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Nr. 114. Amis- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 93. Jahrgang.

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Frettag den 17. Mai 1018.

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Bom Landtag.

Der Iustizminister u. der Minister des Znrmern Lider ihr Reffort.

Württemberg und der Parlamentarismus.

Art der gestrigen Beratung des Staatshaushalts in der Zweiten Kammer des württemb. Landtags sprach zu­erst der neue Justizminister Mandry über die in seinem Ressort bevorstehenden große» gesetzgeberischen Aufgaben, deren Erledigung eine Reihe von Jahren in Anspruch neh­men wird. Es wird sich darum handeln, das wiirttembergi- sche Landrecht mit dem neuen Reichsrecht in Einklang zu bringen. Demnächst werde ein neues Reichsstrafgesetzbuch der Öffentlichkeit unterbreitet werden; daneben soll dann noch die Umgestaltung des Zivilprozetzverfahrens und die Um­gestaltung und Neuordnung der Strafprozetzordmmg erfolgen. Wann die Neuordnung des Verfahrens gegen die Jugend­lichen kommt, darüber konnte keine Auskunft gegeben werden. Die Einrichtung der Jugendgerichte habe sich gut bewährt, ebenso die bedingte Begnadigung. Der neue Minister des Innern v. Köhler bezeichnet« es als sein Programm, mit offenem Auge für die Bedürfnisse der Zeit, ohne Vor­urteil und mit besonnenem kritischen Blick und zielbewußt zu handeln. Der Redner sprach dann über die Fragen der Ueüergangswirtschaft; er werde bestrebt sein, die Vertre­tung Württembergs in den Kriegsgeselljchaften und in den wirtschaftlichen Vertretungsstellen des Reichs (die natürlich für die Uebergängswirtschaft sehr erheblich in Frage komme) zu stärken, auch die Schaffung leistungsfähiger Schiffahrts- strahen werde er nach Kräften fördern. Er werde die Be­arbeitung des Projekts für den Rhein-, Neckar-, Donau- und Bodenseekanal möglichst beschleunigen und die Elektrizitäts­versorgung des Landes unter Vermeidung unnötiger Ein­griffe organisch weiterentwickeln. Der Landwirtschaft werde er seine besondere Fürsorge zuwenden. Der Minister bekannte sich als überzeugten Anhänger der Aufhebung der Kreis- regierungen und einer möglichst weitgehenden Vereinfachung der Staatsverwaltung, auch einer Vereinfachung der Ver­waltung der kleinen Gemeinden. Für das Frauenwahlrecht konnte sich der Minister nicht begeistern und begründete diese Abneigung mit ethischen und natürlichen Gesichtspunkten.

Ein besonderes politisches Gepräge aber gab der gestrigen Sitzung ein Duell zwischen dem Abg, Hautzmann (Vp.) und dem Ministerpräsidenten Frhr. v. Weizsäcker über die Frage der Teilnahme des Landstag bei einem Wechsel in der Regierung im allgemeinen und der Aufnahme von Abgeordneten in die Regierung im besonderen, mit andern Worten über dis Frage der Parlamentarisierung und weiter- hin des Parlamentarismus. Kautzmann hatte schon vor eiu paar Tagen dem Bedenken darüber Ausdruck gegeben, wie die Ministerwechsel in letzter Zeit vorgenommen worden seien, ohne datz gewisse Anhaltspunkte dafür bestanden, welche Gründe diese Rücktritte und Verschiebungen eigent­lich gehabt hätten. Auch schon de» Rücktritt Pischecks nach den Wahlen sei nicht ganz klar gewesen. Was diesen letz­teren Fast anbelangt, so erscheint er unseres Erachtens doch geklärt; denn Pischek ging wohl, weil er eine starke Oppo­sition von seiten der Rechten, die damals eine geringe Mehr­heit erhalten hatte, gegenüber feiner in linksliberalem Sinns gerichteten Politik befürchtete. Er trug also dem Charakter dos Parlamentarismus durchaus Rechnung- Der Ministerpräsident hatte nun vorgestern dis Aenderungen im Ministerium als rein persönlichen und Keineswegs Politischen Beweggründen entspringend bezeichnet. Daß die beide» letz­ten MMsterernennungen ahne Miiwisftn der Kammer er­folgt feien,, rechtfertigte er damit, datz eine besondere Auf­klärung nicht erforderlich ^gewesen sei, da das Land sich in keiner Krise befind«. Er fei kein grundsätzlicher Gegner der Ernennung von Parlamentariern auf Miuisterposten. Datz zurzeit kein Mitglied der Regierung dem Haufe angehöre, sei eine reine Zufälligkeit. Die Regierung fei entschlossen, chie Fühlung mit den Ständen aufrechtzuerhalten. Diese Erklärung genügte aber dem Abg. Hautzmann nicht- Gr erwiderte gestern, die Haltung der Regierung in der konpi- stiitionellen Frage sei nicht genügend geklärt, es sei ihm nicht

eingefallen, Lei der Ernennung von Ministern die Anhörung von Vertretern des Landstags seitens der Krone Kl ver­langen, sondern es liege ein verletzender Punkt für den Land­tag darin, datz man ihn Lei den drei eingetretenen Vakanzen umgangen habe. Es wäre wünschenswert, wenn die Ent­wicklung, die sich jetzt im Reich ohne Schade» vollzogen habe, auch in Württemberg vollzöge. Es sei Lei uns in dieser Richtung ein gewisser Rückschritt zu verzeichnen, denn Herr v. Mittnacht habe die Hebung gehabt, sich Lei Minister­vakanzen mit dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer zu besprechen. Nun reagierte Herr v. Weizsäcker direkt. Er meinte, für eine grundsätzliche theoretische Ausein andersetzung über den Parlamentarismus sei jetzt nicht die geeignete Zeit. Er bestritt zudem, daß das Land eine parla­mentarische Konstitution verlange. Ueber die von Hautz­mann vorgeschlagene Entwicklung und Bewegung im Reich möchte er aus Gründen vaterländischer Pflicht schweigen. Während der ganzen Dauer des langen Krieges habe Regie­rung und Volksvertretung vertrauensvoll zusammengearbeitet in vollster llebereinstimmung und Wahrung des Burgfrie­dens. Es sei deshalb zu bedauern, daß in der Stunde der Not des Vaterlandes überhaupt solche innerpolitische Strei­tigkeiten zutage treten. Der Behauptung des Minister­präsidenten, das parlamentarische System habe im feind­lichen Ausland Fiasko gemacht» wurde von der Linken leb­haft widersprochen. Der Abg. Fischer (Dp.) erwiderte, es könne keinem Zweifel unterliegen, datz beim parlamen­tarischen System der Staatsgedanke viel fester im Volke verankert sei, wie auch die gegenwärtigen Zustände in Frank­reich und England zeigen. Bei näherer, objektiver Betrach­tung wird man dieser Anschauung auch beipflichten müssen, es ist keine Frage, das parlamentarische System hat den jetzigen Regierungen in den feindlichen Ländern gerade die Stärke gegeben, die ihnen die Ausübung einer fast diktatori­schen Gewalt ermöglicht, und zwar im Interesse ihre^ Landes, wie sie sagen. Wir dürfen uns auch nicht ver­hehlen, datz der Instinkt dieser Völker durchaus mit der Haltung ihrer Regierungen einig geht, wenn der Verstand angesichts der eingetretenen Verhältnisse auch zur Besin­nung mahnt. Also darüber ist kein Zweifel möglich, eine Regierung, die mit der Volksvertretung in inniger Bezie­hung steht, ist aus rein volkvpsychologischen Gründen immer sicherer, als eine solche, di« mit dem Volk keinen Kontakt hat. Für den vorliegenden Fall trisst das ja aber nicht zu. Und im Interesse einer ruhigen gesunden Fortentwicklung unsrer Staatsverfassung wird man sich daher am besten auf den Standpunkt des Abg. Kiene stellen, der im Namen des Zentrums sagte, seine Partei wolle «ine starke Monar­chie, ebenso aber auch eine kraftvolle Volksver­tretung und ein ersprießliches, vertrauensvolles Zusam­menarbeiten zwischen Regierung und Volksvertretung unter engerer lebendiger Fühlungnahme. » v. 8-

Die Lage auf den Kriegsschauplätzen

Die deutsche amtliche Meldung^

(WTB.) Großes Hauptquartier, IS. Mai. (Amtlich.) Westliche« Kriegsschauplatz r Rach Abschluß der gestrigen Jnfailteriegesecht« nördlich »o« Kemwek, in de««« wir die Franzosen aus örtlichen Einbruchstellen wieder zu­rückwarfen, staute der Artike»ieka«ps j« Kemmelgebiet ab; auch an de» ander« Kriegsschauplätze» ließ die Artillerie» tätigkeit nach. Heftige FeueriiberMe daiwrten gegen unsre Infanterie- nutz Artilleriestellungen beiderseits de« La Basser- kaunls, sowie zwischen Lamme nutz Anke an. Aus dem west­lich» Ufer de? Avre stieß der Feind gestern früh aus de« Senok»twald mit starke» Kräften vor. Ander schmore» Ber- luste« vuirde er zurückzsMagen. A» der übrige« Front kleinere Bprfeldkämpfe.

Starker Fliesereinsatz an den Kawpssrouten führte zu zahlreiche« Luftkämpsen. Wir schosse» 8 3 feindliche Flug­zeuge ab, 1t von ihnen brachte wiederum da» früher von Rittmeister Frhr. ». Nichthosen geführte Jagdgeschwader zum Absturz. Leutnant Windisch errang seinen 20. Luftsieg.

Vo« do» anderu Kriegsschaup!ütze« nichts Reue«.

Der erste GeverakqrmrftcrmMer Ln - end »esst

Neue U-Bootserfolge.

(WTB.) Berlin, 16. Mat. (Amtlich.) Unsere Mittel- meerunterseeboote vernichtete« über 25 00 0 Bruttoregister­tonnen feindlichen Schiffsraums. Den Hauptanteil an die­sem Erfolg hatte das vo» Kapitäulcutnant Marschallbe­fehligte Unterseeboot. Die englischen beladenen Dampfer »Kut Sang" (78S5 Brt.) undComvay" (4000 Brt.) wurden aus gesicherten Eeleitzügen herausgeschossen. Der ganz neue, mit zwei Hilfsmotoren versehene amerikanisch« Viermast- schonerZity of Pensavola" (705 Brt.) wurde durch Spreng­patronen versenkt. Der Chef des Minir .siabs der Marine.

Wie der Unterseebootskrieg keinen feindlichen Erwerbs­zweig verschont, dafür dient folgender Bericht über die chemische Industrie Englands als Beleg. Der Markt stag­niert fett Jahresbeginn vollkommen. In normalen Zeiten würde man mit Beginn des Frühjahrs ein großes Geschäft in Düngemittel gemacht haben, doch sind diesmal einige Artikel, z. B. Ammoniumsulfat kaum auszuireiben. Die Ausfuhr ist gleich null, die Einfuhr durch die Schiffsraum­not sehr behindert. In Chile häufen sich Riesenvorräte von Salpeter an, in Florida (Verein. Staaten) solche von Superphosphat. Auf Hilfe aus den Vereinigten Staa­ten ist nicht zu rechnen, da die Regierung aus Mangel an Schiffen nur Artikel herauslätzt, die für die Kriegführung unerläßlich sind. Kalisalz für technische Zwecke war im März etwas leichter zu haben. Eine Ausnahme bildete Aetzkali, das vom Markte verschwunden ist. Sodiumsulphit war für die leisten Handelsschiffe nicht mehr erhältlich. Am die britische Erzeugung zu steigern und die deutsche Konkurrenz, besonders das deutsche Aspiritmonopol nach dem Kriege zu brechen, ist im Parlament der Entwurf zu einem neue» Patent- und Ehrenzeichengesetz eingebracht worden, das aber in den Kreisen der englischen Handelskammer auf heftigen Widerspruch stößt.

Eine lahme Erklärung der englischen Admiralität zum U-Bootkrieg.

(WTB.) London, 16. Mai. (Reuter.) Im Unterhaus fragte ein Abgeordneter, ob dte Admiralität Mitteilungen über erfolgreiche Unternehmungen zur Erbeutung und Ver­nichtung feindlicher U-Boote machen könne, die in den letz­ten drei Wochen an den Küsten Großbritanniens und Ir« lands vorgenommen worden seien. Mac Namara antwortete: Die Admiralität ist der Meinung, daß der U-Dootskkieg nicht kurzsichtig beurteilt werden darf. Im ganzen ist der ll-Bootskrieg nach seiner allgemeinen Richtung seit den» 1. Januar ganz befriedigend verkaufen (für wen?). Nach­richten aus neutralen Ländern, sowie die wachsende Prah­lerei und die öffentliche Abkeugmmg des Feindes beweisen unsere Erfolge in der letzten Zeit. Aber die Admiralität ist gegen die Veröffentlichung sowohl guter wie auch schlechter Resultate eines kurzen Zeitraums. Sie wird dagegen auch weiter di« Veröffentlichung von Kämpfen mit feindlichen U-Voo^n zulasten, wenn die öffentlichen Interessen es er- kauben. MacNamara fügte hinzu, datz die Zahl der er­folglos angegriffenen Schiffe vom 1. Januar bis SO. April 172 betrag«.

Aus dem feindttch-n Lager.

Folgen der Lnvr-nuuz im Frachtverkrhe der L. ckr.

(WTV.) Ben», 16. Mai.Rappel" berichtet, daß i« Port Said infolge Umladess sämtlicher Frachten heil­lose Unordnung herrsche, die schon di« ernstesten Folgen ge­habt habe. So sei au der snutzösisch englischen Front «ine Klotze Anzahl Pferde eingegangen, weil in das Futter, das in Port Said umgeladen worden war. Rhizinns- körne» gewischt waren. Man könne noch hunderterlei der­artig« Fälle ansühren.

Der »SchzanK der englische» Einftchr.

(WTB) 8»»d«r, IS. Mai. Bei EinbrruWeg der BuLMk» vorbrge i«, Unterhaus lenkte der Präsident des Handek-amts. Stanley, die Aufmerksamkeit aus die ungeheure Abnahme der Einfuhr des Landes seit Kriegsbeginn. Die gesamte Einftchr im Jahre 1017 betrug nur zwei Drittel de» Einfuhr