenn auch sehr langsamen Oxydation des Koks zu finden ist. Koks ist stets etwas schwefelhaltig, und es ist durchaus möglich und angängig, daß die geringen Spuren von Kohlen- und Schwefeloxyd, welche bei der Oxydation entstehen, sich der Lust beimischen und durch die Kartoffeln hindurchstreichen, ausreichen, das Wiedererwacheu der Lebenstätigkeit bedeutend zurückzuhalten.
Die genaue Beschreibung des Verfahrens erhält jeder unserer Leser auf Wunsch vom Geschäftsamt des praktischen Ratgebers in Frankfurt a. O. umsonst zugesandt.
Bezirks'Pferde-Verfichelliligsvereill Neuenbürg.
Rechnungsabschluß
für -aS Geschäftsjahr 1908.
Einnahmen:Ausgaben:
Mark
Pfg-
Mark
Pfg-
1. Vortrag aus dem Vorjahr
—
—
1. Ausbezahlte Entschädigungen
900
—
2. Prämien-Einnahmen
2. Zum Reservefond . . .
392
—
n. Versicherungsbeiträge .
1797
59
3. Abschreibungen ....
—
—
b.^ Nachschußbeiträge . .
—
—
4. Verwaltungskosten
3. Eintrittsgelder ....
162
—
».Gehalt des Rechners
—
—
4. Zinsen.
36
10
b. Tierärztliche Kosten . .
81
—
5. Sonstige Einnahmen
o. Porto, Drucksachen,
Staatsbeiträge ....
330
—
Insertionen.
131
86
Beitrag des landw. Vereins
70
—
ä. Anderweitige Verwalt-
Ersatz der Gebühren für
ungskosten
56
70
tierärztliche Gutachten. .
81
—
5. Sonstige Ausgaben . .
28
90
6. Verlust.
—
—
6. Gewinn, welcher auf neue
Rechnung vorgetragen wird
886
23
Gesamt-Einnahme . . .
2476
69
Gesamt-Ausgabe ....
2476
69
Zufolge Ansuchens der Oberamtspflege Neuenbürg wird Vorstehendes hiemit bekannt gegeben. Wilvbad, den 27. Januar 1909.
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